Thursday, September 21, 2023
Analyse von Ulrich Reitz - Faeser korrigiert Wahlrechts-Versprechen und macht dann alles noch viel schlimmer
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Analyse von Ulrich Reitz - Faeser korrigiert Wahlrechts-Versprechen und macht dann alles noch viel schlimmer
Artikel von Von FOCUS-online-Korrespondent Ulrich Reitz •
14 Std.
Nancy Faeser: Sie steht erneut in der Kritik.
Wahlrecht für Ausländer, für Asylbewerber, oder wie auch immer: Innenministerin Nancy Faeser versucht, eine Wahlkampf-Bombe zu entschärfen. Und verstrickt sich dabei in einen unauflösbaren Widerspruch. Es läuft gerade nicht so gut für die hessische Spitzenkandidatin der SPD.
Es gibt Korrekturen, die schaffen einen Fehler aus der Welt und danach ist alles wieder gut. Und es gibt Korrekturen, die einen noch tiefer hereinreiten. Ein anschauliches Beispiel für den Fall einer Verschlimmbesserung lieferte jetzt Nancy Faeser ab.
Für Faeser wird Vorhaben zu Verhängnis
Aber erzählen wir diese Geschichte eines krisenhaften Krisenmanagements von Anfang an:
Am Beginn steht ein ausländerfreundliches Wahlversprechen der hessischen SPD, die von ihrer Spitzenkandidatin Nancy Faeser angeführt wird. „Wir wollen uns auf Bundesebene und im Bundesrat mit Nachdruck dafür einsetzen, dass alle Menschen, die länger als sechs Monate in hessischen Kommunen leben, ein kommunales Wahlrecht erhalten.“ Daraus wird dann die so konsequente wie richtige Schlagzeile: Faeser will Wahlrecht für Asylbewerber. Damit wird aus einer wohlmeinenden Absicht ein politischer Rohrkrepierer.
Denn: Die Asylbewerberzahlen gehen gerade durch die Decke. Viele Kommunen in Deutschland wissen weder ein noch aus. Und Nancy Faeser, die das Kunststück gewagt hat, als Bundesinnenministerin am 8. Oktober die hessische Landtagswahl gewinnen zu wollen, steht auf einmal wegen ihrer Migrationspolitik mächtig unter Druck. Die Union warf ihr aktuell im Bundestag vor, damit „historisch gescheitert“ zu sein. In dieser Situation auch noch zu fordern, auch illegal Eingewanderten das deutsche Wahlrecht zu geben, liest sich wie ein Empfehlungsschreiben an die Wähler für die AfD.
Peinlicher Fehler für wahlkämpfende Faeser
Faeser führt als Vorsitzende den hessischen Landesverband. Und der reagierte. Mit dem Eingeständnis eines überaus peinlichen Fehlers. Eines redaktionellen Fehlers im Wahlprogramm. Der sei passiert, als ein Papier der Landtagsfraktion in dieses Wahlprogramm übertragen wurde. Und dabei wurden nach Darstellung der Hessen-SPD aus sechs Jahren sechs Monate. Der Fehler wurde korrigiert. Nun fordert die Hessen-SPD also, dass Ausländern nach sechs Jahren Aufenthalt in Deutschland ein Wahlrecht zustehen möge, und zwar auf kommunaler Ebene.
Die Sozialdemokraten wollen damit Nicht-EU-Ausländern ein Recht geben, das EU-Ausländern zusteht. Die dürfen schon seit etlichen Jahren in Deutschlands Städten und Gemeinden wählen gehen. Die Hessen-SPD will nun noch zusätzlich die politische Teilhabe für Nicht-EU-Ausländer verbessern, „die seit vielen Jahren rechtmäßig in Hessen leben, die integriert sind und die sich in ihrer Kommune integrieren wollen“. Klingt nett, vielleicht sogar vernünftig. Aber ist mit diesem Akt der Krisenintervention nun wieder alles gut? Davon kann keine Rede sein. Denn das wäre noch das deutsche Recht, dass die wahlkämpfende SPD offensichtlich nicht im Blick hatte.
