Thursday, January 9, 2025

„Shitbürgertum“: Buchpublikation von Ulf Poschardt abgesagt, Haltung zu Israel der Grund?

Berliner Zeitung „Shitbürgertum“: Buchpublikation von Ulf Poschardt abgesagt, Haltung zu Israel der Grund? dpa/BLZ/kuri • 17 Std. • 4 Minuten Lesezeit Ulf Poschardt ist Herausgeber der Welt Ein Buchprojekt zwischen Journalist und Autor Ulf Poschardt und einem Buchverlag ist geplatzt. Der 57-Jährige teilte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit: „Kurz vor Weihnachten 2024 hat der Verlag zu Klampen entschieden, mein Buch „Shitbürgertum“ nicht zu veröffentlichen.“ Das Buch sollte im Februar erscheinen und Teil einer Essay-Reihe sein. Der Verlag zu Klampen, der in der Nähe von Hannover seinen Sitz hat, bestätigte das Aus: „Aufgrund der unterschiedlichen Vorstellungen von Herausgeberin und Autor wurde der Vertrag eine Woche vor Weihnachten im beiderseitigen Einvernehmen aufgelöst.“ Weiter hieß es: „Wir bedauern sehr, dass Ulf Poschardts ‚Shitbürgertum‘ nun doch nicht im Rahmen unseres Programms erscheinen wird.“ Der Band sei im Sommer 2024 für eine von Anne Hamilton herausgegebene Essay-Reihe, die sich um Politik, Philosophie, Gesellschaft und Kunst dreht, vereinbart worden und sollte die „Analyse eines Sozialtypus liefern, bei dem sich Anmaßung und Untertanengeist, Selbstbehauptung und Opportunismus auf unheilvolle Weise mischen“. Die Süddeutsche Zeitung berichtete zuerst über das Aus. Andrian Kreye von der SZ schrieb: „Schade, denn die überall schon lange einsehbare Inhaltsangabe klang vielversprechend. Auf den Schildbürger und seine Streiche, die in bester Absicht das Gemeinwesen infrage stellen, und den Spießbürger, der krampfhaft seinen Status quo verteidige, folge nun der ‚Shitbürger‘. In dem mischen sich Anmaßung und Untertanengeist, Selbstbehauptung und Opportunismus. In ‚den saturierten liberalen Gesellschaften des Westens‘ setzten sie sich einerseits für die Rettung der Welt ein, verteidigten aber aus einer moralischen Überlegenheit heraus am Ende doch nur ihre Pfründe. ‚In Deutschland haben sie längst weite Teile des Kultur-, Medien- und Wissenschaftsbetriebs unter ihre Kontrolle gebracht, dazu die Amtskirchen und eine große Mehrheit der überwiegend mit Steuergeldern finanzierten NGOs.‘ Poschardt fordert von diesem Milieu mehr Selbstkritik und eine Rückbesinnung auf republikanische Tugenden. Soweit so korrekt. Solche Kritik am Moralbürgertum gibt es von links, aus der Mitte wie von rechts, in Deutschland und im Ausland.“ Das Buchprojekt von Poschardt, der seit vielen Jahren in Topposition für die Welt-Gruppe bei Axel Springer tätig ist, scheiterte damit noch vor dem Erscheinen eines Gastbeitrags von Tech-Milliardär und Trump-Vertrautem Elon Musk in der „Welt am Sonntag“. Musks Text – eine Wahlempfehlung für die AfD – löste innerhalb der Redaktion und außerhalb eine heftige Kontroverse darüber aus, ob man den Text hätte drucken sollen oder nicht. Die Berliner Zeitung hat ausführlich berichtet. Poschardt, der viele Jahre Chefredakteur der Welt-Gruppe im Axel-Springer-Konzern war und zum Jahreswechsel in die Herausgeberrolle für mehrere Springer-Medienmarken (Welt, Politico Deutschland und Business Insider Deutschland) wechselte, teilte zu den Hintergründen des geplatzten Projekts mit: „Ursprünglich wollte der Verlag ein Buch von mir, weil die Herausgeberin der Reihe begeistert war von meiner publizistischen Essayistik. Auch nach Leseproben hielt die Begeisterung an.“ Von dem Journalisten, der schon mehrere Bücher (u.a. „Mündig“) veröffentlicht hat, hieß es weiter, es habe „erste Irritationen“ gegeben, als die Herausgeberin „Philosemitismus in einer Passage über Paul Celan und die Gruppe 47 problematisierte“. Den Begriff Philosemitismus verwendet man laut Duden unter anderem auch abwertend im Sinne einer unkritischen Haltung, die die Politik des Staates Israel ohne Vorbehalte unterstütze. Ebenso beschreibt er laut Duden eine geistige Bewegung, die gegenüber Juden und ihrer Religion sehr tolerant sei. Poschardt teilte auch mit, er habe kurz vor Weihnachten ein „lektoriertes Manuskript mit einem zweiseitigen Brief, in dem es plötzlich ein grundsätzliches Fremdeln mit dem Text, seiner Tonalität und Schärfe gab – und auch mit dessen Unerbittlichkeit in der Kritik jener Milieus, die das Verlagswesen, den Buchhandel, das politische Feuilleton prägen“, erhalten. „In weiteren Telefonaten wurde deutlich, dass der Verlag das Buch in der vorgelegten Form nicht machen würde. Und auf die Bitte, das Buch abzumildern oder auch konventioneller im Sound und im Gestus zu werden, reagierte ich freundlich und bestimmt, dass dies keine Option für mich sei.“ Der Verlag, der seit 1983 existiert und nach eigenen Angaben Bücher „im Geiste der Aufklärung“ publiziert, äußerte sich zu den Gründen der gescheiterten Zusammenarbeit so: Im Laufe der Arbeit an dem Projekt habe sich für die Herausgeberin immer klarer abgezeichnet, „dass die Behandlung des Themas den Rahmen der Reihe sprengen würde: Die Darstellung des Autors, mit dessen Analysen sie grundsätzlich übereinstimmte, tendierte zu sehr in Richtung Polemik“. Der Verlag führte auch aus: „Der Autor allerdings sieht genau in dieser scharfen Argumentationsweise die einzig mögliche Form, in Zeiten sich überstürzender politischer Ereignisse wirkungsvoll essayistisch zu intervenieren.“ Der Verlag hat in seinem Portfolio vor allem Sachbücher und Essays. Es geht unter anderem um Philosophie, Politik und Gesellschaftstheorie. Zu den Autoren zählen Namen wie Theodor W. Adorno, Günter Grass und Herbert Marcuse. Auf der Autorenliste sind auch Journalisten zu finden, darunter Jürgen Kaube und Patrick Bahners. Ulf Poschardt ist Berichten zufolge auf der Suche nach einem neuen Verlag. Die Absage wird ihm jetzt vermutlich noch mehr Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Die Berliner Zeitung fragte Ulf Poschardt an, er bestätigte die Korrektheit des Berichts der Deutschen Presseagentur.