Monday, March 27, 2023
Eine Analyse von Ulrich Reitz - Scholz ist jetzt schon klar, wer am Sonntag den Ampel-Streit gewinnt
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Eine Analyse von Ulrich Reitz - Scholz ist jetzt schon klar, wer am Sonntag den Ampel-Streit gewinnt
Artikel von Von FOCUS-online-Korrespondent Ulrich Reitz (Düsseldorf) • Vor 1 Std.
Der Anfangszauber ist dahin, in der angeblichen Fortschrittskoalition streiten sie wie die Kesselflicker. Einer weiß schon, wer das Ampel-Schlachtfeld als Sieger verlässt.
Wenn jedem Anfang ein Zauber innewohnt, erleben wir dann gerade das Ende? Eine Antwort auf diese Frage geben gerade jene, die an einem Ende der Ampelkoalition das größte Interesse haben müssten. Kurzum: Seelenruhig beschäftigt sich die Union mit der Frage, weshalb die Bürger beim nächsten Mal CDU wählen sollen. Keine Spur vom herannahenden Ende des Gegners. Wenn wir die Antwort in einem Jahr erfahren, ist das immer noch früh genug.
Wenn es aber weder der Anfangszauber – wir erinnern uns an dieses ausstrahlungsstarke Flur-Selfie mit Annalena Baerbock und Robert Habeck und Volker Wissing und Christian Lindner – gibt, noch das Ende, was erleben wir denn dann gerade?
Was an der Fortschrittskoalition ist der Fortschritt?
Genau genommen war es mit der Euphorie schon vorbei, als Wladimir Putin am 24. Februar vor einem Jahr seinen Krieg startete und kaum zeitversetzt Grüne und Liberale das Balgen mit dem Kanzler um deutsche Waffenlieferungen begannen. Seit damals schon weiß man nicht, was an der Fortschrittskoalition der Fortschritt sein soll – das bedachtsame Zögern oder die ungeduldige Aktion.
So ist es auch heute wieder. Nur, dass es einen Rollentausch gegeben hat – je nach Thema. Bei den Waffen zögerte Olaf Scholz, bei den Heizungen zögert Christian Lindner. Um die Sache geht es dabei nur vordergründig. Hintergründig geht es stets um Ambitionen und Rollenbilder, die mal kaschiert und mal gepflegt sein wollen.
In der größten Kontinuität bewegt sich dabei der Kanzler. Er kommuniziert mal spärlich bis gar nicht, dann auch wieder triumphalistisch, wenn es um eigene Leistungen geht, die dann schon einmal ins Weltbewegende hinein spielen. Wie dem Umstand, dass der Olaf Scholz dem Wladimir Putin mit Hilfe des Xi Jinping einen Atomkrieg ausgeredet hat.
Wohlfeile Kommentare der SPD
Das Rollenbild, das sich die SPD in dieser Koalitionskrise gegeben hat, könnte man vielleicht mit der Volksweisheit fassen: In der Ruhe liegt die Kraft. Dazu passt die Nicht-kommunikation des Kanzlers in seinen un-triumphalistischen Phasen. Oder die wohlfeilen Appelle des SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil, sich doch bitte endlich zu einigen.
Oder das Bild, welches der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich zeichnet von seiner Partei: Die Problemlöserin „hinter den Kulissen“. Womit der Kölner sagen will: Et hätt´noch emmer joot jejange – vor allem dank uns.
Verwandtes Video: Kanzler Scholz zum Ampel-Streit um E-Fuels: "Es gibt eine klare Verständigung" (ProSieben)
Jedenfalls lässt sich mithilfe einer solchen Attitüde länger regieren, was schließlich der Plan von Scholz ist. Scholz´ Art der der spärlichen Inszenierung kennt man zwar auch schon von ihm selbst, vor allem aber von seiner Vorgängerin. Und Angela Merkel hat es damit auf schiere 16 Jahre gebracht.
