Monday, September 18, 2023

Immer mehr Menschen in Waldeck-Frankenberg beantragen einen deutschen Pass

HNA Immer mehr Menschen in Waldeck-Frankenberg beantragen einen deutschen Pass Artikel von Stefanie Rösner • 4 Std. Einbürgerung soll leichter werden Immer mehr Menschen in Waldeck-Frankenberg beantragen einen deutschen Pass Hat sich gut eingelebt: Lutfullah Arizad aus Afghanistan wohnt und arbeitet seit Jahren in Korbach. Immer mehr Menschen in Nordhessen beantragen einen deutschen Pass. Das gilt auch für Zugewanderte im Landkreis Waldeck-Frankenberg. Korbach – Im Jahr 2020 wurden nach Angaben des Regierungspräsidiums (RP) Kassel als zuständige Behörde im Landkreis Waldeck-Frankenberg 156 Personen eingebürgert. 2021 waren es 214 und im Jahr 2022 erhielten 271 Personen eine Urkunde zur Einbürgerung. „Die Statistik des RP Kassel belegt eine signifikante Steigerung der Antragszahlen“, sagt Hendrik Kalvelage, Pressereferent beim RP. Im Regierungsbezirk Kassel wurden demnach im Jahr 2020 circa 1700 Einbürgerungsanträge gestellt. Diese beziehen sich auf Einzelpersonen. Zum Vergleich: 2021 waren es bereits 2800 Einbürgerungsanträge und 2022 circa 4500 Anträge. In diesem Jahr (Stand 31. August 2023) wurden bereits rund 3000 Einbürgerungsanträge gezählt. Nach Angaben des RP Kassel haben im vergangenen Jahr Menschen aus etwa hundert verschiedenen Nationen Einbürgerungsanträge gestellt. Ein Großteil davon waren demzufolge Syrer und Syrerinnen. Vor allem Syrer zählen zu den vielen Angehörigen aus Drittstaaten, die seit 2015 als Flüchtlinge nach Deutschland und Hessen gekommen sind, erklärt Hendrik Kalvelage. Sie erfüllten mittlerweile die Voraussetzungen für eine Einbürgerung, besonders die Mindestaufenthaltsdauer in der Bundesrepublik, die bisher in der Regel acht Jahre beträgt. Durch den starken Anstieg von Einbürgerungsverfahren komme es zu Verzögerungen bei den Behörden. Einbürgerung soll leichter möglich sein Für Menschen, die in Deutschland leben und keinen deutschen Pass haben, soll es künftig einfacher werden, eingebürgert zu werden. Nach den Plänen der Bundesregierung dürfen Zugewanderte mehrere Pässe haben. Zudem soll bereits nach fünf anstatt nach acht Jahren Aufenthalt im Land die Einbürgerung beantragt werden können. Besonders gut integrierte Menschen sollen bereits nach drei Jahren Aufenthalt eine Chance auf einen deutschen Pass bekommen. Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf für modernes Staatsangehörigkeitsrecht beschlossen. Im Herbst sollen die parlamentarischen Beratungen beginnen. Mit der Verabschiedung des Gesetzes sei im ersten Halbjahr 2024 zu rechnen. Einbürgerungsanträge werden von den Städten und Gemeinden mit mehr als 7500 Einwohnern entgegengenommen, ansonsten vom Landkreis. Dort findet jeweils auch eine Erstberatung statt. Der Gesetzentwurf hat das Interesse bei Einwanderern geweckt: „In den letzten Wochen wurden bereits mehrfach Anfragen gestellt, ab wann denn die neuen Einbürgerungsregelungen gelten“, berichtet Ralf Buchloh, Büroleiter im Rathaus der Kreisstadt Korbach. Lutfullah Arizad möchte einen deutschen Pass Die Ankunft in Deutschland hatte sich Lutfullah Arizad anders vorgestellt. Nach wochenlanger Flucht aus Afghanistan hatte er auf eine Umgebung gehofft, in der er sich am besten schnell ein neues Leben aufbauen kann. Doch dann kam er mit weiteren Flüchtlingen in Herzhausen unter. „Rechts Bäume, links Bäume“, sagt Lutfullah Arizad über seine ersten Eindrücke. Das ist jetzt acht Jahre her. Heute unterhält er sich fließend auf Deutsch, arbeitet als Angestellter mit festem Vertrag und wohnt mit seiner Familie in einer Wohnung in Korbach, nachdem er sechs Jahre lang auf deren Nachzug