Saturday, September 23, 2023
Asyl-Politik: Robert Habeck offen für »moralisch schwierige Entscheidungen«
DER SPIEGEL
Asyl-Politik: Robert Habeck offen für »moralisch schwierige Entscheidungen«
Artikel von Alexander Preker •
2 Std.
Die Zahl der Asylbewerber steigt und die Union setzt die Bundesregierung unter Druck. Jetzt bereitet Vizekanzler Robert Habeck seine Grünen auf einen schärferen Kurs in der Migrationspolitik vor. Sein Appell: »die Wirklichkeit annehmen.«
Besonders bei den Grünen tun sich viele mit Verschärfungen des Migrationsrechts schwer. Doch Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck hat nun betont, dass seine Partei zu pragmatischen Lösungen bereit seien, um den Zuzug bereits an den EU-Außengrenzen zu senken.
Bei einer Konferenz mit Bürgermeistern und Landräten sei ihm von Überlastung und Überforderung berichtet worden, sagte der Grünenpolitiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Sie sagen, dass sie an vielen Stellen nicht mehr wissen, wie sie die Probleme lösen sollen.« Da herrsche »eine gewisse Dramatik«, sagte er demnach – und zeigte sich offen, dagegen vorzugehen. »Wenn wir nicht wollen, dass der Rechtspopulismus dieses Thema ausbeutet, dann sind alle demokratischen Parteien verpflichtet, bei der Suche nach Lösungen zu helfen.«
»Wir haben regierungsseitig einem Gemeinsamem Europäischem Asylsystem, das unter anderem Asylverfahren an den Außengrenzen der EU vorsieht, zugestimmt, aber es war schwierig für viele Grüne«, sagte Habeck weiter. Um das Recht auf Asyl zu schützen, »müssen wir die Wirklichkeit annehmen und die konkreten Probleme lösen – auch, wenn es bedeutet, moralisch schwierige Entscheidungen zu treffen. Wir wissen, dass wir eine Verantwortung für den Zusammenhalt in diesem Land tragen.«
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CDU-General Linnemann verlangt überparteilichen Konsens
Angesichts der deutlich gestiegenen Flüchtlingszahlen hat CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann einen überparteilichen »Konsens wie 1993« in der Migrationspolitik gefordert. Damals war auf Grundlage des sogenannten Asylkompromisses von Union und FDP mit der damals oppositionellen SPD das Asylgrundrecht eingeschränkt worden. »Wenn wir dieser Herausforderung Herr werden wollen, dann müssen die Parteien im Deutschen Bundestag bereit sein, parteiübergreifend den Schulterschluss zu suchen«, sagte er der »Süddeutschen Zeitung«. Er würde dann auch »sofort öffentliche Zuspitzungen im Streit mit den Ampelparteien sein lassen«. Die gesamte Infrastruktur sei nicht auf diese hohe Zahl von Menschen ausgelegt, warnte er.
Am Freitag hatte die oppositionelle Union bereits im Bundestag versucht, die Ampelkoalition mit einem Antrag für einen »Deutschland-Pakt in der Migrationspolitik« unter Druck zu setzen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verteidigte dabei die Regierung: »Unsere Maßnahmen wirken. Wir steuern und ordnen Migration.« Aus Ländern und Kommunen waren zuletzt allerdings dramatische Warnungen vor einer Überlastung gekommen. Bis Ende August registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mehr als 204.000 Erstanträge auf Asyl – ein Plus von 77 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. Hinzu kommt, dass infolge des russischen Angriffskriegs mehr als eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland Schutz suchten, die keinen Asylantrag stellen müssen.
Merz verweist auf dänischen Asylkurs
CDU-Parteichef Friedrich Merz forderte derweil erneut einen härteren Kurs bei Abschiebungen: »Die Dänen sind da sehr konsequent, es gibt dann nur noch Sachleistungen, die Betroffenen kommen nur noch in Sammelunterkünfte und werden dann auch konsequent abgeschoben«, sagte der Unionsfraktionsvorsitzende bei einer Veranstaltung der »Augsburger Allgemeinen«. Die sozialdemokratische Regierung in Dänemark habe durch ihren Kurswechsel in der Asylpolitik den Stimmenanteil rechtsnationaler Parteien weit zurückdrängen können. Zuletzt allerdings hat Dänemark seine Regeln wieder etwas gelockert und gewährt etwa Frauen und Mädchen aus Afghanistan umfassend Asyl.
Bewegung deutete sich in der umstrittenen Frage der Grenzkontrollen an. Innenministerin Faeser sagte der »Welt am Sonntag« auf die Frage, ob es an der polnischen und tschechischen Grenze kurzfristige stationäre Grenzkontrollen geben werde: »Aus meiner Sicht ist das eine Möglichkeit, Schleuserkriminalität härter zu bekämpfen.« Ein Ministeriumssprecher bestätigte: »Entsprechende zusätzliche grenzpolizeiliche Maßnahmen werden aktuell geprüft.« Noch vor kurzem hatte Faeser stationäre Grenzkontrollen als »Symbolpolitik« abgelehnt.
Solche zusätzlichen Kontrollen müssten mit der Überwachung des gesamten Grenzgebiets durch die Schleierfahndung gut zusammengreifen, sagte Faeser. »Dafür haben wir die Präsenz der Bundespolizei an der polnischen und der tschechischen Grenze bereits stark verstärkt«, erklärte die SPD-Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl am 8. Oktober. Sie dämpfte jedoch auch die Erwartungen an die Kontrollen: »Man sollte aber nicht suggerieren, dass keine Asylbewerber mehr kommen, sobald es stationäre Grenzkontrollen gibt.« Wenn ein Mensch an der Grenze um Asyl bitte, dann müsse der Asylantrag in Deutschland geprüft werden. Entscheidend bleibe also der Schutz der EU-Außengrenzen.