Thursday, June 22, 2023

„Niveau der Schäbigkeit“: Als Trittin neuen EU-Kompromiss zerlegt, versteht Lanz die Welt nicht mehr

Merkur „Niveau der Schäbigkeit“: Als Trittin neuen EU-Kompromiss zerlegt, versteht Lanz die Welt nicht mehr Artikel von Bernd Pipo • Gestern um 10:33 Talk im ZDF Der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin nimmt bei „Markus Lanz“ Stellung zum Verhältnis Deutschlands zu China und den USA. Zudem spricht er über die Grünen im Spannungsfeld zwischen Pragmatismus und Parteigrundsätzen. Innenministerin Faeser spricht wegen des Asylkompromisses der EU von einem „Durchbruch“. Jürgen Trittin hält bei „Markus Lanz“ dagegen. Hamburg – China pirscht sich langsam heran. Jürgen Trittin beobachtet dies ganz genau: „Wir erleben gerade, dass China gegenüber Deutschland und Europa massive Anstrengungen unternimmt, wieder ins Gespräch zu kommen, und das setzt sich auch fort in den Gesprächen jetzt gegenüber den USA“, sagt der Grüne im ZDF-Talk „Markus Lanz“. Mikko Huotari betrachtet das Treffen zwischen US-Außenminister Antony Blinken und dem chinesischen Staatschef Xi Jinping skeptisch. Der Politologe glaubt, dass die politischen Spannungen zwischen China und den USA noch lange nicht vollkommen aufgebrochen seien. Erst vor einigen Tagen nannte US-Präsident Joe Biden den chinesischen Staatschef einen „Diktator“. Der USA-Korrespondent Elmar Theveßen hält auch nichts von der zur Schau gestellten Einigkeit: „China und die USA sind sich einig, uneinig zu sein.“ Markus Lanz – Diese Gäste diskutieren mit am 21. Juni: Trittin kann nicht nachvollziehen, dass in der Vergangenheit ein allzu großer Respekt vor China entstanden ist: „Ich bin nicht dafür, dass man vor China Angst hat, aber man muss realistisch auf sie gucken. Das heißt, auch unter geostrategischen Aspekten.“ China habe sich unter der Politik Xi Jinpings von der Politik Deng Xiaopings komplett verabschiedet. „Nämlich im materiellen Sinne: Egal wie die Katze aussieht, Hauptsache sie fängt Mäuse“, sagt Trittin. Deng habe die Auffassung gehabt, dass das Reich der Mitte international eine angemessene Rolle ausfüllen sollte. „Man wollte eher auf leisen Pfoten daherkommen“, bleibt der ehemalige Umweltminister beim Sprachbild der Vierbeiner. Nun habe China einen Anspruch, die Welt zu gestalten. Und auch, diesen Anspruch in Konkurrenz zur bestehenden Weltordnung einzusetzen. „Das ist etwas, worauf wir uns in unserer Politik einstellen müssen“, sagt Trittin. Seine Folgerung: „Deswegen kann es auch eine naive Haltung ‚Wir machen ein bisschen Handel und Wandel‘ nicht mehr geben.“ Markus Lanz hakt nach: Was sagt Trittin zur EU-Asylpolitik? Markus Lanz sieht in der deutschen China-Politik einen Paradigmenwechsel. Diesen sieht er auch in der europäischen Asylpolitik. Naivität wird in diesem Zusammenhang „genau ihrer Partei vorgeworfen“, wie Lanz in Richtung Trittin sagt. Die Grünen hätten das Ideal von Humanität hochgehalten, jedem Menschen, der zu uns kommt, müsse geholfen werden. „Ist diese Politik nun an ein Ende gekommen?“, fragt Lanz. „Erstens“, sagt Trittin mit gefalteten Händen, „unsere Politik war, diejenigen, die bedroht sind und vor Krieg fliehen, bedürfen des Schutzes“. Weiterhin werde man am Freitag verabschieden, dass Einwanderung gezielt organisiert werde, „weil wir ökonomisch und demografisch auf diese Einwanderung angewiesen sind“. Trittin überspitzt: „Das ist was völlig anderes als ‚kommt mal her, ihr Lieben‘.“ Asylgesetz unmenschlich? Trittin erklärt bei „Lanz“ Haltung der Grünen Lanz hält Trittin vor Augen, dass innerhalb der Grünen die Ansicht vorherrschte, dieses Gesetz sei unmenschlich. „Dann kam der Parteitag und alles war gut. Wie haben Sie das gemacht?“, fragt Lanz. Kurz zeigen die Mundwinkel bei Trittin nach oben, er konzentriert sich dann aber und sagt nüchtern: „Das war eine schwierige Situation für die Grünen.“ Allerdings herrschte Unzufriedenheit darüber, wie die deutsche Regierung in Brüssel verhandelt habe. Die Grünen hätten drei Punkte gefordert: Einen wirksamen Verteilmechanismus, Regeln zum Transit durch sogenannte Drittstaaten und dass Familien mit Kindern nicht getrennt werden sollen. „Davon ist durch die Regierung vielleicht ein halber Punkt realisiert worden“, sagt Trittin. Dass eine europäische Regelung gilt, sei zwar ein Fortschritt. Allerdings auf einem „Niveau der Schäbigkeit“, da dies die Praxis, die in Deutschland ohnehin angewendet wird, überhaupt nicht beeinflusse. Lanz versteht die Welt nicht mehr: „Was erzählen wir den Leuten denn?“ Man sei an einem Punkt, an dem man die Bevölkerung nicht überfordern dürfe. „Ich finde es nicht richtig, der Bevölkerung zu erzählen, dass dieser Kompromiss kurzfristig dazu führt, dass die Turnhalle um die Ecke wieder frei wird.“ Weiter erklärt Trittin, dieser Kompromiss, „wenn er denn kommt“, werde am Ende des Tages „in drei Jahren Wirkung haben“. Zweitens sei völlig offen, wieweit die Rechtswirklichkeit jetzt an dieser Stelle dazu führe, dass die zunehmenden Migrations- und Fluchtströme in der Welt nicht mehr nach Europa kommen. „Da habe ich ganz realpolitische Zweifel. Deswegen würde ich das der Bevölkerung nicht versprechen, das ist schlicht eine Lüge.“ Die Journalistin Kerstin Münstermann bekräftigt dies: „Wir haben seit Jahren das Dublin-System für Verteilung, das nicht funktioniert.“ Lanz versteht die Welt nicht mehr: „Was erzählen wir den Leuten denn? Streuen wir denen Sand die Augen?“ Trittin nimmt dies auf und kritisiert den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU): Dass er verspreche, es kommen keine weiteren Menschen, sei „unredlich“. „Denn das“, sagt Trittin, „führt am Ende nur dazu, dass sich die AfD hinstellt und sagt, der hat nicht geliefert“. Da die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) von einem „Durchbruch“ gesprochen hat, fragt sich Lanz, was eine ehrliche Beschreibung gewesen wäre. Trittin antwortet sofort: Der Versuch, ein gescheitertes System zu reparieren. Markus Lanz – Das Fazit der Sendung: Verglichen mit anderen Lanz-Sendungen ist diese nahezu einschläfernd. Obwohl beide Themenblöcke – China und Asylpolitik – durchaus Potenzial für hitzige Debatten liefern, bleiben diese komplett aus. Dabei hat immerhin Jürgen Trittin mit einigen markigen Sprüchen für etwas Erheiterung gesorgt. Bemerkenswert ist seine klare Haltung zum EU-Asylkompromiss. Es kann davon ausgegangen werden, dass an andere Stelle darauf reagiert wird. (Christoph Heuser)