gewartet hatte. Acht Jahre in Deutschland, das ist für Lutfullah Arizad der Anlass, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. „Den Einbürgerungstest habe ich schon bestanden“, berichtet der 38-Jährige. Die Erfolge hat er sich selbst erarbeitet. Auf einen Integrationskurs hatte er ein Jahr lang vergeblich gewartet. Stattdessen erhielt er ein paar wenige private Deutsch-Unterrichtsstunden in Herzhausen und Marienhagen und brachte sich die Sprache größtenteils selbst bei, bevor er eine Berufsausbildung als Restaurant-Fachmann in Bad Arolsen begann. Anstellung als Maler Als er dort keine Wohnung fand, zog Lutfullah Arizad nach Korbach und führte die Ausbildung im Hotel Touric fort. Anschließend arbeitete er einige Jahre im Post-Hotel in Usseln, sagt er. Mittlerweile hat er eine Anstellung als Maler, weil die Arbeitszeiten besser mit seinem Familienleben zu vereinbaren seien als die in der Gastronomie. In Afghanistan arbeitete Lutfullah Arizad einst fünf Jahre lang als Fliesenleger. Anschließend hatte er eine Tätigkeit in einem Regierungsbüro, sagt er. Das war schließlich der Grund, warum er nicht länger in seinem Heimatland bleiben konnte. Die Taliban hätten Beschäftigte in einem nahe gelegenen Bürogebäude getötet, berichtet Lutfullah Arizad. „Dann wurde es für mich zu gefährlich.“ Umgehend verließ er seine Heimat Balkh im Norden von Afghanistan. Seine Familie musste er zurücklassen. „Meine Frau war hochschwanger. Ihr konnte ich die wochenlange Flucht zu Fuß nicht zumuten.“ Lutfullah Arizad floh nach Teheran und lief zu Fuß, Tag und Nacht, durch den Iran und die Türkei. Dann die Fahrt mit einem Schlauchboot übers Mittelmeer. Dutzende Menschen darin. „Ich hatte Angst.“ Doch es ging gut. Mal mit einem Bus, mal in einem Auto, mal zu Fuß gelangte er 2015 nach Deutschland. Nach Frankfurt wollte er. In eine große Stadt. Doch die Verteilung der Flüchtlinge führte dazu, dass es ihn ins ländliche Waldeck-Frankenberg verschlug. Arizad hat nicht aufgegeben. Auf eigenen Beinen stehen Er hat es geschafft, in Deutschland auf eigenen Beinen zu stehen. „Es war ein langer Weg und alleine, ohne Familie, sehr anstrengend.“ Für ihn war hier alles anders als in seiner Heimat. „In Afghanistan hatte ich viele Familienangehörige und Verwandte in der ganzen Straße. Dort haben wir oft Volleyball gespielt. Und Fußball.“ Hier ist es für ihn einsamer, anonymer, trister. Seinen drei Töchtern fiel das Ankommen indes leichter. Anfang des Jahres 2022 konnte Arizads Frau endlich ausreisen, mithilfe ihres Schwagers – denn „ohne Männer dürfen Frauen in Afghanistan nichts“. Seit ihrer Rückkehr an die Macht vor zwei Jahren haben die radikalislamistischen Taliban die Rechte der Frauen drastisch eingeschränkt. Die Flucht seiner Familie gelang über die deutsche Botschaft im Iran. Zunächst hatte Lutfullah Arizad alle sechs Monate seinen Schutzstatus in Deutschland erneuern lassen müssen. Nach Abschluss seiner Ausbildung erhielt er den Aufenthaltstitel. Die Familie durfte nachkommen. Die beiden älteren Töchter sprechen mittlerweile so gut Deutsch, sagt Lutfullah Arizad, dass sie sogar Zuhause Deutsch reden, während die Eltern meist persisch sprechen. Die jüngste Tochter ist erst acht Monate alt. Sie wurde in Deutschland geboren. Für sie wird es einmal selbstverständlich sein, Deutsche zu sein. Ihr Vater Lutfullah Arizad hingegen hat jetzt erst nach Jahren eine Niederlassungserlaubnis beim Ausländeramt beantragen können, denn zuvor müssen Zugewanderte mindestens fünf Jahre lang eine Aufenthaltserlaubnis gehabt haben. Den Antrag auf Einbürgerung hat er nun auch ausgefüllt. Er ist zuversichtlich, dass es bald klappen wird mit der deutschen Staatsbürgerschaft.