Thursday, January 2, 2025

„Ideologische Scheuklappen ablegen“: So stellt sich Michael Kretschmer die Politik der neuen Bundesregierung vor

Berliner Zeitung „Ideologische Scheuklappen ablegen“: So stellt sich Michael Kretschmer die Politik der neuen Bundesregierung vor Paul Hoffmann/dpa • 6 Std. • 2 Minuten Lesezeit Wenige Wochen vor der Bundestagswahl hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer in einem Interview klargemacht, was er sich von einer kommenden Bundesregierung erhofft. Wichtig sei eine fundamental andere Wirtschaftspolitik als bisher, betonte der CDU-Politiker. „Es gibt in Deutschland dramatische Defizite in den Haushalten. Und überall herrscht die gleiche Situation, Einsparungen vornehmen und Prioritäten setzen zu müssen.“ Als Grund nannte er eben eine "absolut verfehlte Wirtschaftspolitik", zu der Verteuerung der Energie, Bürokratie und Technologiefeindlichkeit gehören würden. „Wenn wir die Chance haben, mit einer neuen Regierung die Wachstumsbremse zu lösen, dann haben wir eine Chance, dass sich das Blatt wendet. Es geht darum, zwei oder drei Jahre zu überbrücken.“ Sorgen würde man sich nicht nur in der Automobilindustrie, sondern auch in Branchen wie Chemie, Stahl und Bau machen, so Kretschmer weiter. „Man muss nur die ideologischen Scheuklappen ablegen und Bauen nach bisherigen Standards wieder ermöglichen. Dann kommen wir auch aus der Falle heraus, dass Wohnen immer teurer wird. Wir gehen den völlig verkehrten Weg. Wir managen die Mangelsituation etwa durch die Mietpreisbremse, anstatt den kostengünstigen Bau neuer Wohnungen zu ermöglichen.“ Auch sprach sich der gebürtige Görlitzer dafür aus, nicht gänzlich von der Atomkraft abzuschwören. „Fast alle Nachbarn Deutschlands setzen auf Atomenergie - zumindest in Teilen ihrer Energieversorgung. Es spricht viel dafür, dass die nicht alle falsch liegen können.“ Diese Länder hätten einen Wettbewerbsvorteil - kostengünstigen Atomstrom als Grundlast. Generell müsse die Energiewende in Deutschland neu gedacht, von einer Expertenkommission begleitet werden. „Ein Land, das sich selbst wirtschaftlich schwächt, wird nicht in der Lage sein, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Es kann auch kein Vorbild für andere sein, denen die Energiewende noch bevorsteht.“ Und weiter: „Die Politik hat die Aufgabe, Vertrauen zu geben. Vertrauen entsteht nur durch verlässliches Handeln über eine lange Zeit. Nicht dauernd rein in die Kartoffeln und wieder raus aus den Kartoffeln.“ Weiter sagte Kretschmer, dass es Deutschland versäumt hätte, in seine Infrastruktur zu investieren. „Die große Stärke Deutschlands, eine verlässliche Infrastruktur zu haben, gibt es so nicht mehr.“ Deswegen müsse man nun schnell handeln und durch Abbau von Vorschriften Tempo aufnehmen. „Gebaut ist jedes Mal schnell. Es hängt aber an den Genehmigungsvorschriften.“ Das Baurecht dürfe „kein Verhinderungsrecht sein, es muss ein Ermöglichungsrecht sei“. „Es ist an der Zeit, der Deutschen Bahn und anderen Akteuren Verlässlichkeit zu geben, um die Infrastruktur auf einen erstklassigen Stand zu bringen. Dazu braucht man finanzielle Sicherheit über einen längeren Zeitraum und nicht den Jahreshorizont eines Bundeshaushaltes“, so Kretschmer. Nötig sei ein Sondervermögen, was den Bau von Straßen, Brücken und Schienenwegen über die nächsten zehn Jahre ermöglicht. „Ich werbe sehr für ein solches Sondervermögen, dass Deutschland wieder auf die Beine kommt. Anders als kreditfinanziert wird es nicht gehen“, so Kretschmer und bezifferte ein solches für Infrastruktur und ein weiteres für Investitionen in den Kommunen auf jeweils 100 Milliarden Euro. „Das wäre Verlässlichkeit.“ In seiner Neujahrsansprache hatte Kretschmer zuvor für mehr Offenheit und Zusammenhalt in der Gesellschaft geworben. „Gehen wir aufeinander zu, helfen wir einander, in der Familie, der Nachbarschaft, im Kollegenkreis, im Sportverein.“