Monday, December 11, 2023

Merz drückt der CDU seinen Stempel auf: Das neue Programm passt zum Parteichef

Tagesspiegel Merz drückt der CDU seinen Stempel auf: Das neue Programm passt zum Parteichef Artikel von Christopher Ziedler • 10 Std. Der Entwurf des CDU-Grundsatzprogramms trägt die Handschrift von Friedrich Merz. Das gilt vor allem für die Asyl- oder Arbeitsmarktpolitik sowie im Verhältnis des Bundes zu Ländern. Friedrich Merz hat die Vorstellung „seines“ Grundsatzprogramms den Vorsitzenden der zuständigen Kommission überlassen. Friedrich Merz wird ja gern vorgeworfen, in der Nach-Merkel-Ära einen stramm rechtskonservativen Weg zu gehen. Doch eines muss man ihm lassen:: Er hat seine Volkspartei, die seit jeher stolz auf ihre so unterschiedlichen christlich-sozialen, liberalen und konservativen Wurzeln ist, bei der Erarbeitung des neuen Grundsatzprogramms einfach mal machen lassen. Basisumfrage, Diskussionsveranstaltungen, Fachkommissionen – die CDU hat in ihrer Breite fast zwei Jahre über die Richtung, die die Partei in Zukunft einschlagen soll, diskutiert. Am Ende aber, das ist seit diesem Montag noch klarer als bisher, drückt aktuell Merz ihr den Stempel auf. Das wird interessanterweise gerade daran deutlich, was auf den letzten Metern im Adenauerhaus noch aus früheren Entwürfen herausgeflogen ist oder abgeschwächt wurde. Noch bis vor Kurzem wollte sich die CDU endlich bewusst zum Mindestlohn bekennen und die zuständige Kommission gar so reformieren, dass wie jetzt in der Inflation schneller reagiert werden kann. Diese Forderung ist ebenso verschwunden wie die nach einer Reform der Erbschaftssteuer, begrenzten EU-Steuern, einer „Armee der Europäer“ oder einem kleineren Bundestag – es wäre ja auch widersinnig, der Wirtschaftsmann Merz würde in Gestalt der Unionsfraktion im Parlament seine eigene Machtbastion schleifen. Konservative Duftmarken hingegen gibt es nun genug im neuen Programmentwurf, der beim Bundesparteitag im Mai endgültig verabschiedet werden soll. Das fängt an mit der Atomkraft-Renaissance und einer harten Asylpolitik. Nun wird sogar angestrebt, Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union durchführen zu lassen und selbst berechtigten Schutz nur dort zu gewähren – von freiwilligen Aufnahmekontingenten abgesehen. Die kaum weniger rigorosen Ansagen zum Bürgergeld, das die Christdemokraten jenen stark kürzen würden, die arbeitsfähig wären, aber entsprechende Angebote ausschlagen, gehören ebenfalls in die Kategorie dessen, was mit Merz landläufig verbunden wird. Bei den „Kulturkampf“-Themen versuchen er und seine Partei die Gratwanderung: Man will ansprechen, was viele Menschen vermeintlich oder auch real bewegt, ohne die Moderne ganz zu verleugnen. So spricht sich die CDU zwar gegen „Genderzwang“ aus, befürwortet aber gleichwohl geschlechtergerechte Sprache. Einerseits wird der Christian-Wulff-Satz, wonach der Islam zu Deutschland gehöre, durch ein „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“ ersetzt. Andererseits wird nun akzeptiert, dass der Staat für eine grundgesetzkonforme islamische Religionslehre auch die Voraussetzungen schaffen muss. Dem alten Aufregerbegriff „Leitkultur“ werden verpflichtende Sprachtests für Kinder und individuelle Integrationsvereinbarungen für Zugewanderte entgegengesetzt. Überraschende Einsichten Vielleicht nicht auf den ersten Blick, aber doch auf den zweiten, passen auch die zahlreichen Bund-Länder-Reformen im neuen Programm zu Friedrich Merz. Die Partei überrascht durchaus mit der Einsicht, dass Deutschland in seiner bisherigen Struktur die Ansprüche an moderne Bildungs-, Digital- oder Sicherheitspolitik nicht mehr erfüllen kann: Die CDU, traditionell Gralshüterin des Föderalismus, will mit Grundgesetzänderungen länderübergreifend das Schulsystem auf einen nationalen Mindeststandard bringen und Reibungsverluste zwischen den Polizeibehörden begrenzen. Merz ist Bundespolitiker durch und durch – er mutet seinen unionsgeführten Landesregierungen nun manches zu. Manche von ihnen werden Merz auch skeptisch ins nächste Jahr, in dem über die Unionskanzlerkandidatur entschieden werden wird, begleiten. Sie, die in ihren Ländern regieren, halten dem Bundesvorsitzenden immer wieder vor, zu sehr als Oppositionsführer aufzutreten. Ob ein CDU-Regierungsprogramm aus dem neuen Grundsatzdokument destilliert wird, bleibt daher weiter offen. Sicher ist: Es passt zum derzeitigen Chef.