Sunday, January 23, 2022

Abgeschoben aus Belarus: Ein Kubaner erzählt

DW Abgeschoben aus Belarus: Ein Kubaner erzählt Alexandra Boguslawskaja, Markian Ostaptschuk - Gestern um 21:09 Der Kubaner Roberto Casanueva wurde aus Belarus ausgewiesen und muss nun von seiner Familie getrennt leben. Der DW hat er seine Geschichte erzählt, warum er in Minsk mitdemonstriert hat und was ihm danach passiert ist. "Natürlich träume ich davon, meine Kinder wiederzusehen, aber vorerst gibt es keine Möglichkeit dazu. Wir telefonieren, schreiben und unterstützen einander, obwohl uns Hunderte von Kilometern trennen", sagt Roberto Casanueva. Der Kubaner befindet sich derzeit in Litauen. Davor lebte er 30 Jahre lang in Belarus. "Meine älteste Tochter wurde 1989 in Kuba geboren, wir blieben nur kurz dort, dann zogen meine Frau und mein Kind nach Belarus und ich kam ein Jahr später nach. Ich war als Grafikdesigner tätig und sorgte für meine drei Kinder", erzählt Roberto. "Über die Wahlfälschung war ich empört" Die Fälschung der Präsidentschaftswahlen im August 2020 durch das Regime von Machthaber Alexander Lukaschenko und die anschließenden Massenkundgebungen ließen Roberto nicht kalt. Wie viele Belarussen nahm auch er an den vielen Protestmärschen der Opposition teil. "Ich war schon über die Fälschung der Wahlergebnisse im Jahr 2000 empört. Ich bekam damals per Post eine Wahlbenachrichtigung. Zuerst lachte ich darüber: Wie kann man mich zur Stimmabgabe einladen, wenn ich gar kein belarussischer Staatsbürger bin? Ich dachte an einen Fehler, aber das passierte immer wieder", so Roberto. Und bei den Präsidentschaftswahlen 2020 sahen Freunde von ihm im Wahllokal auf der Liste der Wahlberechtigten seinen Namen stehen. Roberto ist überzeugt, dass seine fiktive Stimme immer Lukaschenko zugeschlagen wurde. Das ärgert ihn und daher wollte er kein stiller Zuschauer mehr sein. Roberto Casanueva wollte unbedingt an den Protesten gegen das Lukaschenko-Regime teilnehmen "Ausgerechnet 2020 lief meine Aufenthaltserlaubnis aus und im September beantragte ich eine Verlängerung. Das Amt für Staatsbürgerschaft und Migration legte mir unerwartet ein Blatt Papier mit irgendwelchen Paragrafen vor", berichtet Roberto und fügt hinzu: "Auf die Frage, was das sei, da ich der Sprache nicht mächtig bin, wurde mir gesagt, ich hätte kein Recht, zu Demonstrationen zu gehen, ich müsse zuhause sitzen, sonst würde mir die Aufenthaltserlaubnis entzogen und ich würde nach Kuba abgeschoben." Roberto lehnte es zunächst ab, das Blatt Papier zu unterschreiben und sagte, er werde trotzdem zu den Protesten gehen. Daraufhin wurde seine Aufenthaltserlaubnis samt Papieren eingezogen. "Einige Tage später war ich wieder dort und sie legten mir jenes Blatt Papier nochmal vor. Dann unterschrieb ich es im Glauben, das sei nur ein Stück Papier und ich würde weiter zu den Demonstrationen gehen können", so Roberto. "Die Haftbedingungen waren eine Prüfung für mich" Doch im November 2020, noch vor Beginn einer Protestaktion, wurde Roberto Casanueva festgenommen und zunächst zu 15 Tagen Arrest verurteilt. Seine Aufenthaltserlaubnis in Belarus wurde annulliert und die Behörden entschieden, ihn aus dem Land abzuschieben. "Meine Festnahme war illegal, weil in dem Moment noch nichts begonnen