Friday, September 22, 2023

Senta Berger kritisiert Gendern und politische Korrektheit

t-online Senta Berger kritisiert Gendern und politische Korrektheit Artikel von Steven Sowa • 4 Std. "Wir verleugnen uns" Mit ihrer beispiellosen Karriere ist Senta Berger eine der prägendsten Figuren des deutschen Films. Ihre Worte haben Gewicht – und lassen nun aufhorchen. Schon oft hat Senta Berger über Missstände in der Filmbranche gesprochen. Sie ist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, den Finger in die Wunde zu legen. Missbrauch, Übergriffe, Sexismus: Auch da schilderte die heute 82-Jährige persönliche Erfahrungen, brach vor zwei Jahren ihr Schweigen über einen Vergewaltigungsversuch des österreichischen Schauspielers O. W. Fischer am Set von "Es muss nicht immer Kaviar sein". Senta Berger wunderte sich immer wieder, dass erst mit dem Aufkommen der MeToo-Bewegung im Jahr 2017 ein größerer Fokus auf solche Geschichten gelegt wurde. Schließlich hatte sie bereits im Jahr 2010 ihre Autobiografie "Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann" veröffentlicht und dort über sexuelle Übergriffe berichtet. Jetzt erneuert Berger ihre Kritik an der MeToo-Bewegung – doch diesmal mit anderer Stoßrichtung. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagt sie über MeToo: "Es hätte eine tiefgreifende Diskussion sein können. Aber die war’s nur zum Teil. Zum Teil ging es stark in den Voyeurismus, in die Boulevardisierung der Situationen, die Frauen geschildert haben. Es gab eine Art von öffentlicher Geilheit, die der Sache nicht gutgetan hat." Aus Sicht von Senta Berger sei es sehr zu bezweifeln, dass die Debatte um die Behandlung von Frauen eine breite gesellschaftliche Wirkung entfaltete. "Die Öffentlichkeit hat nur über unsere öffentliche Branche gesprochen. Aber was passiert im Büro? Wehrt sich ein Zimmermädchen, wenn der Chef handgreiflich wird? Ich fürchte nein", so die Schauspielerin. "Dabei hat sich viel bewegt – nur nicht so viel, wie wir gedacht haben." Anschließend übt der Filmstar auch Kritik an der eigenen Branche, vor allem an der Deutschen Filmakademie. Diese hatte einen Verhaltenskodex für den Umgang miteinander entworfen – keine sinnvolle Idee, wie Berger findet. "Ich glaube, wir brauchen keinen Kodex, um zu wissen, was Anstand bedeutet." Es sei viel mehr ein blindes Einschwenken auf den Zeitgeist, der solchen Entwicklungen wie der Ausarbeitung eines Kodex' folgt. I"Das ist nicht gut. Wir verleugnen uns" "Ich habe den Eindruck – er mag falsch sein und meinem Alter entsprechen –, dass in der Filmakademie 'gegendert' wird, weil man das jetzt eben so macht. Ob es inhaltlich richtig ist, wage ich zu bezweifeln", so Berger. Damit lässt die 82 Jahre alte Filmlegende aufhorchen. Schon in der Vergangenheit hatte Berger betont, die MeToo-Debatte befasse sich zu viel mit Gendersternchen, statt mit tatsächlichen Vergehen. Der "Augsburger Allgemeinen" hatte sie im März vergangenen Jahres aber auch gesagt: "Mich stören ein bisschen die Aufgeregtheit und Humorlosigkeit, die damit einhergeht. Aber ich bin natürlich eine alte weiße cis-Frau und kann mir Ausgrenzung nur vorstellen – wenn auch sehr lebhaft." In ihrem neuesten Interview wird sie, bezogen auf das Thema politische Korrektheit, noch einmal deutlich. Damit einher gehe eine Tendenz, die sie gar nicht gut finde: eine aus den USA importierte politische Korrektheit. "Kubricks 'Lolita'? So ein Film gilt in den USA jetzt als pädophil und ist indiskutabel. In Deutschland ist das eigentlich gar nicht unsere Haltung. Aber weil wir medial mit Amerika so verflochten sind, übernehmen wir es", sagt Berger und fügt unmissverständlich an: "Das ist nicht gut. Wir verleugnen uns."