Wednesday, February 7, 2024
Kristina Schröder: „Werde auf keine Veranstaltung gehen, wo gegen ‚rechts‘ demonstriert wird“
Merkur
Kristina Schröder: „Werde auf keine Veranstaltung gehen, wo gegen ‚rechts‘ demonstriert wird“
Geschichte von Marcus Mäckler • 1 Std.
Ex-Familienministerin im Interview
Die ehemalige Bundesfamilienministerin zu den Demos gegen rechts, die Grenze zwischen rechts und rechtsradikal und zur Rolle der CDU gegenüber der AfD.
München – Parteifreunde, geht mit auf die Demos! – rät Theo Waigel. Aus der CDU kommt Widerspruch. Kristina Schröder, Ex-Bundesfamilienministerin, will nicht an „Demos gegen rechts“ teilnehmen. Im Interview mit unserer Zeitung sagt die 46-Jährige, warum.
Frau Schröder, haben Sie auch schon Ihr Transparent gemalt für die nächste „Demo gegen rechts“?
Die letzte Demo, auf der ich war, hat für Solidarität mit Israel geworben. Ich werde auf keine Veranstaltung gehen, wo gegen „rechts“ demonstriert wird.
Warum?
Weil ich der festen Überzeugung bin, dass dieser Ausdruck „Demo gegen rechts“ keine sprachliche Faulheit, sondern von den Veranstaltern genau so gemeint ist: ein Kampf gegen alles rechts der Mitte. Und ich verorte mich politisch rechts der Mitte.
Kristina Schröder: Nichts rechts, aber „liberal-konservativ“
Sagen Sie klar: „Ich bin rechts“?
Nein, ich bin liberal-konservativ. Aber ich unterstreiche: Menschen, die sich politisch rechts verorten, sollten in der Union ihre Heimat haben.
Auf die Demos kommen bundesweit Millionen, oft aus der Mitte. Wäre es nicht klüger, eine Union machte da mit ihren Führungsleuten mit, prägte die Demos?
Mein Vorwurf richtet sich gegen die Veranstalter, nicht die Teilnehmer. Ich weiß von vielen, die der Union politisch nahestehen: Sie wollten gegen menschenverachtende Inhalte demonstrieren, kamen dann aber irritiert zurück. Auf den Bühnen wurde agitiert gegen die Kontrolle von Migrationspolitik, gegen Kapitalismus als angebliche Vorstufe des Faschismus. Ich glaube, die Union tut gut daran, das Problem dieser Demos zu benennen. Wir sollten nicht aus Angst, in eine Ecke gestellt zu werden, überall mitlaufen und die Klappe halten.
Theo Waigel, jetzt auch kein Polit-Mitläufer, sagt das Gegenteil. „Ich gehe hin. Wir dürfen dieses Thema nicht den Linken überlassen.“ Er irrt?
Seit 20 Jahren, auch in der Zeit als Ministerin, beschäftige ich mit Initiativen „gegen rechts“. Ich bin da sensibel. Es geht zu oft darum, linke Deutungshoheit zu gewinnen, immer enger abzustecken, was innerhalb des politisch legitimen Meinungskorridors liegt. Wir erleben eigentlich seit Monaten etwas Positives: Es kann wieder kritischer über Migrationspolitik gesprochen werden. Selbst der Kanzler hat, wenn auch folgenlos, „Abschiebungen im großen Stil“ angekündigt. Meine Sorge ist: Diese Demos wollen solche Themen wieder re-tabuisieren. Deshalb widerspreche ich hier Theo Waigel. Da gehe ich nicht hin.
Mein Vorwurf richtet sich gegen die Veranstalter, nicht die Teilnehmer
Kristina Schröder zu den landesweiten Demos
Wenn nicht gegen die AfD demonstrieren – wie kriegt man sie dann klein?
Indem wir die Themen aufgreifen, die der AfD den Zulauf verschafft haben. Ich schätze, ein Drittel der AfD-Wähler ist eindeutig rechtsextrem positioniert, die werden wir nur schwer erreichen. Ein weiteres Drittel wählt die AfD aus Protest. Und noch ein Drittel verlangt, dass die etablierten Parteien ihre zentralen Themen regeln: ungesteuerte Migration bis hin zu Verirrungen wie dem Selbstbestimmungsgesetz. Genau da hat die Union enorme Verantwortung, weil sie nun mal die große Partei rechts der Mitte ist. Themen aufgreifen, nicht der AfD nachplappern. Aber auch nicht das delegitimieren lassen, was für uns wichtige Fragen sind.
Wo ziehen Sie die Grenze zwischen rechts und rechtsradikal?
(denkt lange nach) Ich nenne ein Beispiel. Wer sagt, Muslime seien minderwertig, äußert sich rechtsradikal. Wenn ich aber auf Basis von empirischen Studien warne, dass wir bei jungen muslimischen Männern eine höhere Neigung zu Gewalt nachweisen können, und frage, wie wir dem begegnen können, führe ich eine wichtige Debatte. Radikalität ist nicht so sehr eine Frage der Themen, sondern des Tonfalls und der Differenzierung.
Zur Person: Kristina Schröder
Sie kam als Überraschung auf die große Bühne der Politik. Ende 2009 wurde Kristina Schröder, eine bundesweit wenig bekannte Abgeordnete aus Hessen, im Alter von 32 Jahren Bundesfamilienministerin im Kabinett Merkel. Sie blieb bis 2013, zog sich dann aus dem Kabinett zurück, um mehr Zeit für ihre Tochter zu haben. Heute ist sie nicht mehr im Bundestag. „Wer früh angefangen hat, muss auch früh wieder aufhören“, sagt sie. Schröder führt heute ein Consulting-Agentur und engagiert sich politisch in der Denkfabrik „Republik 21“, die eine Ideenschmiede für bürgerliche Politik sein will. Schröder lebt mit ihrem Mann und inzwischen drei Töchtern in Wiesbaden. (cd)
Ist rechts von der Union die Wand? Oder ist da noch Platz?
Es ist im Moment noch Platz, wenn auch zum Glück weniger als vor ein paar Jahren. Die Union muss nicht nach rechts rücken. Aber ich würde mir eine Union mit starken Flügeln wünschen – so wie früher mit ihrer ganzen Breite zwischen Norbert Blüm und Alfred Dregger.
Noch ein politischer Exkurs: Werden wir im Herbst bei den Landtagswahlen im Osten erleben, dass die Brandmauer zur AfD fällt? Und sehen Sie irgendeine Option dafür, etwas eine Tolerierung?
Nein. Das darf nicht passieren. Das wird nicht passieren. Wir stehen da aber vor großen Herausforderungen. Ich hoffe, dass neue Gründungen wie BSW die AfD noch etwas Zuspruch kosten. Und ich rate uns als CDU, uns nicht mit neuen Unvereinbarkeitsbeschlüssen einzumauern, bis wir komplett handlungsunfähig sind.
Dazu reichen doch schon die bestehenden Beschlüsse. Wenn sich Kretschmer in Sachsen von der Linken tolerieren lassen würde – wäre das ok?
Nein. Zur allergrößten Not muss man auch über Minderheitsregierungen nachdenken, bei der man Mehrheiten von Thema zu Thema sucht.
Interview: Marcus Mäckler und Christian Deutschländer