Monday, February 10, 2025
Stefan Weber wirft Robert Habeck Plagiate vor, um diese Fehler in der Doktorarbeit geht es
Berliner Zeitung
Stefan Weber wirft Robert Habeck Plagiate vor, um diese Fehler in der Doktorarbeit geht es
Len Sander • 2 Std. • 4 Minuten Lesezeit
Robert Habeck (Grüne) vergangene Woche bei einem Wahlkampfauftritt in Berlin
Am Montagmittag geht Robert Habeck überraschend an die Öffentlichkeit. In einem auf X veröffentlichten Video erklärte der Grünen-Kanzlerkandidat, er rechne damit, dass bald Plagiatsvorwürfe gegen ihn bekannt würden. Diese beträfen seine Dissertation, mit der er im Jahr 2000 promoviert wurde. Habeck streitet die Vorwürfe in seinem Video ab und verweist auf Untersuchungen der unabhängigen Ombudsstelle der Universität Hamburg.
Der sich „Plagiatsjäger“ nennende österreichische Kommunikationswissenschaftler Stefan Weber veröffentlicht dann am Nachmittag ein Gutachten, das Robert Habeck Plagiate in seiner Doktorarbeit vorwirft. Wie genau lauten die Vorwürfe gegen den Vizekanzler und wer steckt hinter den Vorgängen?
Die Plagiatsvorwürfe beziehen sich auf die literaturwissenschaftliche Dissertation, mit der Robert Habeck im Jahr 2000 von der Universität Hamburg zum Dr. phil. promoviert wurde. Sie trägt den Titel „Die Natur der Literatur. Zur gattungstheoretischen Begründung literarischer Ästhetizität“ und wurde 2001 vom Verlag Königshausen & Neumann als Buch veröffentlicht.
Stefan Weber veröffentlicht auf seinem Blog das Gutachten unter dem Titel „Plagiatsverdacht: Die systematisch verfehlte Quellenarbeit des Robert Habeck“. Dazu schreibt er, Habeck habe auf „geradezu unglaubliche Weise eine Belesenheit vorgetäuscht, die er nicht hat“. Weber wirft Habeck vor, dieser habe direkte Zitate „mitplagiiert“, aber auch „Fließtext plagiiert“. Der Hauptvorwurf des Gutachtens: „Es finden sich in der Dissertation von Robert Habeck mannigfaltige Quellen- und Zitatsplagiate sowie Textplagiate. Die Quellenarbeit von Robert Habeck ist in Summe als verfehlt und unwissenschaftlich zu bezeichnen.“
Auf 188 Seiten mit den Abschnitten „Quellen-, Zitats- und Textplagiate“, „Falschzitate“, „Schlampereien bei Quellenangaben“ und „Korrekter Umgang mit Sekundärzitaten“ will Weber Habeck grobe wissenschaftliche Verfehlungen nachgewiesen haben. 269 Zitierfehler will das Gutachten gefunden haben, also mehr als einen Zitierfehler pro Seite. Gegen mögliche Kritik verwehrt sich Weber: „Da Habeck ein (Links-)Grüner ist, wird man sagen, dass der Plagiatsvorwurf unzutreffend sei.“
Schon im August 2024 hatte Weber auf seinem Blog angekündigt, einen Beitrag zu Habecks Doktorarbeit zu veröffentlichen. Er schrieb damals: „Zum Innenleben der Dissertation wird es in den nächsten Monaten Unangenehmes zu berichten geben.“ In einem Kommentar auf seinem Blog kündigte er zudem am Sonntag an, die „Zuversicht“ werde Habeck am morgigen Montag „vergehen“.
Habeck benannte in seiner Stellungnahme am Montag „Ungenauigkeiten in den Fußnoten“, sprach nicht von Plagiatsvorwürfen. Weber konterte das in einem an Habeck gerichteten X-Post mit den Worten: „Sie schwindeln. Es geht nicht um ‚Ungenauigkeiten in den Fußnoten‘. Sie haben methodisch eine Quellenarbeit simuliert, die nicht stattgefunden hat. Wir konnten das mit dem zitationsbasierten Ansatz nachweisen. Und Sie haben sehr wohl auch Textfragmente plagiiert.“
Der Chef des rechten Onlineportals Nius, Julian Reichelt, schrieb auf X noch vor der Veröffentlichung: „Robert Habeck lügt nicht, aber er schwindelt. Robert Habeck hat keine ‚Ungenauigkeiten‘ in seinen Fußnoten, sondern er hat sie plagiiert, inklusive der Fehler.“ Woher er über diese Informationen schon im Vorhinein verfügte, ließ Reichelt offen.