Und das sagt: Es spielt überhaupt keine Rolle, ob ein Ausländer sechs Monate oder sechs Jahre in Deutschland lebt. Ein Ausländerwahlrecht ist schlicht und einfach verfassungswidrig. Und zwar, weil das ausschließliche „Legitimationssubjekt“ des deutschen Staates das deutsche Staatsvolk ist. So steht es im Grundgesetz, im Artikel 28. Und auf dieser Basis hat das Bundesverfassungsgericht bereits vor ziemlich genau 40 Jahren, 1983, entschieden, dass ein Ausländerwahlrecht verfassungswidrig ist.
Im Bundestag muss Faeser Farbe bekennen
Das ist auch der Grund dafür, weshalb das Grundgesetz geändert werden musste, um EU-Europäern ein kommunales Wahlrecht geben zu können. Ohne Verfassungsänderung bleibt es also dabei: Ausländer sind von der politischen Teilhabe in Deutschland ausgeschlossen. Wollen sie diese Teilhabe, müssen sie sich zuvor einbürgern lassen. Was die Ampelregierung gerade erleichtert hat. Nancy Faeser wies erst an diesem Mittwoch im Bundestag auf diesen Umstand hin.
Was heißt das nun für die anstehende Wahl in Hessen? Ganz einfach: Die SPD zieht mit einer verfassungswidrigen Forderung in den Landtagswahlkampf. Nun ist allerdings Faeser nicht nur Landes-Parteichefin und Spitzenkandidatin für das Amt des Ministerpräsidenten, sondern auch Bundesinnenministerin. Und als solche Hüterin der Verfassung.
Woraus ein klassischer Interessenkonflikt erwächst: Eine Verfassungsministerin kann nicht in ihrer Funktion als Parteipolitikerin fordern, was gegen die Verfassung verstößt. Deshalb wurde das im Bundestag zum Thema gemacht. AfD-Mann Gottfried Curio hielt der Innenministerin vor, ein Wahlrecht ohne Einbürgerung erteilen zu wollen, das sei verfassungswidrig. Im übrigen strebe Faeser offensichtlich ein Wahlrecht ohne vorherige Integration der dann wahlberechtigten Ausländer an, was einen alten und bewährten Grundsatz der Ausländerpolitik verabschiedet: Erst Integration, dann Wahlrecht. Ein schwerwiegender Vorwurf also.
Faeser und eine verfassungswidrige Forderung
Faeser wand sich. Es gebe keine verfassungswidrige Forderung, sagte sie zunächst. Es gebe auch kein Wahlrecht für Asylbewerber. Es gehe um das kommunale Wahlrecht von Ausländern, und „dazu müsste Artikel 28, Absatz 2 geändert werden“. Gemeint war das Grundgesetz. Dann schob Faeser im Hinblick auf eine notwendige Grundgesetzänderung nach: „Das spielt in meiner Amtsführung keine Rolle.“ Was hat die Innenministerin damit gesagt?
Sie räumte ein: Die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Ausländer ist ohne Verfassungsänderung nicht möglich. Es wäre also bis dahin verfassungswidrig. Ein notwendiges Eingeständnis – Faeser kann an den juristischen Fakten nicht vorbeischauen, das Grundgesetz ist in diesem Fall so eindeutig wie die Verfassungsgerichtsentscheidungen darüber.
Die Spitzenkandidatin Faeser geht mit einer wichtigen ausländerpolitischen Forderung in den Wahlkampf, die sie in ihrer Rolle als Bundesinnenministerin als verfassungswidrig einstuft. Und die deshalb in ihrer Berliner Amtsführung „keine Rolle“ spielt. Dies aus zwei Gründen: Erstens wäre das kurz vor einer Wahl politisches Harakiri, und zweitens würde Faeser nie und nimmer eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag für die dann nötige Grundgesetzänderung zustande bringen.
Die Bürger in Hessen haben somit die Wahl: Glauben sie der warmherzigen Parteipolitikerin aus Hessen, oder der kaltherzigen Verfassungsministerin aus Berlin? Dummerweise steht hinter den beiden gegensätzlichen Positionen dieselbe Person: Nancy Faeser.