FDP setzt auf Solidität und Bürgernähe
Die anderen suchen ihre Kraft in Unruhe. Die FDP hat inzwischen erfahren, dass ihre Entscheidung für die Ampelregierung ihr fünf Wahlniederlagen eingetragen hat. Weshalb sie ihr Heil wieder mehr im Bewährten sucht: Solidität und Bürgernähe. Beim Klimaschutz zu bremsen, beim raschen Heizungsaustausch ebenso wie beim raschen Verbrenner-Auto-Aus, wird als liberale Tugend verstoffwechselt.
Die harsche Absage an den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck und Grünen-Chefin Ricarda Lang hört sich dann liberal-staatsmännisch-verantwortungsvoll an, wenn sie so daherkommt: Klimaschutz gelinge doch nur, „wenn er sich an den Erfordernissen und Realitäten der Bürgerinnen und Bürger orientiert“. So wickelte es Bijan Djir-Sarai, der FDP-Generalsekretär, in Watte.
Und die Nachricht, vor dem Koalitions-Krisen-Gipfel am Sonntagabend seien gar 30 Regierungsvorhaben noch nicht entschieden, erhält aus Sicht der Liberalen einen positiven Klang. Manche nämlich sind, wie die Kindergrundsicherung, grundstürzend teuer, sie aus Gründen finanzieller Solidität verhindert zu haben, lässt sich darum als liberale Tugend blaugelb waschen.
Klima, so lautet die Antwort der Grünen
So ist es auch mit dem Verbrenner-Aus, das der liberale Verkehrsminister im Alleingang gestoppt haben will. „Technologieoffenheit“ ist der Grund, nicht das Klima. Technologieoffenheit, das ist die Antwort der FDP auf die Zukunft. Klima, so lautet die Antwort der Grünen.
Und auch wenn inzwischen in liberalen Kreisen immer mal wieder Zweifel hörbar werden, ob Christian Lindner in dieser für sie schwierigen Lage die FDP ein weiteres Mal vor dem Untergang bewahren kann – die kommunikativen Fähigkeiten des Oberliberalen bleiben einzigartig.
Letzthin gelang ihm ein besonders schöner Coup, als er der stets ein wenig aufgeregten Katrin Göring Eckard dieses Bonmot so ruhig wie schlagfertig entgegensagte: „Wenn Sie aufhören, die Unwahrheit über die FDP zu sagen höre ich auf, die Wahrheit über die Grünen zu sagen.“ Kann nicht jeder, sowas.
Wie anstrengend es werden kann, wenn man sich partout als Avantgarde inszenieren will, kann derzeit Robert Habeck studieren. Ihm wurde daraufhin übel mitgespielt, gar wurde ein Gesetzentwurf „geleakt“, es muss wohl sich um einen Vorgang von abgrundtiefem Landesverrat gehandelt haben. Wobei:
Kann es vielleicht sein, dass sich Habecks in letzter Zeit ungewohnt krachlederne Botschaften vor allem nach Innen richten? Wie diese hier: „Es kann nicht sein, dass in einer Koalition nur ein Koalitionspartner für den Fortschritt verantwortlich ist und die anderen für die Verhinderung von Fortschritt.“
Olaf Scholz weiß, wer der Sieger sein wird
Robert Habeck als unerschrockener Artillerist an der Fortschrittsfront – das ist die Botschaft, mit der dieser Mann glaubt, sich seinen Weg zur nächsten grünen Kanzlerkandidatur freizuschießen.
Die avantgardistisch dem Weltklimageist entgegenstrebenden Grünen treffen auf die solide-bürgerlich-bodenständigen Liberalen, und beide treffen einen intelligenten sozialdemokratischen Moderator-Entscheider. Olaf Scholz weiß selbstredend jetzt schon, wer das koalitionäre Schlachtfeld in der Sonntagnacht als Sieger verlässt.
Denn Scholz agiert nach dem Highlander-Prinzip: Es kann nur einen geben.