Friday, September 22, 2023
Migrationspolitik: CDU schlägt Deutschland-Pakt zur Migration vor – Faeser weist Vorwürfe zurück
Handelsblatt
Migrationspolitik: CDU schlägt Deutschland-Pakt zur Migration vor – Faeser weist Vorwürfe zurück
Artikel von , Reuters dpa, •
21 Min.
Bundesinnenministerin Faeser (SPD) wies Vorwürfe zurück, beim Thema Migration untätig zu sein.Die Union fordert Maßnahmen, um Bund, Länder und Kommunen zu entlasten. Innenministerin Faeser weist zurück, beim Thema Migration untätig zu sein – und wirft der Union Populismus vor.
Zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms hat die Union die Abweisung von Zuwanderern an den deutschen Grenzen gefordert. „Die Bundesinnenministerin ist damit erkennbar überfordert, die Außenministerin praktisch untätig“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ am Freitag einem Vorabbericht zufolge.
Der Bundeskanzler müsse das Thema jetzt zur Chefsache machen, die Bundespolizei benötige sämtliche Befugnisse für Zurückweisungen an den Grenzen. Erforderlich seien lageangepasste Kontrollen an den Binnengrenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz, ergänzte Lindholz.
Die Union brachte als eigenen Vorschlag für einen Deutschland-Pakt zur Migration einen Antrag ein. Er fordert die Regierung auf, „die irreguläre Migration spürbar zu reduzieren, um Bund, Länder und Kommunen zu entlasten“. Die Liste der sicheren Herkunftsstaaten für beschleunigte Asylverfahren solle um Georgien, Moldau, Indien, Tunesien, Marokko und Algerien erweitert werden.
Zu dem vorgeschlagenen Maßnahmenbündel gehören auch Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz und „wirksame Rückführungsabkommen“ mit Herkunftsländern. CDU-Chef Friedrich Merz hatte am Dienstag gesagt: „Die ausgestreckte Hand von mir und von uns ist da.“
Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) sagte am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“, es sei eine gemeinsame Entscheidung in der demokratischen Mitte zum Thema Migration nötig, um Populisten von links und rechts und um Radikalen das Wasser bei dem Thema Migration abzugraben.
Union fordert Koalition zu gemeinsamer Migrations-Begrenzung auf
„Wir brauchen ein gemeinsames Verständnis“, sagte Spahn. „Und da bin ich mir nicht sicher, ob es das innerhalb der Bundesregierung gibt“, sagte er. „Wir sind an der Grenze dessen, was geht. Und diese Zahlen müssen deutlich, sehr deutlich in sehr kurzer Zeit runter“, sagte Spahn mit Blick auf die Migrationszahlen.
Die oppositionelle Union hat die Ampel-Koalition zu gemeinsamen Beschlüssen zur Begrenzung der irregulären Migration nach Deutschland aufgefordert. „Wir bieten Ihnen an, dieses Thema mit uns zu lösen, weil es sonst zu einem gesellschaftlichen Großkonflikt sich entwickeln kann“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
Kommunen seien überlastet, die Akzeptanz schwinde. Wenn diese Analyse die Grundlage sei, könne man einen Konsens bilden. Nach dem Vorschlag eines Deutschland-Pakts sei von Kanzler Olaf Scholz (SPD) aber nichts unternommen worden, um diese „Worthülse“ mit Leben zu füllen. Dobrindt warf Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vor, EU-Migrationsentscheidungen zu blockieren.
Kretschmer: Sollten uns bei Flüchtlingsaufnahme auf Zahl festlegen
Bei der Aufnahme von Flüchtlingen braucht es aus Sicht von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) eine Zahl zur Orientierung. „Wir sollten uns auf eine realistische Größenordnung verständigen, beispielsweise 200.000 Flüchtlinge pro Jahr“, sagte der CDU-Politiker der „Freien Presse“ (Freitag). Das sei eine Zahl, an der man sich orientieren könne. „Dann kann man darüber sprechen, mit welchen Instrumenten man diese Zahl erreicht.“ Zuvor hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen jährlich gefordert.
