Monday, February 10, 2025
Wie Trump und Musk die US-Presse mit Lügen ersticken: Der Staat wird geflutet
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Wie Trump und Musk die US-Presse mit Lügen ersticken: Der Staat wird geflutet
Nina Rehfeld • 2 Std. • 4 Minuten Lesezeit
„Flood the zone“, umschrieb der damalige Trump-Berater Steve Bannon während dessen erster Amtszeit seine Strategie, die Presse und die Gesellschaft außer Gefecht zu setzen – mit einem überwältigenden Volumen an Informationen, das es unmöglich macht, eine kohärente Opposition zu formulieren (wenn auch, wie das Nachrichtenportal „Vox“ bemerkt, Wladimir Putin derjenige ist, der solches Informations-Schneetreiben schon viel länger nutzt).
Demonstranten gegen Donald Trump und Elon Musk in Raleigh, North Carolina.
Lügen im Dauerstrom
Lügen nonstop und im Dauerstrom sind, dem Motto Bannons folgend, denn auch das Kommunikationsmittel der US-Regierung unter Trump. Was früher eine Regierungspressekonferenz war, mutiert mit Trumps Sprecherin Karoline Leavitt zum Fake-News-Feuerwerk. Angefangen hatte es mit dem Spruch, man habe 50 Millionen Dollar für Kondome in Gaza gestoppt. Dass die Summe aus der Luft gegriffen ist, hat die „Washington Post“ minutiös dargestellt: Die USA unterstützen im Rahmen der internationalen Entwicklungshilfe auch Gesundheitsfürsorge und Aids-Prävention. Auf 50 Millionen Dollar beläuft sich, wie die „WaPo“ schreibt, ein vom Außenministerium auf fünf Jahre angelegtes Gesundheitsprogramm in Gaza, dessen Auftragnehmer angibt, Kondome würden nicht geliefert. Aber 50 Millionen Dollar für Kondome klingt einfach zu gut, als dass Trumps Fakepropaganda daran vorbeigehen könnte.
Mit der vermeintlichen „Subventionierung“ des zum Springer-Verlag gehörenden Portals „Politico“ mit mehr als acht Milliarden Dollar ging es weiter. In Wahrheit geht es um alle Medien-Abonnements, die Mitarbeiter der US-Regierung in den vergangenen Jahren abgeschlossen haben, im Fall von „Politico“ und Mitarbeitern der von Trumps Abräumern bedrängten Behörde USAID geht es um 44.000 Dollar in zwei Jahren.
„Retro-Futurismus“ und „Mar-a-Gaza“
Das sind nur zwei von unzähligen Beispielen amtlicher Lüge. Die „Columbia Journalism Review“ spricht von einer „kaum zu verarbeitenden Sturzflut von Nachrichten, die von Präsident Trump und Schattenpräsident Elon Musk produziert werden“. „Es gibt so viele Nachrichten, dass wir dem Ganzen eigentlich nicht gerecht werden können“, schreibt das Portal „Free Press“. Um nur einiges aufzuzählen: das (zurzeit ausgesetzte) Tiktok-Verbot; das rigorose Niederreißen von Inklusions- und Chancengleichheitsinitiativen; der „Retro-Futurismus“ (so die „New York Times“) von Trumps Kolonial-Phantasien über Grönland, Panama und Kanada; die Razzien der Immigrationsbehörde ICE, der auch Staatsbürger, Bleibeberechtigte und indigene Menschen zum Opfer fallen; der (ebenfalls gleich wieder ausgesetzte) Handelskrieg mit Mexiko und Kanada; Pläne für ein „Mar-a-Gaza“, wie „Free Press“ Trumps Vision einer amerikanischen Übernahme des Gazastreifens nennt; die Demontage vermeintlich „woker“ Institutionen wie der Gesundheitsbehörden CDC und NIH und der angesprochenen Entwicklungshilfeagentur USAID und des Bildungsministeriums durch den von Trump beauftragten Verschwörungstheoretiker, Bürokratieverächter und reichsten Mann der Welt, Elon Musk.
