Saturday, December 2, 2023

Philipp Nawrath im Biathlon: Der Schattenmann, der keiner mehr ist

SZ.de Philipp Nawrath im Biathlon: Der Schattenmann, der keiner mehr ist Artikel von Von Korbinian Eisenberger • 12 Std. Seit 2017 findet sich sein Name in den Ergebnislisten des Weltcups, die Kameras aber waren stets auf andere gerichtet: Philipp Nawrath nach seinem Coup im Sprint von Östersund. Der Biathlet Philipp Nawrath stand noch nie auf einem Weltcup-Podium. Im Alter von 30 gewinnt der Allgäuer in Östersund nun sein erstes Rennen - und setzt einen neuen deutschen Trend fort. Der Schattenmann, der keiner mehr ist Ein Mann in schwarz-rot-gelblich gehaltenem Trikot lief über die rote Linie im Schnee, und auf den Rängen von Östersund ertönte der Siegesjubel. Dieser Mann mit der Startnummer 47, Florent Claude vom Team Belgien, verdeckte in diesem Moment einen zweiten Athleten mit viel schwarz - und auch etwas rot-gold im Rennanzug: Philipp Nawrath, ein Profi-Biathlet des deutschen Teams, der in Claudes Windschatten zum ersten Mal in seinem Leben als Sieger über den Zielstrich eines Weltcup-Rennens lief. Aus Claudes Windschatten - und aus dem Schatten aller anderen. Auch im zweiten Individualrennen der Biathlon-Weltelite stand am Samstagnachmittag ein deutscher Athlet ganz oben. Nach dem 30 Jahre alten Roman Rees, der am vergangenen Wochenende das Einzelrennen über die längere Distanz für sich entschieden hatte, gelang nun dem Allgäuer Nawrath, ebenfalls 30, ein praktisch perfektes Sprint-Rennen ohne Fehlschuss und Tadel. "Wahnsinn", erklärte Nawrath. "Es scheint so, dass bei uns beiden erst mal die 30 dastehen muss." Am Ende stand zudem - nach zehn gelaufenen Loipenkilometern sowie zehn Scheibentreffern - nicht nur Nawraths erstes Weltcup-Podium zu Buche, sondern auch sein erster großer Triumph. Philipp Nawrath - seit 2017 findet sich sein Name weitestgehend kontinuierlich in den Start- und Ergebnislisten im obersten Branchenregal der Skijäger. Zweimal wurde der Füssener im Weltcup Vierter, einmal gewann er mit der Staffel Olympia-Gold. Die Kameras aber waren fast immer auf andere gerichtet. Zu ihnen zählte im deutschen Männerteam vergangene Saison vorrangig noch der Ex-Weltmeister Benedikt Doll - mit einem Sieg in Östersund. Ansonsten wussten die DSV-Männer selten restlos zu überzeugen. 16 Siege gingen allein auf das Konto des Norwegers Johannes Thingnes Bö, neben ihm auf dem Podest standen meist dessen Teamkollegen, bisweilen ein Franzose oder Schwede, selten ein Deutscher, und nie ein Nawrath. Siebtes deutsches Biathlon-Podium im siebten Rennen Vor Beginn dieser neuen Saison raunten nicht wenige Beobachter, den deutschen Biathlon-Männern wie -Frauen stünde - nach dem Karriereende der zuletzt einzig konstanten Top-Athletin Denise Herrmann-Wick - die eventuell schwierigste Saison seit jeher bevor. Vor dem letzten Tag von Östersund lautet nun die Bilanz: sieben deutsche Podestplätze in sieben Rennen, davon zwei Siege zweier Männer, denen dies vorher wohl die wenigsten zugetraut hätten. Wie konnte es zu so einer deutschen Ergebnis-Explosion kommen? Nawrath galt bislang als solider Läufer. Dass er aber von allen 101 Startern die zweitschnellste Laufzeit in der Loipe verbucht (nur der Schwede Sebastian Samuelsson war schneller) - gar vor dem Dominator der Vorsaison Bö, ist neu. Eventuell ist die gute Laufleistung der Deutschen generell in diesen Tagen von Östersund nicht nur Resultat von "unserer harten Arbeit im Sommer", wie Nawraths Teamkollege Justus Strelow, diesmal 15., im ZDF erklärte (Johannes Kühn wurde Achter, Benedikt Doll Zehnter). Ganz offensichtlich kommt den DSV-Athleten bis dato die Änderung der Skiwachs-Regel entgegen, wonach das umweltschädliche Fluor nicht mehr aufgetragen werden darf. Die Erklärung lieferte schließlich auch Philipp Nawrath, der sich alsbald bei den DSV-Wachsern bedankte: "Unsere Techniker arbeiten hier jeden Tag teilweise von der Früh um sechs an. Das ist die Basis dafür, dass wir hier solche Erfolge feiern", erklärte Nawrath, der Schattenmann, der nun keiner mehr ist.