Thursday, January 30, 2025

Flugkatastrophe in Washington: Trump hetzt gegen Behinderte

t-online Flugkatastrophe in Washington: Trump hetzt gegen Behinderte Bastian Brauns • 6 Std. • 5 Minuten Lesezeit Trumps furchtbare Entgleisungen Eine Flugkatastrophe als Feldzug gegen Minderheiten US-Präsident Donald Trump bei einer Pressekonferenz am Tag nach der Flugkatastrophe: Mutmaßungen, Spekulationen und Hetze. Bei Tragödien bieten echte Anführer Lösungen an. Donald Trump aber nutzt die Flugkatastrophe von Washington für einen Sündenbock-Feldzug gegen Minderheiten. Seine haltlosen Verdächtigungen sind rücksichtslos und brandgefährlich. Bastian Brauns berichtet aus Washington Eine schreckliche Katastrophe hat sich am 29. Januar über dem Potomac River in Washington ereignet. Ein Militärhubschrauber ist mit einem Passagierflugzeug von American Airline mitten in der Luft nahe dem Ronald Reagan National Airport kollidiert. 64 Passagiere und Besatzungsmitglieder an Bord des Flugzeugs sowie drei Militärangehörige im Hubschrauber sind dabei ums Leben gekommen. Diese Tragödie, eine der schlimmsten Luftfahrtkatastrophen in der jüngeren US-Geschichte, hätte ein Moment der nationalen Trauer und Einheit sein müssen. Stattdessen wurde sie vom neuen US-Präsidenten Donald Trump und seiner Regierung sofort politisiert, um vollkommen voreilig und ohne Belege, Minderheiten für den Tod dieser vielen Menschen verantwortlich zu machen. Im Zentrum von Trumps Mutmaßungen stehen dabei die sogenannten "Diversity-, Equity- und Inclusion-Programme (kurz DEI)". Die Maßnahmen zur Förderung von mehr Gleichberechtigung sind bei den Republikanern gerade zu verhasst und sollen nun als Erklärung für mögliches menschliches Versagen dienen. Schuld tragen daran natürlich die Demokraten, weil sie solche Programme gefördert haben. Was für eine infame und menschenverachtende Strategie. Trumps sofortige politische Angriffe Bei einer Pressekonferenz am Tag nach dem Absturz schlug Trump zwar zunächst einen ernsten und präsidialen Ton an und erkannte die Tragweite der Tragödie an: "Unsere Herzen sind gebrochen... Wir alle suchen nach Antworten", sagter und bat um eine Schweigeminute. Aber nur wenige Minuten später schwenkte er um und nutzte die Katastrophe, um seine Agenda gegen DEI-Initiativen voranzutreiben. Ohne eine auch nur annähernd abgeschlossene Untersuchung oder ein Verständnis der tatsächlichen Ursache faselte Trump von "brillanten Menschen", die man als Fluglotsen bräuchte. Solche "Genies" und darum hervorragend geeigneten Menschen gäbe es in der Luftaufsichtsbehörde FAA gewissermaßen gar nicht mehr. Schuld daran sei ein Diversitäts-Wahn der Demokraten. Trump schwadronierte weiter und erweckte den Eindruck, als Fluglotsen würden aus lauter politischer Korrektheit nur noch Menschen eingestellt mit Hör- und Sehstörungen, fehlenden Gliedmaßen, Lähmungen, Epilepsie oder gar mit schweren geistigen oder psychischen Behinderungen. Was nicht nur unsinnig klingt, ist schlichtweg auch falsch. Aber es ging Trump um eine deutliche Botschaft der Ausgrenzung an seine Anhänger. Trump und seine Regierung, darunter auch sein Vizepräsident J.D. Vance und sein Verteidigungsminister Pete Hegseth, verbreiteten die dreiste Lüge, dass DEI-Einstellungskriterien dazu geführt hätten, dass unqualifizierte Personen in sicherheitskritische Positionen gelangen. Fakt ist: Alle Fluglotsen unterliegen nach wie vor einer extrem strengen Ausbildung und benötigen höchste psychische und körperliche Qualifikationen. Was sagen die FAA-Einstellungsrichtlinien wirklich? Laut den offiziellen Einstellungsvoraussetzungen der FAA müssen alle Fluglotsen – unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht oder Behinderung – strenge medizinische, kognitive und fachliche Tests bestehen. Das sogenannte "Aviation Development Program" (ADP) der FAA, eine Initiative zur Förderung einer inklusiveren Belegschaft, senkt