Monday, January 31, 2022

ARD-Experte Felix Neureuther: "Frage mich oft, wo der gesunde Menschenverstand geblieben ist"

ARD-Experte Felix Neureuther: "Frage mich oft, wo der gesunde Menschenverstand geblieben ist" teleschau - Vor 5 Std. Die Olympischen Winterspiele in Peking stehen vor der Tür. ARD-Experte Felix Neureuther sprach jetzt in einem Interview Klartext - auch über die gesellschaftliche Spaltung hierzulande und eine "manchmal schon irrationale Aggressivität" in den Sozialen Medien. Felix Neureuther (37) ist ein großer Olympia-Fan. Aber so manche Entwicklung bereitet dem ehemaligen Slalom-Star und heutigen ARD-Experten große Sorgen. Vor den Olympischen Spielen in Peking ging er in einem Interview mit der Agentur teleschau vor allem mit den Vergaberichtlinien scharf ins Gericht. Der Sohn von Rosi Mittermaier und Christian Neureuther ist Protagonist der sehenswerten BR-Dokumentation "Spiel mit dem Feuer - Wer braucht noch dieses Olympia?" von Nick Golüke und Robert Grantner, die am heutigen Montag, 31. Januar, um 20.15 Uhr, im Ersten ausgestrahlt wird und bereits in der ARD-Mediathek zu sehen ist. In dem Film betrachtet Neureuther das komplexe Olympia-Thema aus der Sicht des Sportlers, führt kritische Interviews, trifft Uiguren, die gegen Menschenrechtsverletzungen demonstrieren und erörtert Lösungsansätze. Was das Sportliche angeht, freue er sich "definitiv" auf die am 4. Februar beginnenden Olympischen Spiele, sagte Neureuther im teleschau-Interview. "Ich war immer und bin nach wie vor ein großer Olympia-Fan, ich liebe das Emotionale, die großen Momente des Sports, sie gehen mir nah. Auf der anderen Seite finden diese Spiele einfach am falschen Ort statt - sie stehen zu Recht auf der ganzen Welt in einem kritischen Licht." Für die Sportler sei das "sehr schade, weil sie auch vor Ort permanent mit diesem Spannungsfeld konfrontiert sein werden", so der TV-Experte, der auch während der Spiele für die ARD im Einsatz sein wird - allerdings nicht vor Ort, sondern im gemeinsamen Sendezentrum von ARD und ZDF in Mainz. "Keiner kann sich wirklich frei bewegen", weiß Neureuther zu berichten. Er "kenne Kollegen, die hinter vorgehaltener Hand schon sagen, dass sie sich mehr über einen Weltcup-Sieg in Schladming oder Kitzbühel freuen würden, als über eine olympische Medaille bei diesen Spielen." Felix Neureuther betont im teleschau-Interview: "Diese Entwicklung stimmt mich traurig!" "Früher saß die Familie bei Olympia gemeinsam vor dem Fernseher" In dem Gespräch ging es auch um das TV-Event Olympia. "Wenn wir heute über die Spaltung der Gesellschaft reden, spielt auch das mit rein", erklärte Felix Neureuther: "Früher saß die Familie bei Olympia gemeinsam vor dem Fernseher - jetzt schaut halt jeder wann und wie er will. Die Zusammenfassung gibt es in der Mediathek oder auf YouTube, es geht allgemein eher weg vom Gemeinschaftserlebnis." Dies sei "eine unumkehrbare Entwicklung, weder zu verurteilen noch umzudrehen", so Neureuther weiter. "Ich sage nur, dass uns etwas verloren gegangen ist." Individualismus sei "ja okay", gab der 37-Jährige gegenüber teleschau zu Protokoll, "Egoismus jedoch nicht". Er frage sich beim Thema gespaltene Gesellschaft "schon auch oft, wo der gesunde Menschenverstand geblieben ist". Neureuther: "Gerade in den Sozialen Medien hat sich, wie ich auch selbst schon erfahren musste und sicher wieder erfahren werde, eine manchmal schon irrationale Aggressivität breitgemacht." Er habe sich "daher weitgehend daraus zurückgezogen". "Gott sei Dank hat mir der Papa da einen Riegel vorgeschoben" Wie Oylmpia geht, das sei der Welt bei den Spielen in Lillehammer 1994 vorgeführt worden - "wo sich ein ganzes Land mit diesem Ereignis identifizierte und es zu einem riesengroßen Volksfest werden ließ". Neureuther erinnere sich sehr gerne an diese Wochen: "Ganz Norwegen stand still in dieser Zeit", wusste er zu berichten. "Kinder, die bei so einem Ereignis mit leuchtenden Augen dabei waren oder vor dem Fernseher saßen, werden diese Momente nie vergessen, ihr Leben lang mittragen und daraus eigene Ziele definieren." Er selbst sei schon "mit drei Jahren das erste Mal bei den Olympischen Spielen dabei" gewesen: 1988 in Calgary, zusammen mit seinen Eltern. "Es gab von da an für mich nur ein Ziel, nämlich Skirennfahrer zu werden", berichtete Neureuther im teleschau-Gespräch. "Dafür wollte ich mit 16 auch die Schule schmeißen, um ausschließlicher trainieren zu können. In dem Alter denkt man nur daran, seine Träume zu erfüllen und nicht, dass es nach der Sportlaufbahn noch ein wichtigeres Leben gibt. Aber Gott sei Dank hat mir der Papa da einen Riegel vorgeschoben." "Der Skisport wird sich anpassen aber nie seinen Reiz verlieren" Den Skisport, wie wir ihn kennen, werde es indes auch in 30 Jahren noch geben, ist sich Felix Neureuther sicher. "Es ist nur so, dass in mancherlei Hinsicht eine Grenze erreicht ist. Das Thema Nachhaltigkeit wird auch im Leistungssport eine viel größere Rolle spielen müssen - wir werden beispielsweise nicht mehr in den Sommermonaten in irgendwelche Gletscherregionen fliegen, um für den Weltcup zu trainieren. Wie bei Olympia geht es darum, die Zeichen der Zeit zu erkennen und Veränderungen anzugehen. In 30 Jahren wird sich die Welt gewaltig verändert haben, der Skisport wird sich anpassen aber nie seinen Reiz verlieren, dafür ist er ein zu schönes Lebensgefühl."