Friday, August 30, 2024
Solingen, Steuerlast und Bürgergeld: Hubert Aiwanger wettert in Obergünzburg gegen die Ampel
Kreisbote
Solingen, Steuerlast und Bürgergeld: Hubert Aiwanger wettert in Obergünzburg gegen die Ampel
Artikel von Michael Dürr • 4 Std. • 5 Minuten Lesezeit
Lockeres Heimspiel für den FW-Chef
Beim 100. Freischießen in Obergünzburg war am Donnerstagabend Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zu Gast.
Obergünzburg - Schon nach wenigen Augenblicken im gut gefüllten Obergünzburger Festzelt ist klar: Hubert Aiwanger hat hier ein lockeres Heimspiel. Jubelnde Besucher auf den Bänken, der Freie Wähler-Chef strahlt, schüttelt Hände, genießt beim Marsch durchs Zelt das Bad in der Menge sichtlich. Dass er sich mit seinen Parteifreunden Susen Knabner (Kreisvorsitzende der Freien Wähler), MdL Bernhard Pohl und Obergünzburgs Freie-Wähler-Chef und zweiter Bürgermeister Florian Ullinger sowie mit Obergünzburgs Bürgermeister Lars Leveringhaus (CSU) bestens versteht, ist schon bei der Begrüßung vor dem Zelt augenscheinlich. Also kann’s losgehen!
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Nach Musikstücken des Obergünzburger Blasorchesters, nach einleitenden Worten von Susen Knabner, Florian Ullinger und Lars Leveringhaus legt der bayerische Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident am Polit-Abend der Freischießen-Woche los, und er geht vom Start weg in die Vollen. Das Land in Ordnung bringen, Deutschland wieder „vom Kopf auf die Füße stellen“, das ist seine Mission, die er an diesem Abend unters Volk bringen will.
An Beispielen, was seiner Meinung nach alles schief läuft in Deutschland (oder „Deutschlond“, wie der Niederbayer auf gut niederbayerisch sagt), mangelt es dem Minister nicht. In rasendem Tempo, ohne Manuskript in freier Rede, galoppiert er quer durch etliche Politik-Felder und wieder zurück. Bernhard Pohl wird später von einer „fulminanten Rede“ sprechen, die „einen Sonderapplaus“ verdiene.
Es gehe vor allem darum, die Menschen, „die in der Früh aufstehen, ihre Kinder zur Schule bringen und dann zur Arbeit gehen“, wieder in den Mittelpunkt zu rücken, sagt Aiwanger: „Wir reden von den Fleißigen und nicht von den Taugenichtsen!“ In diesem Zusammenhang lobt Aiwanger die Bauernproteste vom Jahresbeginn. Die hätten Erfolg gehabt und unter anderem dazu geführt, dass die ausnahmslose Schleppschlauch-Vorschrift ab 2025 vom Tisch sei und „unsere Bauern auch in Zukunft die Landschaft pflegen und bedarfsgerecht düngen dürfen“.
Dann aber holt Aiwanger aus. Es sei ein kapitaler Denkfehler der Berliner Ampel zu glauben, die Leute würden schon von sich aus arbeiten, schimpft er. Wenn es finanziell nämlich keinen Unterschied mehr mache, ob jemand arbeitet oder nicht, „dann sagen sich halt Hunderttausende, dass sich arbeiten doch gar nicht mehr lohnt“. Der Freie Wähler-Chef nimmt damit das Bürgergeld ins Visier, das ihm ein gewaltiger Dorn im Auge ist. Immer wieder kommt er darauf zurück, ziemlich egal, auf welchem Politik-Feld er sich gerade abgearbeitet hat. „Fürs Bürgergeld, für illegale Asylbewerber werden Millionen ausgegeben“, wettert Aiwanger, mithin Geld, das anderswo fehle. Es müssten deshalb „rote Linien für die Regierungspolitiker in Berlin eingezogen werden“, ruft er unter dem Jubel im Zelt, „wir brauchen rote Linien gegen diese Ampel-Politik!“
Was in Deutschland schiefläuft
Es sind in den Augen des Wirtschaftsministers drei zentrale Dinge, die falsch justiert sind im Land: Da ist die Steuerlast, die viel zu hoch sei. „Schon die Pflegedienstleiterin marschiert Richtung Höchst-Steuersatz“, schimpft Aiwanger, „auch Rentner müssen 2.000 Euro im Monat steuerfrei hinzuverdienen dürfen, dann wäre das Facharbeiterproblem gelöst!“ Häuser und damit Wohnungen würden außerdem dann gebaut werden, wenn die Erbschaftssteuer wegfalle; es gelte „das Eigentum zu schützen“. Die Unternehmenssteuern müssten auf maximal 25 Prozent gesenkt werden, um die Abwanderungswelle von Betrieben ins Ausland zu stoppen.
