Tuesday, March 29, 2022
„Ich glaube, dass dieser Krieg das Ende von Putin eingeläutet hat“
WELT
„Ich glaube, dass dieser Krieg das Ende von Putin eingeläutet hat“
Gestern um 19:26
SPD-Chef Lars Klingbeil wäre „froh, wenn Herr Putin weg ist“. Er glaube zudem, „dass dieser Krieg das Ende von Wladimir Putin eingeläutet hat“, sagte der SPD-Vorsitzende am Dienstag im WELT TALK, der Talkshow des Nachrichtensenders WELT. „Aber aus dem Amt gejagt werden kann er nur aus dem eigenen Land.“ Daher müsse man die Menschen in Russland aufklären und die Opposition stärken.
Die Meldung aus dem russischen Verteidigungsministerium, wonach die russische Armee ihre Aktivitäten bei Kiew und Tschernihiw reduzieren wolle, wollte Klingbeil keinen Glauben schenken.
„Ich glaube, wir wären alle froh, wenn dieser Krieg, dieses grausame Morden beendet wird“, betonte Klingbeil. „Aber Putin glauben kann man erst in dem Moment, wo Fakten geschaffen wurden.“ Er glaube nur noch den Fakten „und nicht mehr den Worten von Wladimir Putin“.
Nach neuen Friedensgesprächen mit der Ukraine hatte Russland am Dienstag zugesagt, seine Kampfhandlungen an der nördlichen Front bei Kiew und Tschernihiw deutlich zurückzufahren. Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin sagte nach dem Treffen in Istanbul, seine Regierung wolle so Vertrauen aufbauen und weitere Verhandlungen ermöglichen.
Klingbeil wirft Union Stimmungsmache vor
Klingbeil kritisierte auch die Union scharf für Äußerungen über die Ankunft von Flüchtlingen. Er habe bemerkt, dass die Union „langsam in der Sprache die Situation“ verschärfte. CDU-Chef Friedrich Merz habe mehrfach gesagt: „Sie wissen ja gar nicht, wer hier ist.“ Dem widersprach Klingbeil: „Doch. Es sind Frauen und Kinder aus der Ukraine, die vor Putins Krieg fliehen.“
Die Flüchtlinge würden an der EU-Außengrenze kontrolliert, betonte Klingbeil. Und er machte der Union schwere Vorwürfe: „Das ist eine brandgefährliche Situation, die die Union jetzt anscheinend parteipolitisch probiert. Und ich kann nur bitten, dass man das lässt, weil es auf dem Rücken von Menschen ausgetragen wird, die gerade vor diesem Krieg fliehen. Und das finde ich nicht anständig.“
„Mein Verteidiger sagt, du darfst keine Schwäche zeige“
Die russische Journalistin Marina Owsjannikowa, die mit einem Poster im russischen Fernsehen gegen den Krieg in der Ukraine protestiert hatte, berichtete im WELT TALK von täglich neuen Vorwürfen der Behörden gegen sie. „Ich wache jeden Morgen auf und bekomme irgendwas Neues, was mich betrifft“, sagte sie. „Ich werde zur britischen Agentin erklärt, mir wird unterstellt, dass ich eine Agentin des russischen Geheimdienstes sei.“ Dann werde ein neues Verfahren eröffnet, das am nächsten Tag wiederum eingestellt und von weiteren Ermittlungen abgelöst werde.
Offensichtlich gebe es Beamte, die sie sehr genau beobachteten. „Mein Verteidiger sagt, du darfst keine Schwäche zeigen. Lass dich nicht verrückt machen“, erklärte Owsjannikowa. „Wenn es einen Beschluss geben sollte, mich festzusetzen, dann wird man es auch tun. Warten wir es ab.“
Inwiefern sie ein Umdenken in der russischen Bevölkerung bewirkt habe, vermag Owsjannikowa noch nicht einzuschätzen. „Mein Erscheinen live mit diesem Plakat war natürlich ein Schock für alle. Das war ein Schock für die Machthaber. Es war ein Schock für die ganz normalen Zuschauer.“