Thursday, March 31, 2022
Tschernobyl: Russische Truppen ziehen ab
DER SPIEGEL
Tschernobyl: Russische Truppen ziehen ab
Muriel Kalisch - Gestern um 20:30
Die Ukraine fürchtet seit der Einnahme des AKW Tschernobyl eine nukleare Katastrophe. Nun hat Russland offenbar im Zuge der Umgruppierung seiner Truppen Soldaten aus dem Sperrgebiet abgezogen – allerdings nicht alle.
Russische Truppen haben nach Angaben des ukrainischen Atomkonzerns Energoatom mit dem Abzug von den besetzten Atomreaktoren Tschernobyl und Slawutytsch begonnen. Russische Soldaten seien in zwei Kolonnen in Richtung der Grenze nach Belarus gefahren, teilte der Konzern am Donnerstag auf Telegram mit. Das Personal des AKWs Tschernobyl sei am Morgen über den geplanten Abzug informiert worden. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Die stellvertretende Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk hatte zuvor den Abzug russischer Truppen aus dem Gebiet des stillgelegten Kernkraftwerks gefordert. Ukrainischen Streitkräften zufolge besteht die Gefahr, dass Munition explodiert.
»Kleine Zahl« von Russen soll in Tschernobyl bleiben
»Wir fordern, dass der Uno-Sicherheitsrat unverzüglich Maßnahmen zur Entmilitarisierung der Sperrzone von Tschernobyl ergreift und eine spezielle Uno-Mission dorthin entsendet, um das Risiko einer Wiederholung einer nuklearen Katastrophe auszuschließen«, sagte sie.
In Tschernobyl bleibe noch »eine kleine Zahl« von Russen, hieß es weiter. Eine weitere russische Kolonne ziehe aus Slawutytsch ab. Seit dem Einmarsch Russlands vor fünf Wochen war die Sperrzone um das 1986 havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl und das AKW in Enerhodar im Gebiet Saporischschja in russischer Hand.
Ob sich tatsächlich Munition auf dem Gelände des havarierten Kernkraftwerks befindet und, falls ja, um welche Mengen es sich handelt, lässt sich unabhängig nicht überprüfen. Noch heute werden in Tschernobyl radioaktive Abfälle gelagert. Unter anderem befinden sich dort weiterhin rund 20.000 Brennelemente, die gekühlt werden müssen.
Unterdessen berichteten ukrainische Behörden von einer »großen Umgruppierung« russischer Truppen bei Kiew. Große Kolonnen seien auf dem Weg nach Russland, teilte der Vorsitzende der Kiewer Militärverwaltung, Alexander Pawljyk, nach Angaben der Agentur Unian mit. Jede Kolonne bestehe aus mehr als hundert Fahrzeugen. Erst jetzt werde klar, wie groß der Truppenaufmarsch Richtung Kiew gewesen sei.