Friday, March 18, 2022
USA liefern Ukraine umwälzendes Waffensystem
USA liefern Ukraine umwälzendes Waffensystem
RP ONLINE - Gestern um 10:58
Washington. Die USA liefern der Ukraine sogenannte „Kamikaze“-Drohnen. Experten halten das neue Waffensystem für so umwälzend wie einst das Maschinengewehr.
Besucher der UMEX 2022 (Unmanned Systems Exhibition) in Abu Dhabi schauen sich ein Modell der „Kamikaze“-Drohne an.
Sie lassen sich in einem Rucksack tragen, in knapp zehn Minuten startklar machen und Ziele jenseits der Sichtweite mit hoher Präzision treffen. Je nach Bedarf können vorab Trefferkoordinaten programmiert werden. Falls es die Lage erforderlich macht, lässt sich ihr Einsatz bis zwei Sekunden vor dem Einschlag abbrechen. Die Rede ist von Kampfdrohnen der Modelle „Switchblade 300“ und „Switchblade 600“, die ursprünglich für US-Spezialeinsätze in Afghanistan und Irak entwickelt worden waren.
„Diese Waffen haben eine unmittelbare Wirkung auf dem Schlachtfeld“, sagt der ehemalige Ministerialdirektor im Pentagon, Mick Mulroy, der „New York Times“ zu den bisher für den Eigengebrauch bestimmten Waffen, über deren Einsatz öffentlich nur wenig bekannt geworden war. US-Präsident Joe Biden hat jetzt grünes Licht für die Lieferung des Waffensystems an die Ukraine gegeben. In einer ersten Tranche sollen die Ukrainer im Rahmen des neuen, eine Milliarde Dollar schweren Hilfspakets 100 „Switchblades“ erhalten.
Experten wie Paul Scharre vom „Center for a New American Security“ vergleichen die Bedeutung dieser auch als „Angry Birds“ oder „Buzzing Bee“ bekannten Waffen für die Kriegsführung mit der Einführung des Maschinengewehrs im Ersten Weltkrieg. „Drohnen machen den Kampfeinsatz sehr viel gefährlicher für Bodentruppen.“ Soldaten könnten „nicht mehr hinter Mauern oder in Schützengräben Deckung suchen“.
Das hat mit der Fähigkeit der Einweg-Drohnen zu tun, sich unentdeckt vom gegnerischen Flugabwehr-Radar ihrem Ziel zu nähern und mit hoher Zielgenauigkeit die tödliche Ladung zu detonieren. Es blieb zunächst unklar, welches Modell die USA an die Ukraine liefern.
Die von AeroVironment hergestellte 300-er Version der Kampfdrohne wiegt knapp 2,5 Kilogramm, ist ein Meter 20 lang und kann bis zu zehn Kilometer weit fliegen. Sie lässt sich unter anderem für chirurgische Schläge, etwa gegen feindliche Kommandeure, einsetzen.
Die 600-er Variante wiegt rund 22 Kilogramm und erlaubt nach dem Start Ziele bis zu 40 Kilometer Entfernung anzugreifen. Die auch als Kamikaze-Drohne bekannte Waffe kreist zum Beispiel über einer Panzereinheit, nimmt diese mit ihrer Kamera ins Visier und stürzt dann wie aus dem Nichts kommend ein.
Der Militärtechnik-Experte David Hambling betrachtet diese neuen Fähigkeiten für die Verteidiger Ukraine als umwälzend. Damit könnten künftig effektiv russische Raketenwerfer und Artilleriestellungen ausgeschaltet werden, die ukrainische Städte beschießen. Die ersten 100 „Switchblades“ seien so etwas wie ein „Starter-Set“, dass es den Streitkräften erlaube, den Wert der Waffen „auszuprobieren“.
Obwohl die USA die Kampfdrohnen häufig im Mittleren Osten eingesetzt haben, hat das Pentagon bisher nicht über sie gesprochen oder Videos von ihrem Einsatz gezeigt. Das hat auch damit zu tun, dass diese Waffen in den falschen Händen zu einer Bedrohung werden, gegen die sich die Amerikaner selbst bisher nicht zu verteidigen wissen. Die Technologie dieser Waffen entwickle sich so schnell, „dass alle unsere Verteidigungsfähigkeiten dagegen nicht mitkommen“, sagt Ex-Pentagon-Mann Mulroy.
Was in erster Linie ein Problem für Bodentruppen, wie in diesem Fall die russischen, sind, die in klassischen Formationen angreifen. Die Verteidiger der Ukraine setzten schon bisher erfolgreich auf kleine Kampfgruppen, die Panzer mit „Javelin“-Raketen und Helikopter mit Stinger-Schulter-Raketen ausschalteten. Wie deren Einsatz lässt sich nach Angaben des Herstellers auch die Bedienung der „Kamikaze“-Drohnen binnen weniger Stunden erlernen.