Thursday, January 2, 2025

Donald Tusk: Ein Pole für Europa

Frankfurter Allgemeine ZeitungDonald Donald Tusk: Ein Pole für Europa Reinhard Veser • 21 Std. • 2 Minuten Lesezeit Zur Jahreswende hat Polen von den Ungarn den EU-Ratsvorsitz übernommen. Bis Ende 2023 hätte das Kontinuität bedeutet, denn Budapest und Warschau waren in der EU viele Jahre Verbündete. Sie machten gemeinsam Front gegen ein zum Feind nationaler Interessen erklärtes „Brüssel“, mit dem die rechten Regierungsparteien in den beiden Hauptstädten wegen der von ihnen betriebenen Demontage des Rechtsstaats im Dauerstreit lagen. Doch nun markiert der Wechsel im Ratsvorsitz einen Bruch. Denn inzwischen regiert in Polen der frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk, der die Parlamentswahl im Herbst 2023 mit dem Versprechen gewonnen hat, das Land wieder auf einen klar proeuropäischen Kurs zu bringen. Die nationalkonservative PiS wirft Tusk vor, er sei ein Erfüllungsgehilfe Berlins, das Polen zu einer Art Kolonie machen wolle. Nach der deutschlandfeindlichen Stimmungsmache der PiS-Regierung setzt Tusk tatsächlich darauf, das Verhältnis zwischen Warschau und Berlin wieder zu verbessern. Aber er steht Deutschland durchaus kritisch gegenüber – aus vielen seiner Äußerungen sprechen Zweifel, ob die deutsche Politik das Ausmaß der Bedrohung durch Russland wirklich verstanden hat. Vor der Gefahr aus dem Osten hat er schon gewarnt, als man in Berlin noch von einer Partnerschaft mit Moskau träumte und die eigene Abhängigkeit von russischem Gas verstärkte. Die Präsidentenwahl im Mai Daher setzt Tusk auf eine engere Zusammenarbeit Polens mit den Staaten Skandinaviens und des Baltikums, die seine Sicht auf Russland teilen. Seine Sicht auf das russische Regime, das sich offen in die Tradition der Sowjetunion stellt, ist auch geprägt durch seine persönliche Geschichte. Der 1957 in Danzig geborene Tusk war schon als Student Ende der Siebzigerjahre in der demokratischen Opposition gegen die kommunistische Diktatur aktiv. Seit mehr als zwanzig Jahren ist er der Anführer des liberalkonservativen Spektrums der polnischen Politik. Das Motto der polnischen Ratspräsidentschaft ist „Sicherheit, Europa!“ In einer Botschaft zur Übernahme des Vorsitzes nennt Tusk als erste Aufgabe, die notwendige Unterstützung für die Ukraine zu organisieren. Zu seinem Verständnis von Sicherheit gehört auch, die Außengrenzen der EU zu stärken und der illegalen Migration entgegenzuwirken. Tusk steht gleichzeitig vor einer großen innenpolitischen Herausforderung: Die Präsidentenwahl im Mai entscheidet auch über das Schicksal seiner Regierung. Bisher kann sie außer Absichten wenig vorweisen, weil fast alle ihrer Gesetze von Präsident Andrzej Duda, einem PiS-Mann, blockiert werden. Um wirklich handlungsfähig zu werden, muss Tusks proeuropäische Koalition das höchste Staatsamt erobern.