Friday, September 22, 2023
Der Faeser-Plan, den Familiennachzug zu erleichtern
WELT
Der Faeser-Plan, den Familiennachzug zu erleichtern
Artikel von Zara Riffler •
12 Std.
Einfacherer Familiennachzug und leichterer Zugang zum Arbeitsmarkt, aber Verlängerung des Ausreisegewahrsams – das Innenministerium diskutiert einschneidende Änderungen der deutschen Asyl- und Migrationspolitik. Das geht aus einem Gesetzesentwurf vor, der WELT AM SONNTAG vorliegt.
Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat – „Einladung zum Betrug und eine Ermunterung für Identitätstäuscher“
Mitten in der sich zuspitzenden Migrationskrise in Deutschland und der Europäischen Union plant Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) weitreichende politische Reformen. Das geht aus einem Referentenentwurf zum „Familien- und Arbeitsmarktintegrationsgesetz“ (FAMIntG) vor, der WELT AM SONNTAG exklusiv vorliegt. Eine der wichtigsten geplanten Änderungen: Der sogenannte Familiennachzug soll erheblich erleichtert werden.
Der Entwurf, datiert auf den 4. September, befindet sich nach Informationen dieser Zeitung noch nicht in einer Ressortabstimmung. In dem Dokument heißt es, die Regierung „möchte einen Neuanfang in der Migrations- und Integrationspolitik gestalten, der einem modernen Einwanderungsland“ gerecht werde. Dazu sollten Menschen „schneller in die Gesellschaft integriert“ werden.
Im Jahr 2016 war die Berechtigung – wegen der Flüchtlingskrise – von subsidiär Schutzberechtigten, Familienmitglieder nach Deutschland nachzuholen, ausgesetzt worden. Zwei Jahre später wurde eine Begrenzung auf 1000 Personen pro Monat eingeführt. Bei dieser Gruppe handelt es sich um Menschen, die keinen Flüchtlingsschutz im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten, aber stichhaltige Gründe für einen ihnen ernsthaft drohenden Schaden in ihrem Herkunftsland vorbringen können. Der Schutzstatus gilt erst einmal für ein Jahr und kann verlängert werden. Der Entwurf aus dem Innenministerium sieht nun vor, dass künftig bei subsidiär Schutzberechtigten der Familiennachzug dem von anerkannten Flüchtlingen gleichgestellt werden soll – so wie es bis 2016 war. Auch eine Begrenzung der Personenanzahl soll entfallen.
Auch bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen soll es deutliche Erleichterungen bezüglich der Einreise von Verwandten geben. In dem Entwurf heißt es, dass „erstmals der Geschwisternachzug, das heißt die gemeinsame Einreise von Eltern mit Kindern zum bereits in Deutschland lebenden unbegleiteten minderjährigen Schutzberechtigten, geregelt und damit wesentlich erleichtert werden“ soll.
Damit hätten dann auch Geschwister ein erleichtertes Nachzugsrecht – zuvor konnte dieser Nachzug in der Regel nur bei in Deutschland bereits erfolgter Schutzzuerkennung eines Elternteils erfolgen. Konkret wird vorgeschlagen, dass der Geschwisternachzug „künftig gleichzeitig mit dem Elternnachzug zum unbegleiteten Minderiährigen erfolgen“ soll. Bereits im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung waren Erleichterungen für den Familiennachzug verankert worden.
Ausgeschlossen von Arbeitserlaubnissen bleiben etwa Personen aus sicheren Herkunftsstaaten
Für tiefgreifende Veränderungen im Land dürfte der Plan sorgen, dass Asylbewerber und Geduldete einfacher Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. „Wer bereits vor dem 7. Dezember 2021 nach Deutschland eingereist ist und sich geduldet oder mit Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält, wird arbeiten dürfen“, heißt es. Voraussetzung soll unter anderem die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit sein. Die Ausländerbehörden müssten offensichtlich nicht mehr zustimmen. Ausgeschlossen von Arbeitserlaubnissen bleiben demnach Personen aus sicheren Herkunftsstaaten, Personen, die die Identitätsfeststellung „hartnäckig“ verhinderten sowie Personen, deren Asylantrag als „offensichtlich unzulässig oder unbegründet“ abgelehnt wurde.
Ebenfalls interessant: Wenn es Behörden nicht gelingt, die Identitäten festzustellen, soll als „letztes Mittel“ künftig möglich sein, dass Ausländer Angaben zu ihrer Identität und Staatsangehörigkeit durch eine Versicherung an Eides statt abgeben können.
Neben Erleichterungen sieht das Papier auch Verschärfungen vor. Beispielsweise sollen Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote künftig eigene Haftgründe im Rahmen der Sicherungshaft werden. Zudem soll die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von zehn auf 28 Tage verlängert werden. Darüber hinaus ist geplant, für bessere Abschiebungserfolge das Betreten von Flüchtlingsunterkünften zu erleichtern.
Wann und in welcher Form der Gesetzesentwurf in der Ressortabstimmung landet, ist nach Informationen dieser Zeitung noch ungewiss – genauso wie die Haltung der Ampel-Partner zu den Vorschlägen des Faeser-Ministeriums.
Die Migrationspolitik ist schon am Freitagvormittag wieder Thema im Bundestag. Dann findet die Beratung des Antrags der Unionsfraktion „Deutschland-Pakt in der Migrationspolitik – Irreguläre Migration stoppen“ statt. CDU und CSU fordern unter anderem, die Anreize für eine Sekundärmigration nach Deutschland zu senken und Pull-Faktoren zu vermeiden.