Andreas Audretsch, Wahlkampfmanager von Robert Habeck, kritisierte in einer Stellungnahme am Montag „Desinformationskampagnen“. Weiter sagte er: „Wir wissen, dass Putins Russland oftmals Urheberin dieser gezielten Falschinformationen im Internet ist, die zuletzt wiederholt Robert Habeck, aber auch Friedrich Merz diskreditieren und ihre Integrität untergraben sollten.“
Im Inland gebe es ebenso Akteure und Gruppen, die mit Desinformation die anstehende Wahl zu beeinflussen suchten. Audretsch bat darum, mit „Falschinformationen oder durchsichtigen Manövern verantwortlich umzugehen“. Dies sei insbesondere dann problematisch, wenn Auftraggeber oder Finanzierungsquellen nicht bekannt seien.
In seinem X-Post zum Video schrieb Robert Habeck, er habe sich entschieden, mit dem Vorgang transparent umzugehen. Denn: „Ich kenne die Vorwürfe – und konnte sie vorab prüfen lassen.“ Die Ombudsstelle der Universität Hamburg habe die Vorwürfe entkräftet und bestätigt, dass kein wissenschaftliches Fehlverhalten vorliege. Zudem habe er den Präsidenten der Leopoldina, der Nationalen Akademie der Wissenschaften, um eine Einschätzung gebeten. „Auch er hat keine Zweifel an der Eigenständigkeit der wissenschaftlichen Arbeit“, erklärt Habeck weiter.
Ein Pressesprecher des Präsidenten der Universität Hamburg hat die Aussagen Robert Habecks auf Anfrage der Berliner Zeitung bestätigt. Schon im Januar sei Habeck auf die Ombudsstelle der Universität zugekommen. Diese habe die Vorwürfe dann untersucht. Eine Person mit „ausgewiesener wissenschaftlicher Fachexpertise“ sei hinzugezogen worden, die die Vorwürfe „im Einzelnen sorgfältig begutachtet und fachlich eingeordnet hat“.
Das Ergebnis des Gutachtens: „Kein wissenschaftliches Fehlverhalten.“ Jedoch seien Habeck im Rahmen der Begutachtung Empfehlungen zur Überarbeitung „einzelner Zitate und Fußnoten“ mitgeteilt worden. Diese beruhten allerdings auf heutigen wissenschaftlichen Standards, die nicht unbedingt denen des Jahres 2000 entsprächen. Ein zweites Gutachten, das neue Vorwürfe prüfe, sei im Moment noch in Bearbeitung.
Stefan Weber, selbsternannter „Plagiatsjäger“, ist kein Unbekannter. Der aus Salzburg stammende Kommunikationswissenschaftler hat in der Vergangenheit wiederholt Plagiatsvorwürfe gegen Personen des öffentlichen Lebens publik gemacht, insbesondere gegen Politiker. Er betätigt sich beruflich als Plagiatsprüfer wissenschaftlicher Arbeiten.
So kritisierte Weber im Jahr 2021 die damalige Grünen-Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl, Annalena Baerbock, für ihr Buch „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“. Er beanstandete, ganze Passagen seien aus anderen Texten wortgleich oder fast wortgleich übernommen worden, ohne Kennzeichnung. Das Buch wurde später aus dem Handel genommen und von einigen Beobachtern als an der Wahlniederlage Baerbocks mitverantwortlich bewertet.
Mehrfach wurden Vorwürfe Webers von den betreffenden Universitäten nicht bestätigt, etwa im Fall des CDU-Bundestagspräsidenten Norbert Lammert 2013 oder bei der Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung Alexandra Föderl-Schmid 2024. Erst in der vergangenen Woche wurde Weber wegen übler Nachrede vom Oberlandesgericht Linz verurteilt. Er muss nun eine Entschädigung in Höhe von 4000 Euro an Oliver Vitouch, den ehemaligen Rektor der Universität Klagenfurt, zahlen.
Unklar ist, wer Weber mit der Prüfung von Habecks Doktorarbeit beauftragt hat. Habeck verweist in seiner Stellungnahme vom Montag darauf, dass in der Vergangenheit das rechte Portal Nius Webers Recherchen in Auftrag gegeben hätte. Das war Medienberichten zufolge bei SZ-Chefredakteurin Föder-Schmid der Fall.
Redaktioneller Hinweis: Robert Habeck bittet darum, seine Ehefrau, die keine Politikerin ist, aus der Berichterstattung auszuklammern. Dem kommt die Berliner Zeitung nach erster Prüfung nach.