Thursday, March 17, 2022

Geflüchtete Ukrainer: Wo noch Platz wäre

SZ.de Geflüchtete Ukrainer: Wo noch Platz wäre Kommentar von Roland Preuß - Vor 3 Std. Die Ampel wollte ohnehin jedes Jahr 400 000 Wohnungen bauen. Um die Ankommenden unterzubringen, gäbe es aber auch noch andere Möglichkeiten. Wo noch Platz wäre Es wird eng, obwohl es nicht an gutem Willen fehlt. Die Zahl der Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland fliehen, steigt täglich im Zehntausender-Takt, noch diese Woche dürften es insgesamt mehr als 200 000 sein - und das sind nur die offiziell Registrierten. Helfer empfangen sie mit bewundernswerter Hilfsbereitschaft, bieten ihre Einliegerwohnung an oder ein Zimmer, und sei es für ein paar Nächte. Schon jetzt aber stellt sich die Frage: Wo sollen die voraussichtlich Hunderttausenden Flüchtlinge einmal wohnen? Bisher landen sie vor allem in Großstädten an, allein Berlin zählt etwa 60 000 geflüchtete Ukrainer. Es sind ausgerechnet die Metropolen, in denen der Wohnungsmangel bereits vielen Bürgern zu schaffen macht. Darin liegt eine soziale Sprengkraft. Noch weiß man nicht, wie viele Ukrainer bleiben werden. Doch man sollte sich keine Illusionen machen: Putin wird sich nicht so schnell zurückziehen aus der Ukraine, er wird weiter Häuser, Schulen, Betriebe zerstören lassen und die Bürger terrorisieren. Es ist kein Umfeld, in das Mütter mit ihren Kindern - der Großteil der Flüchtlinge - eiligst zurückwollen. Sie brauchen eine bezahlbare Unterkunft in Deutschland. Für die Großstädte heißt das: Es droht ein Verdrängungswettbewerb um günstige Wohnungen. Es hilft nicht, dies mit der Phrase vom Tisch zu wischen, man dürfe keine hiesigen Niedriglöhner oder Arme gegen die Ankommenden ausspielen. Günstige Wohnungen in Deutschlands Großstädten sind knapp - und eine Wohnung kann nur einmal vergeben werden. Wie wäre es mit den Kommunen, in denen Wohnungen leer stehen? Die große Migrationsbewegung aus der Ukraine kommt ähnlich überraschend wie die aus Syrien in den Jahren 2015/16. Nur dass es diesmal noch schneller geht. Bis die nötigen Wohnungen gebaut sind, dauert es meist Jahre, schnelle Abhilfe durch Neubauten ist nicht machbar. Zuwanderer spielen eine zentrale Rolle für den Wohnungsmarkt, das wird oft unterschätzt. Im vergangenen Jahrzehnt kamen unterm Strich jedes Jahr etwa eine halbe Million Menschen nach Deutschland, unter ihnen übrigens nur eine Minderheit Asylbewerber. Bei den meisten handelt es sich um die begehrten Fachkräfte, Ehepartner, EU-Bürger auf der Suche nach ihrem Glück. Erst 2018 brachte die damalige Bundesregierung zusammen mit den Ländern ein Milliardenprogramm für mehr günstige Wohnungen auf den Weg. Zuvor hatte man jahrelang zugeschaut, wie die Sozialwohnungen immer weniger wurden. Das rächt sich jetzt. Trotzdem ist der Staat nicht machtlos. Die Menschen müssen jetzt verteilt werden, auf einzelne Städte und Gemeinden. Es gibt noch zahlreiche Kommunen abseits der Großstädte, in denen Wohnungen leer stehen. Sie brauchen Neubürger, um ganze Viertel aus der Abwärtsspirale von Abwanderung, schließenden Läden und Zerfall zu retten. Dort können Flüchtlinge einziehen. Allerdings sollten die Gemeinden mehr anbieten als eine freie Wohnung, gerade die Familien brauchen auch Plätze an Kitas und Schulen, Sprachkurse und letztlich Arbeit. Jetzt ist die Zeit für solche Gemeinden, um die Neuankömmlinge zu werben. In vielen Großstädten ist die Lage anders, hier müssen günstige Wohnungen entstehen, auch wenn sie erst in ein paar Jahren Abhilfe schaffen werden. Jedes Jahr 400 000 neue Wohnungen, das hat sich die Ampel ohnehin vorgenommen. Gut möglich, dass selbst das nicht reichen wird.