also keineswegs die Sicherheitsstandards. Bewerber müssen auch weiterhin das sogenannte "Air Traffic Skills Assessment (ATSA)" bestehen sowie umfangreiche Sicherheitsüberprüfungen und medizinische Untersuchungen durchlaufen. Im Rahmen des Inklusionsprogramms werden also keine Menschen mit Behinderungen wahllos in Positionen versetzt, für die sie nicht geeignet sind. Vielmehr wird sichergestellt, dass qualifizierte Personen eine faire Chance auf eine Karriere in der Luftfahrt haben, da kognitive und nicht physische Fähigkeiten der entscheidende Faktor für die Arbeit als Fluglotse sind. Trumps kalkulierte Hetze Trumps gezielte Desinformationskampagne ist nicht nur irreführend und verletzend, sondern auch gefährlich. Sie entfacht nicht nur rassistische und diskriminierende Vorurteile, indem sie suggeriert, dass Minderheiten und Menschen mit Behinderungen per se weniger kompetent seien. Sie sind laut Trump andeutungsweise auch schuld am Tod von 67 Menschen. Dem Präsidenten war das egal. Er ging bei seinen Äußerungen sogar so weit zu behaupten, eine Gruppe innerhalb der FAA hätte entschieden, dass die Belegschaft zu weiß sei, und drängte dann die Regierung dazu, das sofort zu ändern." Trumps Rhetorik erinnert gerade in den USA an Argumente aus der Zeit der Rassentrennung, als schon einmal in der Geschichte dieses Landes behauptet wurde, dass jede noch so zarte Form von Integration die Qualität und Sicherheit der Bevölkerung gefährden würde. Heute sind es laut Trump eben schwächliche oder gar schwachsinnige Fluglotsen. Schuldzuweisungen ohne Beweise Ein solches Verhalten des amerikanischen Präsidenten ist verwerflich. Gerade, weil die Ursache des Absturzes zu diesem Zeitpunkt noch vollkommen unklar war. Als Journalisten Trump nach Beweisen für seine Unterstellungen fragten, antwortete Trump lediglich, er habe eben "gesunden Menschenverstand". Das ist keine Führung, sondern rücksichtslose Spekulation. Trump lenkt damit von politischen Versäumnissen ab, die möglicherweise tatsächlich zur Katastrophe haben. Wenig später tauchte dann auch ein interner Bericht der Luftfahrtbehörde auf. Aus dem geht hervor, dass der Fluglotse während des nächtlichen Unfalls wohl Arbeit erledigte, die normalerweise von zwei Personen ausgeführt wird. Nicht zu viel Diversität ist also wohl das Problem gewesen, sondern fehlende Kapazität. Die Gefahr von Trumps Narrativ Für Trumps Erzählweise ist das aber egal. Denn sie benötigt keine Beweise – Andeutungen reichen aus. Indem er ohne Fakten behauptet, dass Anstellungen von Menschen aus Diversitätsgründen jetzt erwiesenermaßen lebensgefährlich für Amerikaner seien, sät er Misstrauen in der Öffentlichkeit. Seine Anhänger benötigen keine Untersuchung, denn sie "wissen" jetzt bereits, dass Diversität schädlich und sogar tödlich ist. Das amerikanische Volk, das sich auf sicheren Flugverkehr verlassen können muss, verdient einen Präsidenten, der nicht instinktiv zu Rassismus und Diskriminierung greift, wenn eine nationale Katastrophe eintritt. Für dieses Amt braucht es Kompetenz und keine politische Inszenierung auf Kosten von Minderheiten als Sündenböcke. Plötzlich alles doch nicht so schlimm Eine einfache Gegenprobe zu Trumps drastischen Behauptungen ließ sich übrigens ganz einfach machen. Wenn wegen der Diversitätsprogramme wirklich alles so schrecklich gefährlich ist: Müssten dann nicht alle Flugzeuge und Passagier ab sofort am Boden bleiben, bis Trump die behaupteten Intelligenz-Probleme der Fluglotsen-Belegschaft beseitigt hat? Der Präsident verneinte das selbst. Als er gefragt wurde, ob Amerikaner jetzt besser nicht ins Flugzeug steigen sollten, sagte er: "Nein, überhaupt nicht. Ich würde nicht zögern, zu fliegen. Wir werden Leute auf höchstem Niveau haben. Wir haben bereits einige der Leute eingestellt. Nein, Fliegen ist sehr sicher. Nirgends auf der Welt ist Fliegen so sicher wie hierzulande und das wird auch so bleiben."