Da sei - Punkt zwei - die Bürokratie, die „mittlerweile einen Sargnagel für den Mittelstand“ darstelle. „Wir haben aus Brüssel und Berlin erdrückende Regelungen und damit Bürokratie zum Sau füttern“, erbost sich Aiwanger; es gelte, „wieder Luft ins System zu bringen und diesen Krimskrams abzuwickeln“. Es brauche beispielsweise keinen Leiterbeauftragten im Betrieb, der den ordnungsgemäßen Zustand der Leitern überprüfe, „sondern Leute mit gesundem Menschenverstand“. Der Vize-Ministerpräsident: „Wer keinen Nagel in ein Brett hauen kann, soll auch kein Abitur bekommen!“
Und ausdrücklich mit Zielrichtung der Grünen-Politiker Annalena Baerbock und Robert Habeck schießt er nach: „Wer keine Schaufel in die Hand nehmen kann, soll auch kein Politiker werden dürfen!“ Der Jubel im Zelt ist bei Thesen wie diesen riesig.
„Vier von fünf Kliniken schreiben rote Zahlen“
Gleiches gilt, wenn er sich die Berliner Ampel - Punkt drei seiner Agenda - generell vorknöpft. Gesundheitsminister Lauterbach etwa kümmere sich lieber um die Cannabis-Legalisierung als um die Krankenhäuser im Land. „Vier von fünf Kliniken schreiben rote Zahlen, weil der Bund seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt,“ poltert Aiwanger, „aber fürs Bürgergeld ist Geld da.“ Es sei eine „Massenschließung von Apotheken“ im Gang, Ärzte liefen außerdem „in Scharen davon“. So wie 200.000 gut qualifizierte junge Deutsche, die Jahr für Jahr ihrem Land den Rücken kehrten. Wobei die Ampel meine, diese Lücke mit Menschen schließen zu können, „die weder schreiben noch lesen“ könnten. „Wir sind wirtschaftlich inzwischen die Bremsklötze Europas“, klagt Aiwanger, „selbst Italien und Spanien als die früheren kranken Länder überholen uns derzeit und haben mittlerweile einen höheren Lebensstandard.“
Schuld an der von ihm an die Wand gemalten Misere hat in den Augen Aiwangers allein die Berliner Ampel - und da vor allem die Grünen. Schon die Kinder würden von dieser Sorte Politiker „verdeppert“: Der Fuchs sei jetzt ein Veganer, der Möhren frisst und mit dem Hasen am Tisch sitzt, werde ihnen erzählt. Und, dass der Wolf in Wahrheit gar kein gefährliches Tier sei und nicht bejagt werden dürfe. In Wahrheit sei das Gegenteil richtig. Deutschland habe „die höchste Wolfsdichte weltweit, wir müssen den Wolf beschießen“. Aiwanger: „Wenn die Wölfe im Wald bleiben, passt’s, wenn sie rauskommen und Kühe reißen, muss es krachen!“ Es gelte beispielsweise auch, den Kindern das Handwerk wieder näher zu bringen, anstatt mit ihnen zu überlegen, welchem Geschlecht sie zugehörig sein wollten.
Aiwanger zur Messerattacke in Solingen
Es sind diverse Themenfelder mehr, die Aiwanger im Verlauf seiner rund 80-minütigen Rede streift. Die Messerattacke in Solingen etwa, wo es gelte „die Täter zu benennen und nicht, über zulässige Klingenlängen von Messern zu diskutieren“. Der Vize-Ministerpräsident: „Wer in Deutschland kriminell wird und nicht hier verwurzelt ist, muss ins Flugzeug!“ Man müsse radikale Islamisten stoppen und deren Vereine verbieten, außerdem zum Beispiel Syrer abschieben, die „seit Jahren hier sind, keine Arbeit haben und Ärger machen“.
Immerhin sei „der Großteil Syriens kein Kriegsgebiet mehr“. Aiwanger: „Deshalb muss es auch mal gut sein, wir können nicht alle aufnehmen.“ Mit rechts oder Ausländerfeindlichkeit habe diese Haltung „nichts zu tun“. Es gelte, generell entschlossener gegen Kriminalität vorzugehen. Dass nach leichten Messerverletzungen nur die Personalien des Angreifers aufgenommen würden „Täter nach einer Vergewaltigung sofort wieder auf freien Fuß gesetzt werden“ und sich vor allem Frauen in diversen Gegenden nachts nicht mehr auf die Straße trauten, dürfe schlicht nicht sein.
Gegen Ende seiner Rede findet Aiwanger aber doch noch tröstende Worte. In Bayern und speziell auf dem Land sei „die Welt doch noch in Ordnung“, hier lebten die Menschen, die den Laden noch am Laufen hielten. Hubert Aiwanger: „Gott beschütze Obergünzburg!“