Wednesday, March 16, 2022

Russland: Zahltag in Moskau – Investoren warten auf Zinszahlungen

Handelsblatt Russland: Zahltag in Moskau – Investoren warten auf Zinszahlungen Cünnen, Andrea - Vor 6 Std. Am Mittwoch muss Russland Zinsen über 117 Millionen Dollar auf zwei Anleihen bezahlen. Noch ist nichts bei Investoren angekommen. Ein Zahlungsausfall ist wahrscheinlich. Russland droht sie Staatspleite Es geht nur um eine verhältnismäßig kleine Summe, doch sie ist entscheidend für Russlands Schicksal am Kapitalmarkt: Am Mittwoch sind Zinsen auf zwei russische Dollar-Staatsanleihen fällig. Das Volumen liegt bei 117 Millionen Dollar. Theoretisch hat Russland auch genug Geld – doch noch ist nicht zu hören, dass bei Investoren etwas angekommen ist. Dabei ist es sehr wahrscheinlich, dass Russland die Zinsen nicht ordnungsgemäß bezahlt. Wenn überhaupt, sind Zahlungen in der heimischen Währung Rubel zu erwarten, denn Russland kommt kaum ran an seine Devisenreserven. Eine Zahlung in Rubel würde einem technischen Zahlungsausfall gleichkommen, erklärte die Ratingagentur Fitch am späten Dienstag. Allerdings hat Russland danach noch 30 Tage Zeit, die Zahlung ordnungsgemäß in Dollar nachzuholen, bevor es zum offiziellen sogenannten „Default“ kommt. Die Ratingagenturen S&P Global und Moody’s haben sich ähnlich geäußert. Für die Investoren geht das Zittern also weiter. Jim Reid, Kreditstratege bei der Deutschen Bank, meint: „30 Tage sind immer noch Zeit, um ein Ende des Kriegs auszuhandeln". Von daher zeige sich an den Märkten noch nicht unmittelbar, welche Verwerfungen ein Zahlungsausfall nach sich ziehen werde. Der Zeitraum von 30 Tagen ist auch deshalb so spannend, weil die Bonitätswächter sich in der Folge nicht mehr zu Russland äußern dürfen. Die EU-Kommission hat den führenden Ratingagenturen am Dienstag untersagt, die Kreditwürdigkeit Russlands oder russischer Unternehmen zu bewerten. Russische Ratings nur noch bis 15. April Nach Angabe der europäischen Wertpapieraufsicht Esma auf Anfrage des Handelsblatts gilt dieses Verbot ab dem 15. April. Die großen Ratingagenturen S&P Global, Moody’s und Fitch Ratings haben zwar ihren Hauptsitz in den USA, fallen aber auch unter die europäische Regulierung, weil sie alle Töchter in Europa haben. Laut Esma betreffen die von der EU verhängten Sanktionen alle bei der Esma registrierten Agenturen und auch die in Drittländern abgegebenen Ratings, die in der EU von den Töchtern übernommen werden. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine haben alle Ratingagenturen Russlands Bonität auf Noten ganz knapp vor einem Zahlungsausfall herabgestuft. Auch die Anleihen des Landes spiegeln einen Default wider. Sie kosten nur noch um die 20 Prozent ihres eigentlichen Nominalwerts von 100 Prozent. Die Märkte nehmen damit eine Pleite Russlands quasi vorweg. Es wäre der erste Zahlungsausfall des Landes seit 1998, damals ging es um Inlandsschulden. Zahlungen in Dollar sind quasi unmöglich Investoren rechnen seit Beginn der Invasion immer stärker damit, dass sie ihr in russischen Zinspapieren angelegtes Geld abschreiben müssen. Der Grund: Die Sanktionen und russische Gegensanktionen machen die Zahlung quasi unmöglich. Die russische Zentralbank hat Devisenreserven im Umfang von 640 Milliarden Dollar, doch westliche und viele asiatische Staaten haben etwa die Hälfte davon eingefroren. Zudem sind viele russische Banken vom Zahlungssystem Swift ausgeschlossen, können also gar kein Geld überweisen. Russlands Staatschef Wladimir Putin hat bereits Anfang des Monats einen Erlass unterzeichnet, wonach Gläubiger aus Ländern, die Russland vermeintlich feindlich gesinnt sind, nur in Rubel ausgezahlt werden. Gemeint sind damit alle Staaten, die Sanktionen gegen Russland verhängt haben. Auch Finanzminister Anton Siluanow hat mehrfach erklärt, das Land werde seine Schulden in Rubel begleichen. „Die Fähigkeit oder Unfähigkeit, unsere Verpflichtungen in Fremdwährungsäquivalent zu erfüllen, hängt nicht von uns ab“, sagte Siluanow am Mittwoch mit Blick auf die Sanktionen. Der Ball liege jetzt vor allem bei den amerikanischen Behörden. Bei einigen russischen Dollar-Staatsanleihen ist es laut Anleihebedingungen zwar möglich, dass die Zinsen in Rubel gezahlt werden. Bei den Bonds, deren Zinsen am Mittwoch fällig wurden, ist das aber nicht der Fall. Außerdem ist der Wert des Rubels zuletzt eingebrochen, die Währung somit nicht mehr konvertierbar. Auch das könnte nach Meinung von S&P Global als Zahlungsausfall interpretiert werden. Gesamtumfang liegt bei 150 Milliarden Dollar Wenn ein Zahlungsausfall einmal festgestellt wird, betrifft er alle Schulden eines Landes und der Unternehmen, die in staatlicher Hand sind. Es geht um Anleihen im Gesamtumfang von 150 Milliarden Dollar. Russland hat laut Daten des Informationsdienstes Bloomberg auf fremde Währungen lautende Staatsanleihen über insgesamt knapp 40 Milliarden Dollar ausstehen. Dazu kommen Anleihen von Gazprom, Sberbank, Lukoil, Severstal und anderen staatlichen Unternehmen über zusammen 90 Milliarden Dollar. Das klingt zunächst nach viel. Doch am Kapitalmarkt spielt Russland schon länger keine große Rolle mehr. Im vielbeachteten Schwellenländer-Index von JP Morgan haben russische Staatsanleihen einen Anteil von nur 0,7 Prozent. Im Index für Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern sind es 1,8 Prozent. Experten erwarten nicht, dass sich aus Russlands wahrscheinlichem Zahlungsausfall eine systemische Finanzkrise entwickelt. Als „nicht systemrelevant“ bezeichnet Kristalina Georgieva, Direktorin des Internationalen Währungsfonds, das Engagement der weltweiten Banken in Russland. Mit Blick auf die europäischen Banken betonte EZB-Chefbankenaufseher Andrea Enria, dass das Engagement „managebar“ sei. Das liege auch an den „soliden Kapitalpositionen“ der Banken. Nikolaos Panigirtzoglou, Stratege bei der US-Bank JP Morgan, betont, dass sich ausländische Investoren und Banken aus Russland bereits seit Russlands Überfall auf die Krim im Jahr 2014 zurückgezogen haben. Fondshäuser wie Blackrock oder Pimco haben zwar Milliarden in Russland investiert – angesichts des viele Billionen schweren Anlagevermögens fällt das aber kaum ins Gewicht.