Wednesday, June 28, 2023

Ungarn: Ministerpräsident Viktor Orbán spricht Ukraine die Souveränität ab

DER SPIEGEL Ungarn: Ministerpräsident Viktor Orbán spricht Ukraine die Souveränität ab Artikel von Felix Keßler • Gestern um 16:32 Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán gilt als Freund Wladimir Putins. In einem Interview legt er nun den Aufstand der Wagner-Söldner im Sinne des russischen Präsidenten aus. Auch seine Aussagen zur Ukraine verwundern. Russlands Präsident Wladimir Putin kann sich nach dem Aufbegehren der Wagner-Söldnergruppe und deren Vormarsch Richtung Moskau seiner Stellung nicht mehr so sicher sein wie zuvor. Zwar ließ Wagner-Chef Jewgenij Prigoschin seine Truppen am Wochenende überraschend umkehren und vermied so womöglich schwerere Kämpfe zwischen den Söldnern und der regulären russischen Armee. Doch der Schock sitzt nach dem Vorfall tief. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán stuft die Bedeutung der Geschehnisse nun allerdings offenbar als nur gering ein. Putin sei durch die Wagner-Revolte nicht geschwächt, der Aufstand ohne »größere Bedeutung«, sagte Orbán in einem unter anderem bei der »Bild«-Zeitung veröffentlichten Interview. Schnelles Ende der Revolte als »Zeichen von Stärke« Der Eindruck von Schwäche, den Putin während des Aufstands gemacht habe, beruhe auf Fehleinschätzungen des Westens, der Russland nicht verstehe: »Russland funktioniert anders als wir. Die Strukturen in Russland sind sehr stabil«, sagte Orbán mit Blick auf den großen russischen Militär- und Sicherheitsapparat. »Vergessen Sie also nicht, dass die Russen nicht so ein Land sind wie wir, Deutschland oder Ungarn. Es ist eine andere Welt. (…) Wenn Sie also aus unserer Logik heraus verstehen wollen, wie sie funktionieren, werden wir uns immer täuschen«, sagte der Ungar. Vielmehr sei es »ein Zeichen von Stärke«, dass der Kremlchef die Revolte binnen 24 Stunden gestoppt habe, sagte Orbán. Die Ukraine sei »kein souveränes Land mehr«, da sie zur Verteidigung gegen Russland auf westliche Hilfe angewiesen sei. Ein Frieden hänge damit laut Orbán an den USA. »Sie können nur kämpfen, weil wir im Westen sie unterstützen. Wenn die Amerikaner also beschließen, dass sie Frieden haben wollen, wird es Frieden geben.« Orban will Putin nicht als Kriegsverbrecher bezeichnen Darauf, dass Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führt, ging Orbán offenbar nicht weiter ein. Auf die Frage, ob er Putin für einen Kriegsverbrecher halte, verneinte Orbán. Es sei »keine gute Idee« darüber zu sprechen, wenn man einen Waffenstillstand mit Putin anstrebe. Der Rechtspopulist pflegt seit Jahren gute Kontakte zu Putin und behielt diese auch nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine bei. Mit der EU liegt der autoritär regierende Orbán seit Jahren im Clinch – und verhinderte in den vergangenen Monaten immer wieder neue EU-Sanktionen gegen Russland – etwa ein vollständiges Öl-Embargo oder geplante Strafmaßnahmen gegen den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill. Die Frage, wie seine Position zu seiner Forderung von 1989 nach einem Abzug der sowjetischen Truppen aus dem damaligen Ostblock-Staat Ungarn passe, bezeichnete Orbán als »Provokation«. Er betonte: »Sie wissen schon, den Ungarn zu sagen, dass wir Pro-Russen oder Freunde der Russen sind, widerspricht unseren historischen Erfahrungen. Ich kämpfe für Ungarn. Ich kümmere mich nicht um Putin.«