Monday, September 25, 2023

So viele Migranten reisen mit polnischen Visa ein und stellen Asylantrag

So viele Migranten reisen mit polnischen Visa ein und stellen Asylantrag Artikel von Marcel Leubecher • 1 Std. Polen hat auffällig viele Visa an Nicht-EU-Bürger vergeben, ein Teil von ihnen will dann in Deutschland Asyl erhalten. Nun gibt die Bundesregierung Einblick in die Dimension. Rücküberstellungen von unerlaubt Eingereisten nach Polen finden kaum statt. Frankfurt (Oder): Polizisten kontrollieren den Verkehr auf der Grenzbrücke zwischen Deutschland und Polen, um illegale Einreisen zu verhindern In Deutschland gibt es erste belastbare Anhaltspunkte zum Umfang der Einreisen von Asylsuchenden aus Polen, die per Visum dorthin gekommen waren. Der östliche Nachbarstaat hatte in den vergangenen drei Jahren Hunderttausende Visa an Nichteuropäer vergeben, darunter offenbar auch in unklarer Größenordnung solche, die aufgrund von Schmiergeldzahlungen an polnische Beamte ausgehändigt wurden. Nach bisherigem Kenntnisstand der Bundesregierung lässt sich sagen, dass die Zuwanderung von Asylsuchenden mit polnischem Visum zwar deutlich über Einzelfälle hinausgeht und tendenziell zunimmt, aber kein Massenphänomen darstellt. Laut einer WELT vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD im Bundestag waren „nach Kenntnis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge 1230 Personen, die im Zeitraum von Januar 2021 bis Mai 2023 einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben, im Besitz eines von polnischen Behörden ausgestellten Visums“. Im Jahr 2021 seien es 273 Personen gewesen, 2022 dann 606 und im laufenden Jahr von Januar bis Mai 2023 dann 351 Personen. Laut der Regierungsantwort werde bei hier ankommenden Asylantragstellern, die per polnischem Visum einreisten, eine sogenannte Dublin-Überstellung nach Polen geprüft. Denn nach den Regeln der Dublin-Vereinbarung ist das EU-Land für einen Asylantrag zuständig, dass der Asylsuchende als Erstes erreicht hat. „Tag für Tag greift die Bundespolizei mehr illegale Einwanderer im Grenzgebiet zu Polen auf. Und nun bestätigt sich auch noch der Verdacht, dass Migranten mit von polnischen Behörden ausgestellten Visa nach Europa gereist sind, um dann in Deutschland Asyl zu beantragen“, sagte der Vizevorsitzende der AfD-Fraktion, Leif-Erik Holm. „Das ist eine weitere Aushöhlung unseres Asylrechts und nicht akzeptabel.“ Polen sei ein sicherer Drittstaat, die Bundesregierung müsse bei der Rücküberstellung von Asylbewerbern, die über Polen nach Deutschland gekommen sind, mehr Druck auf die polnische Regierung machen. „Und es muss jetzt endlich stationäre Grenzkontrollen geben, damit verhindert wird, dass polnische Behörden Migranten einfach durchwinken.“ Verwandtes Video: Illegale Grenzübertritte steigen an: Faeser prüft stationäre Kontrollen zu Polen (ProSieben) Kretschmer erklärt Situation für „dramatisch“ Tatsächlich finden Rücküberstellungen nach Polen kaum statt. Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2023 laut einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linkspartei im Bundestag nur 211 Personen nach Polen abgeschoben, darunter waren 136 polnische Staatsbürger und die übrigen 75 Bürger anderer Staaten. Im Jahr 2022 gab es 631 Abschiebungen ins östliche Nachbarland, darunter 270 Polen. Diesen geringen Rückführungszahlen stehen vielfach mehr unerlaubte Einreisen über die polnisch-deutsche Grenze gegenüber. In diesem Jahr wurden sogar schon mehr als 18.000 durch die Bundespolizei dort festgestellt, wie WELT AM SONNTAG berichtet hatte. Dabei gilt es zu beachten, dass nur ein Teil der tatsächlichen unerlaubten Einreisen durch die Bundespolizei festgestellt wird, weil viele Menschen unerkannt per Auto oder Zug ankommen. Denn in jedem Jahr, auch in diesem, gibt es viel mehr Asylerstanträge als durch die Bundespolizei festgestellte unerlaubte Einreisen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) forderte am Sonntag erneut die Bundesregierung zur Einführung stationärer Grenzkontrollen an den östlichen Landesgrenzen auf. „Die Situation ist dramatisch“, sagte er der ARD. Bisher gibt es neben der an allen Grenzabschnitten ablaufenden Schleierfahndung nur am Abschnitt zu Österreich auch stationäre Kontrollen durch die Bundespolizei. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte im Interview mit WELT AM SONNTAG Offenheit für solche Maßnahmen auch an den östlichen Grenzen signalisiert. „Mir geht es darum, jetzt pragmatisch zu handeln. Aus meiner Sicht ist das eine Möglichkeit, Schleuserkriminalität härter zu bekämpfen“, sagte sie auf die Frage, ob es an der polnischen und tschechischen Grenze kurzfristige stationäre Grenzkontrollen geben werde. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Wochenende in Nürnberg, man werde je nach aktueller Lage „an den Grenzen möglicherweise weitere Maßnahmen ergreifen müssen, zum Beispiel an der polnischen“. Bereits im Mai zeigte sich die Bundesregierung zur Ausweitung der stationären Kontrollen bereit. Im Beschlusspapier des sogenannten Asylgipfels von Bund und Ländern im Bundeskanzleramt wurde festgehalten: „Lageabhängig wird der Bund das im Verhältnis zu Österreich bestehende Grenzsicherungskonzept auch an anderen Binnengrenzen Deutschlands nach Konsultation mit den betreffenden Ländern der Bundesrepublik Deutschland etablieren.“ Danach folgten umgehend die Forderungen der betreffenden Länder, Brandenburg und Sachsen, ebendies umzusetzen. Wie Faesers Sprecher am Montag mitteilte, führe die Ministerin derzeit Gespräche mit Polen und Tschechien über mögliche „zusätzliche grenzpolizeiliche Maßnahmen“. Am Wochenende habe es dazu Kontakte mit dem tschechischen Innenminister und auf hoher Beamtenebene auch mit der polnischen Seite gegeben. Faeser werde „in Kürze“, noch vor dem EU-Innenministertreffen am kommenden Donnerstag, mit ihrem polnischen Amtskollegen über das Thema beraten, sodass sehr schnell zusätzliche Maßnahmen getroffen werden könnten. Es gehe darum, im gesamten Grenzgebiet mit der Bundespolizei präsent zu sein und kontrollieren zu können, „gegebenenfalls auch schon auf der anderen Seite der Grenze, so wie wir das beispielsweise mit der Schweiz machen mit gemeinsamen grenzpolizeilichen Maßnahmen“, sagte der Sprecher. Dies prüfe man aktuell auch mit Tschechien und Polen. Ziel sei es, mehr Schleuser aufzugreifen. Er dämpfte zugleich mögliche Erwartungen. Menschen könnten nicht einfach abgewiesen werden. Wenn sie Asyl beantragten, müsse deren Antrag geprüft werden.