Monday, February 5, 2024
Rhetorik-Analyse von Michael Ehlers - Habeck hat seinen Stil nicht geändert - das ist Gift für ihn und das Land
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Rhetorik-Analyse von Michael Ehlers - Habeck hat seinen Stil nicht geändert - das ist Gift für ihn und das Land
Von FOCUS-online-Experte Michael Ehlers • 2 Std.
Robert Habeck schlägt ein "Wirtschaftschancengesetz mal 10" vor.
Robert Habeck war am Sonntag in der Talkshow „Caren Miosga“ zu Gast. Dass er die eigenen Entscheidungen hinterfragte, kam vor Monaten noch gut an. Jetzt ist die Lage eine andere. Das Land steckt im Krisenmodus. Und die Bürger wollen klare Ansagen.
Robert Habeck, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz der Bundesrepublik Deutschland, war am Sonntag bei „Caren Miosga“ zu Gast. Die Gelegenheit, um zu erklären, was er warum tut, mit welcher Strategie er dieses Land zurück auf die Erfolgsspur führen will. Doch so richtig zuversichtlich wirkte er dabei nicht. Müde, ohne Energie, schnell in der Defensive. Er wirkte angeschlagen und angezählt.
Dabei hat er seinen Kommunikationsstil nicht geändert. Und das ist das Problem: Was inzwischen zaudernd und zögerlich daherkommt, galt noch vor wenigen Monaten als authentisch und ehrlich und als neuer Kommunikationsstil.
Führen durch Moderation und dabei durchaus das eigene Handeln hinterfragend, das war, was ihn für viele Menschen, auch aus dem liberalen und konservativen Lager, auszeichnete und sympathisch machte.
Jetzt ist das Land im Krisenmodus
Dabei immer getragen von seiner politischen Überzeugung, die nicht jeder geteilt hat. In den internen Abstimmungsrunden der Politik ist dieser Stil richtig und konsensfördernd. Aber als Wirtschaftsminister sendet er mit diesem Kommunikationsstil in Sendungen wie „Caren Miosga“ damit ein nahezu jämmerliches Signal.
Im ARD-Talk bei Caren Miosga - Und dann sagt ein zerknirschter Habeck: „Weiß nicht, ob das Land das aushält“
Den Bürger interessiert nämlich wenig, wie eine Entscheidung zustande kommt. Ihn interessiert, was er von den Entscheidungen hat. Und hier muss Habeck seinen Kommunikationsstil radikal ändern. Sich dem Kontext anpassen.
Jetzt ist das Land im Krisenmodus. Die Wirtschaft stagniert und die Menschen – ob als Bürger oder Unternehmer – sind verunsichert. Habeck weiß, dass es neue Impulse braucht. Und er weiß auch, dass es „nicht funktionieren [wird], wenn alle glauben, der Parteitag ist wichtiger als das Land“.
Was er damit sagen will, ist, dass jede demokratische politische Gruppierung ihren Teil zum Gelingen beitragen muss. Schön. Aber das muss zunächst intern zwischen den Fraktionen geklärt werden.
Da ist es nicht förderlich, wenn er selbst mit vorschnellen und nicht abgestimmten Vorschlägen um die Ecke kommt, die der Koalitionspartner auseinandernimmt. Schließlich wäre es im nächsten Schritt seine Aufgabe, diese Politik zu erklären. So ist alles, was er vermittelt, Unsicherheit. Sätze wie: „Ich weiß nicht, ob das Land das aushält“ oder „Ich kann Ihnen auch nicht sagen, ob das erfolgreich ausgeht“, sind in der aktuellen Lage Gift.
Bürger erleben schlechte Schulen, schlechte Straßen, unpünktliche Eisenbahnen
Dabei hat er die Veränderung des politischen Marktes nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges begriffen und beschreibt sie auch präzise. Aber handelt er persönlich auch entsprechend? Nein. Er hat nach wie vor seine Rolle als führungsstarker Kommunikator nicht gefunden.
Ich bin mir sicher, ohne Russlands Angriffskrieg wäre er mit diesem moderierenden Stil und seinem „neuen Politikstil“ gut durch- und angekommen. Aber der Politik muss es gerade in der Krise gelingen, konsistent und aus dem Blickwinkel des einzelnen Bürgers heraus zu argumentieren.
Denn der fragt trotz allen guten Willens am Ende: „Wo soll die Reise hingehen und was habt ihr mit uns vor?“ Aktuell sehen die Bürger eben nicht, wo die Reise hingehen soll, sondern sie sehen, dass sie einen Haufen Steuern zahlen und trotzdem nichts wirklich vorangeht. Von einem Politiker erwarten wir, dass er den Alltag der Menschen in diesem Land versteht.
Die Bürger erleben schlechte Schulen, schlechte Straßen, unpünktliche Eisenbahnen und fühlen sich ideologisch gegängelt. Unternehmer erleben ein Bürokratiemonster, das sie auffrisst. Familienunternehmen haben keine Lust (und irgendwann keine Ressourcen mehr), in dieses Land zu investieren.
Aus rhetorischer Sicht muss Habeck stärker und klarer führen
Das ist das Gift der Unsicherheit. Die Konzerne schauen sich derweil nach besseren Bedingungen um oder – siehe Intel – fordern Milliardensubventionen aus dem Steuersäckel. Und bekommen sie. Das ist das Gift der Inkonsistenz.
Klarer Fall: Aus rhetorischer Sicht muss Habeck stärker und klarer führen und endlich die Fähigkeit entwickeln, diesen Führungsanspruch mit klaren Aussagen kommunikativ spürbar zu machen. Politik ist Debatte und in verantwortlicher Position viel Moderation.
Diese Moderationsstärke muss er intern beweisen. Vielleicht ganz besonders im Aufeinandertreffen mit Christian Lindner. Nur nach außen brauchen die Leute Sicherheit und Klarheit.
Die Leute wollen hören: „Wir tun jetzt dies und erwarten das, weil…“ Diese Chance hat Habeck am Sonntag vertan und deshalb wirkte er so schwach. Er blieb in der Rolle des Moderators, dem seine Truppe aber mal wieder entglitten ist.