Auf ihn, den Schattenpräsidenten, der im Nebel der Lügen in Trumps Auftrag zuschlägt, richten die kritischen US-Medien ihr Augenmerk; auf ihn und sein per Trump-Erlass erschaffenes „Department of Government Efficiency“ (DOGE), in dessen Auftrag sich ein paar blutjunge Ingenieure und Computerspezialisten Zugang zu den Rechnern der amerikanischen Bundesregierung, unter anderem des Finanzministeriums, verschaffen. Musk versprach „Transparenz“. Doch von der kann bei den Überfällen keine Rede sein. Journalisten haben ans Licht gebracht, wie Musk und seine Leute vorgehen.
„Normalisiert Hass gegen Inder“
Wie Jonathan Swan in der „New York Times“ berichtet, bahnten sie sich mit Drohungen und Einschüchterungen den Weg in die Computer von Bundesbehörden. Sie enterten die Büros der Angestellten, fragten diese verhörmäßig aus und weigerten sich zum Teil, ihre eigenen Namen anzugeben. Das Tech-Magazin „Wired“ hat sechs junge Männer im Alter zwischen 19 und 24 Jahren identifiziert: Sie arbeiten in Musks Firmen. Einer von ihnen, ein Ingenieur namens Marko Elez, hatte, wie das „Wall Street Journal“ herausfand, auf Musks X rassistische Posts abgesetzt. Das stand zum Beispiel: „Normalisiert den Hass gegen Inder“, oder: „Mich könnte man nicht bezahlen, außerhalb meiner eigenen Ethnie zu heiraten.“
Elez zog sich, nachdem seine Einlassungen bekannt geworden waren, aus Musks Team zurück. Auf dessen Betreiben hin (Musk veranstaltete eine Abstimmung auf X, die zu Elez’ Gunsten ausfiel) und nach einer Intervention des Vizepräsidenten J. D. Vance kehrte Elez aber gleich wieder zurück. „Dumme Kommentare in sozialen Netzwerken sollten das Leben eines jungen Mannes nicht ruinieren“, hatte Vance gesagt, dessen Ehefrau Usha Tochter indischer Immigranten ist. Das Magazin „Slate“ berichtet unterdessen, dass der in Berlin ansässige Datenanalytiker Travis Brown weitere Verbindungen von Musks DOGE-Stoßtrupp zu rechtsextremen Zirkeln auf X ausgemacht hat, in denen es um die Ausweisung „nicht weißer Europäer“ und eine angebliche „zionistische Welt-Dominanz“ geht.
Zahlreiche Publikationen weisen darauf hin, dass viele von Musks Aktivitäten, darunter die Demontage von USAID, illegal und verfassungswidrig sind. Vox zählt eine ganze Reihe solcher Rechtsbrüche auf. Die „Washington Post“ bemerkt unter Verweis auf Experten, dass Musk und seine Leute „außerhalb der Amtsregeln und verfassungsgemäßer Kontrollen“ agieren. Der Verachtung des Verfassungsrechts müsse Einhalt geboten werden, bevor es zu spät ist, befindet die „New York Times“ in einem Leitartikel der Redaktion, der zum Widerstand gegen den Durchmarsch von Trump und Musk aufruft: „Lassen Sie sich nicht ablenken. Lassen Sie sich nicht überwältigen. Lassen Sie sich nicht lähmen und in das Chaos hineinziehen.“ Das Blatt beklagt die „verstörende Stille, sogar Fügsamkeit“, die sich in der Zivilgesellschaft zeige, „von der Wirtschaft über die Universitäten bis hin zu Teilen der Medienkonzerne“. Die Handlungen des Präsidenten müssten verfolgt und, wenn sie „moralische oder legale Grenzen überschreiten, in aller Deutlichkeit infrage gestellt“ werden.
Aber „Flooding the Zone“ kommt auch hier zur Wirkung. Derart viele der DOGE-Eingriffe seien „so unbändig illegal“, sagt der Jura-Professor David Super von der Georgetown University in der „Washington Post“, dass die Annahme von Musk und Trump naheliege, „das System könne auf all diese geballte Rechtswidrigkeit nicht reagieren“. All dies habe indes nur Erfolg, meint der „New York Times“-Kommentator Ezra Klein, wenn die mit dem Lügengetöse des „Flood the Zone“ erzeugte Illusion der Stärke für bare Münze genommen werde. Trump verhalte sich wie ein König, weil er zu schwach sei, als Präsident zu regieren. „Die eigentliche Gefahr ist“, so Klein, „dass er uns glauben macht, er habe Macht, die ihm nicht gegeben ist.“