Wednesday, December 13, 2023
Kommentar von Hugo Müller-Vogg - Diese Regierung wird nur noch von zwei Faktoren zusammengehalten
FOCUS online
Kommentar von Hugo Müller-Vogg - Diese Regierung wird nur noch von zwei Faktoren zusammengehalten
Artikel von Von FOCUS-online-Autor Hugo Müller-Vogg •
2 Std.
Die Ampel-Regierung hat sich im Haushaltsstreit geeinigt - endlich. Hinter dem Kompromiss stecken zwei wichtige Erkenntnisse. Denn die Ampel-Parteien haben Angst vor Neuwahlen. Und sie hoffen, dass sich die Finanzlage des Bundes in den kommenden Jahren bessert.
Sie haben sich zusammengerauft - mal wieder. Wobei der Zwang zu einem Haushaltskompromiss sehr groß war. Einen weiteren verfassungswidrigen Etat konnten sich SPD, Grüne und FDP nicht leisten.
Hätten sie damit doch das barsche Urteil von Oppositionsführer Friedrich Merz gegenüber Bundeskanzler Olaf Scholz selbst bestätigt: „Sie können es nicht.“ Es war keine einfache Operation, die im Klima- und Transformationsfonds fehlenden 60 Milliarden Euro auf verfassungskonforme Weise auszugleichen.
Es gelang, weil die Ampel-Parteien sich in zwei Punkten einig waren: In ihrer Angst vor Neuwahlen und ihrer Hoffnung, dass sich die Finanzlage des Bundes im Laufe der nächsten beiden Jahren vielleicht ja bessern könnte.
Angst hätte insbesondere die FDP haben müssen
Die Angst, sich dem Votum der Wähler stellen zu müssen, ist nachvollziehbar. Die SPD würde bei weniger als 20 Prozent landen, die Grünen brächten es vielleicht auf 13 Prozent. Die FDP müsste gar um ihre parlamentarische Existenz bangen. Solche trüben Aussichten fördern die Kompromissfähigkeit auf allen Seiten.
Angst hätte insbesondere die FDP haben müssen, wenn sie einer abermaligen Aussetzung der Schuldenbremse zugestimmt hätte. Bei den Liberalen steht nämlich ein Mitgliederentscheid über den Verbleib in der Regierung an. Den hätten die Rebellen, die unbedingt raus aus der Ampel wollen, unter diesen Umständen sicher gewonnen.
Ein solches Votum der Parteibasis bindet bei den Freien Demokraten weder den Parteivorstand noch die Bundestagsfraktion. Gleichwohl müsste Christian Lindner bei einem Misstrauensvotum gegen seinen Koalitions-Kurs wohl den Parteivorsitz abgeben. Das könnte die Ampel gefährden.
Bei der für den Bundeshaushalt 2024 gefundenen Lösung müssen die Grünen durch die Einsparungen bei der Klimapolitik große Zugeständnisse machen. Der „Klimakanzler“ hat jetzt versicherte, man halte an den eigenen Zielen fest. Sehr glaubwürdig ist das aber nicht.
Das ist wohl als Signal an seine SPD gedacht
Es spricht viel dafür, dass Scholz seinen Finanzminister bei dessen Nein zur Aussetzung der Schuldenbremse unterstützt hat - nicht aus Überzeugung, sondern allein unter dem Aspekt des Machterhalts. Allerdings schließt Scholz nicht aus, dass 2024 unter Umständen eine Lage eintreten könnte, mit der sich eine viel höhere Verschuldung rechtfertigen ließe.
Das ist wohl als Signal an seine SPD gedacht. Die hatte auf ihrem Parteitag am Wochenende die Schuldenbremse zur Hauptschuldigen für fast alle Übel in diesem Land erklärt. Die Parteilinke und die Jusos werden Scholz jetzt sicher keinen Beifall spenden.
Neben der Angst vor Neuwahlen hält noch ein weiterer „Klebstoff“ die Ampel zusammen - das Prinzip Hoffnung.
Niemand weiß, wie sich die Weltwirtschaft im neuen Jahr entwickeln wird. Beispielsweise könnten die sinkenden Zinsen der deutschen Wirtschaft neuen Schwung verleihen und die Steuereinnahmen stärker sprudeln lassen.
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SPD und Grüne haben ihre Parteitage hinter sich
Hoffen muss die Ampel ebenfalls darauf, dass andere Länder ihre Unterstützung für die Ukraine nicht nennenswert reduzieren. In diesem Fall könnte die Bundesrepublik unter Druck geraten, ihre Hilfen über das beschlossene Maß hinaus ausweiten zu müssen.
SPD und Grüne haben ihre Parteitage hinunter sich. Unzufriedenheit mit dem Haushaltskompromiss kann sich allenfalls in Stellungnahmen von Funktionsträgern äußern. Ein Aufstand ihrer Delegierten mit entsprechenden Beschlüssen ist dagegen ausgeschlossen.
Dagegen haben die Ampel-Partner „eingepreist“, dass die FDP-Basis mit dem Haushalt 2024 leben können muss. SPD und Grüne müssen folglich hoffen, dass die FDP-Mitglieder die Streichung von steuerlichen Vergünstigungen oder die Erhöhung der CO2-Abgabe nicht als Steuererhöhungen verstehen.
Die Initiatoren des Mitgliederentscheids werden genau dies sicherlich versuchen. Da setzen die roten und grünen Koalitionäre ihre Hoffnungen wohl auf Lindners rhetorisches Geschick und seine Überzeugungskraft.
Bürger werden Kompromiss deutlich zu spüren bekommen
Falls der Etat-Kompromiss Anfang nächsten Jahres verabschiedet wird, werden die Bürger dies deutlich zu spüren bekommen: an der Tankstelle, an der Strom- und Gasrechnung, beim Fliegen oder im Restaurant.
Das dürfte die Umfragewerte für die Regierungsparteien nicht gerade steigen lassen. Auch wenn - gerade in der Politik - die Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt: Für diese Reparatur an ihrer riskanten Finanzpolitik können die Ampel-Parteien nicht auf Beifall der Wähler hoffen.