hatte. Es waren noch keine Menschen gekommen. Ich stand nur da und rauchte, ich hatte weder Symbole noch Flaggen bei mir. Trotzdem hielt ein Gefangenentransporter neben mir und ich wurde von der Sonderpolizei in den Wagen gesteckt", erinnert sich Roberto. Über ein Jahr verbrachte er in der berüchtigten Haftanstalt in der Okrestina-Straße in Minsk, wo massenweise inhaftierte oppositionelle Demonstranten geschlagen und gefoltert wurden. Dort musste Roberto auf seine Abschiebung warten: "Das war eine Prüfung für mich. Ich saß mit anderen Ausländern in einer Zelle, aber sie waren keine politischen Häftlinge. Es waren ganz unterschiedliche Menschen, manche gut und manche schlecht, aber man musste ja mit allen klarkommen." Die Haftbedingungen in jener Zelle würden, so Roberto, dort eigentlich keinen so langen Aufenthalt erlauben: "Es gibt dort keinen Strom. Kaffee, Tee, Zucker, Zigaretten - nichts war dort erlaubt. Einmal pro Woche durfte man ein Paket erhalten, aber in den letzten anderthalb Monaten gab man mir die Pakete meiner Familie nicht mehr." Er habe weder Lebensmittel, Zahnpasta, Zigaretten noch Toilettenpapier bekommen. "Als angeblicher Tourist wurde ich nach Moskau geschickt" Im Dezember 2021 setzten Mitarbeiter der Abteilung Staatsbürgerschaft und Migration Roberto in ein Flugzeug nach Moskau. Ihm wurde für drei Jahre die Einreise nach Belarus untersagt, obwohl er dort drei Kinder hat. "Als angeblicher Tourist wurde ich nach Moskau geschickt, weil es keine Direktflüge von Minsk nach Kuba gibt", erzählt Roberto und fügt hinzu: "Doch nach vier, fünf Tagen fand sich in der Datenbank des russischen Innenministeriums der Hinweis, dass ich abgeschoben wurde." Als Abgeschobener gelang es ihm aber nicht, in Moskau ein Arbeitsvisum für Russland zu erhalten. "Mir blieben nur 30 Tage, meine Probleme zu lösen", so Roberto. Vor seiner Abschiebung verabschiedet sich Roberto Casanueva in Minsk von seinem Sohn Nach seiner Abschiebung tauchte in sozialen Netzwerken ein Abschiedsfoto mit seinem kleinen Sohn auf. "In diesem Moment habe ich natürlich nicht an Fotos gedacht. Das ist keine inszenierte Aufnahme, es war sehr emotional. Ich hatte meinen Jungen über ein Jahr nicht gesehen", erzählt Roberto. Er sei damals sehr besorgt gewesen und habe seinen Sohn beruhigen müssen. "Ich wollte meine Position zum Ausdruck bringen" Einen Monat später fand sich Roberto Casanueva mithilfe der belarussischen Solidaritäts-Stiftung BYSOL in Vilnius wieder. Er wollte auf keinen Fall nach Kuba. "Kuba hat genau so ein Regime wie Belarus, nur noch schlimmer", betont Roberto. Dank einem Programm von Freedom House konnte er ein litauisches humanitäres Visum erhalten. Roberto ist dankbar für die Hilfe, die verfolgten Belarussen und anderen betroffenen Menschen gewährt wird. Auch in Litauen beschäftigt sich Roberto mit Grafikdesign. Nach allem, was er im vergangenen Jahr ertragen musste, bereut er es dennoch nicht, die belarussische Protestbewegung unterstützt zu haben: "Ich wollte meine Position zu den Ereignissen in Belarus und meinen Protest darüber zum Ausdruck bringen. Wenn wir schon über Bereuen sprechen, dann bereue ich nur, dass ich so wenig getan habe. Ich hätte gerne mehr getan." Autor: Alexandra Boguslawskaja, Markian Ostaptschuk