Die EU könne Polen bei der Sicherung der Außengrenzen unterstützen und Deutschland habe die Möglichkeit zu Kontrollen an deutschen Grenzen, sagte er. Außerdem brauche es wirksame Rückführungsabkommen. Tunesien, Marokko und Algerien sollten ihm zufolge als sichere Herkunftsländer ausgewiesen werden. Es müsse zudem geklärt werden, wie mit straffälligen Asylbewerbern umgegangen werden solle.
„Und es geht um die Fragen, die die italienische Ministerpräsidentin Meloni aufgerufen hat: Wie hoch sind die Sozialleistungen für Asylbewerber in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern in Europa? Und welche Auswirkungen hat diese Diskrepanz?“
SPD-Innenministerin Faeser: „Unsere Maßnahmen wirken. Wir steuern und ordnen Migration“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat Vorwürfe der Opposition zurückgewiesen, beim Thema Migration untätig zu sein und diese mit ihrer Politik noch zu verstärken. „Unsere Maßnahmen wirken. Wir steuern und ordnen Migration“, sagte die SPD-Politikerin am Freitag im Bundestag.
Faeser verwies in ihrer Rede auf die geplante Reform des europäischen Asylsystems, gemeinsame Arbeit mit polnischen und tschechischen Behörden an den Grenzen und verstärkte Bundespolizei zur sogenannten Schleierfahndung. „Wir handeln also schon, wo Sie nur fordern.“ Sie wies zudem Berichte zurück, wonach eine Erleichterung des Familiennachzugs für Flüchtlinge geplant sei. Das habe sie im Moment nicht vor, sagte die Innenministerin.
Faeser warf ihrem Vorredner, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, vor, mit seinen Äußerungen die Debatte anzuheizen. Vorschläge aus der Union für eine Migrationsobergrenze seien Populismus, der nur die Rechtsextremen stärke. „Gehen sie nicht weiter auf dem Irrweg, Wahlkampf auf dem Rücken von Menschen zu machen, die vor Krieg und Terror bedroht sind.“ Es gebe keine einfachen Lösungen.
Die irreguläre Migration müsse begrenzt werden, räumte Faeser am Donnerstagabend bei Maybrit Illner ein. „Wir wollen über Migrationsabkommen das stärker steuern“, sagte sie.
Diese sollten Menschen ermöglichen, auf legalem Weg nach Deutschland zu kommen - und die vertraglich gebundenen Länder sollten sich dann verpflichten, Menschen, also abgelehnte Asylbewerber, zurückzunehmen.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) rechnet mit gravierenden Problemen in Deutschland, wenn die irregulären Einreisen von Migranten weiter wie bisher zunehmen. „Allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres hatten wir über 70.000 illegale Einreisen nach Deutschland. Mit Stand vom Ende letzten Jahres waren zudem 300.000 Personen in Deutschland ausreisepflichtig“, sagte Haseloff der „Mitteldeutschen Zeitung“.
Deutscher Städtetag fordert Hilfe vom Bund
Menschen, die wirklich asylberechtigt seien und Hilfe benötigten, könnte dadurch nicht mehr wirksam geholfen werden. Zudem kämen Kommunen und Länder in eine Situation, „die sie nicht mehr bewältigen können“. Unterbringung, soziale Betreuung, Schulunterricht seien dann kaum noch zu gewährleisten.
Derweil forderte der Deutsche Städtetag zur Bewältigung der Migration zügig mehr Hilfen des Bundes. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sagte der „Rheinischen Post“: „Bei der Finanzierung brauchen wir endlich ein dauerhaftes System, das sich dynamisch den Flüchtlingszahlen anpasst und uns Planungssicherheit gibt.“ Dedy ergänzte, das müsse die nächste Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler im November endlich liefern. Es werde „vielerorts immer schwieriger, Geflüchtete angemessen unterzubringen und zu versorgen“.