Saturday, December 30, 2023
Alkoholfreier Januar: Suchtforscher in Frankreich kritisieren Regierung
DER SPIEGEL
Alkoholfreier Januar: Suchtforscher in Frankreich kritisieren Regierung
1 Std.
Der französische Staat solle besser über die Risiken von Bier, Wein und Spirituosen aufklären, fordert die Wissenschaft. Doch die mächtige Alkohollobby hält dagegen – und die Politik zögert
Welches Land, wenn nicht Frankreich, gilt als Heimat des guten Weines? Doch nun ist ein Streit über den Konsum von Alkohol im Land entbrannt. Mehr als 45 Suchtforscher fordern den Staat dazu auf, Menschen dabei zu unterstützen, im Januar keinen Alkohol zu trinken.
In ihrem Schreiben an den ehemaligen französischen Gesundheitsminister Aurélien Rousseau, der vor Kurzem zurückgetreten ist, erklärten sie, der Staat tue nicht genug, um über die Risiken des Alkohols aufzuklären, wie der »Guardian« berichtet.
Der »Dry January« (trockener Januar) der schon vor zehn Jahren im Vereinigten Königreich eingeführt wurde, wurde 2020 in Frankreich als »défi de janvier« (Januar-Herausforderung) etabliert und von Gesundheitsorganisationen gefördert. Doch die Suchtforscher beklagen nun, dass der Staat das Vorhaben zu wenig unterstütze.
Emmanuel Macron gilt in Frankreich als ein Präsident, der dem Alkohol sehr offen gegenübersteht. Im Juni wurde er etwa dabei gefilmt, wie er in einer Rugby-Umkleidekabine eine Flasche Bier in 17 Sekunden leerte.
Die mächtige französische Alkohollobby argumentiert, Frankreich sei eine Nation, die traditionell in Maßen trinke. Der »Dry January« passe nicht zur Kultur des Landes.
Regierung unterstützt tabakfreien, aber nicht alkoholfreien Monat
Olivier Cottencin, der den Brief initiiert hat, sagte, es sei überraschend, dass die französische Regierung jeden November einen tabakfreien Monat unterstütze, nicht aber einen alkoholfreien Monat.
Wissenschaftliche Untersuchungen hätten eine unmittelbare positive Auswirkung auf die Gesundheit, unter anderem auf den Schlaf und den Blutdruck gezeigt. Menschen, die den ganzen Januar auf Alkohol verzichteten, hätten zudem das Jahr über weniger Alkohol getrunken.
Amine Benyamina, Präsident des französischen Verbands für Suchtforschung, sagte: »Wir wollen kein Land ohne Alkohol, wir wollen ein Land, das sehr stark auf die Risiken hinweist.« Er ergänzte, dass die französischen Politiker zögerten, und fügte hinzu: »Es ist nicht nur die Regierung, es ist die gesamte politische Klasse in ihrer ganzen Vielfalt, die unisono das Alkoholproblem in Frankreich nicht angehen will.«
Der ehemalige Gesundheitsminister Aurélien Rousseau sagte: »Ich bin sehr vorsichtig, wenn die Regierung eine Kampagne startet, die den Menschen vorschreibt, wie sie einen Monat lang leben sollen.« Die Regierung werde allerdings im Jahr 2024 eine Kampagne zum Thema Alkohol starten, die sich an junge Menschen und schwangere Frauen richte.