Monday, February 28, 2022
Sanktionen: Das tut Putin weh
ZEIT ONLINE
Sanktionen: Das tut Putin weh
Mark Schieritz - Vor 3 Std.
Der Rubel bricht ein, vor russischen Geldautomaten bilden sich Schlangen: Wie die Sanktionen auf Russland und Wladimir Putin wirken und warum sie nicht noch schärfer sind
So langsam verliert man ein wenig den Überblick: Flugverkehr, Großbanken, Devisenreserven, Oligarchengeld, Staatsmedien – die Liste der gegen die russische Regierung ergriffenen Sanktionen wird immer länger. Geopolitisch hat Wladimir Putin damit geschafft, was schon lange niemand mehr geschafft hat: Der Westen tritt vereint und schlagkräftig auf und die Europäische Union lernt die Sprache der Macht. Nun stellt sich die Frage: Bringt das alles auch was?
Was zunächst auffällt: Die Sanktionen sind so konzipiert, dass sie maximalen Schaden in Russland anrichten und minimalen Schaden im Rest der Welt. Deshalb bleiben Zahlungen in Verbindung mit der Lieferung von russischem Öl und Gas weiter erlaubt. Denn die Einschätzung nicht nur im deutschen Kanzleramt lautet: Wenn Russland seine Energielieferungen komplett einstellt, ist das mit erheblichen wirtschaftlichen Schäden in Deutschland und anderen europäischen Ländern verbunden. Das möchte man verhindern. Denn auch so werden die Sanktionen nicht ohne Folgen für westliche Firmen bleiben, die Einbußen im Exportgeschäft mit Russland erleiden werden.
Es geht aber nicht nur um die Energie. Für die Amerikaner war wichtig, die eigene Dominanz an den Weltfinanzmärkten nicht zu gefährden. Denn die Vereinigten Staaten sind auch deshalb so mächtig, weil der Dollar die Weltleitwährung ist und international tätige Banken deshalb auf den Zugang zum amerikanischen Finanzmarkt und seine Zahlungsinfrastrukturen nicht verzichten wollen oder können. Damit das so bleibt, darf gar nicht erst der Eindruck entstehen, dass die derzeitigen Arrangements von den USA und ihren Verbündeten für politische Zwecke missbraucht werden. Dann könnten andere Währungen an die Stelle des Dollar treten oder alternative Zahlungssysteme errichtet werden. Wegen dieser Gefahr schreckten auch die US-Amerikaner vor noch drakonischeren Maßnahmen zurück.
So setzt der Westen nun darauf, dass die Sanktionen auch ohne eine Totalblockade der russischen Wirtschaft den Druck auf Putin erhöhen werden. Das dürfte auch funktionieren.
Importwaren werden in Russland teurer
Der Rubel verliert gegenüber anderen Währungen drastisch an Wert, weil die russische Zentralbank ihn ohne Zugriff auf ihre Devisenreserven nicht mehr so leicht stützen kann. Denn die kann zwar Rubel drucken, aber keine Euro oder Dollar. Und während der Rubel in Russland selbst gesetzliches Zahlungsmittel ist, muss ihn im Ausland niemand akzeptieren. Damit werden Importwaren teurer – wenn sie angesichts des weitgehend blockierten Zahlungsverkehrs überhaupt noch ins Land kommen. Schon am Wochenende bildeten sich Schlangen vor den russischen Geldautomaten. Die europäischen Tochtergesellschaften der Sberbank – Russlands größte Bank – wurden am Wochenende von der Europäischen Zentralbank bereits geschlossen, weil Kunden ihr Geld abgezogen haben.
Klar ist aber auch: Sanktionen können Wladimir Putin nicht zum Rückzug zwingen. Sie können den ökonomischen Preis fortgesetzter Kampfhandlungen aus russischer Sicht in die Höhe treiben. Aber Putin hat offensichtlich am ökonomischen Wohlergehen seines Landes kein Interesse. Sonst hätte er den Einmarsch in die Ukraine nicht befohlen, für den es wirtschaftlich wenig Gründe gibt. Manchmal führen Sanktionen deshalb auch dazu, dass sich die Fronten verhärten – wenn sie in der Bevölkerung des sanktionierten Landes als feindlicher Akt begriffen werden.
Ob das in Russland der Fall sein wird, ist aber fraglich. Obwohl Putin die Medien kontrolliert, scheint die Begeisterung für den Einmarsch nicht allzu groß zu sein. Deshalb ist es wohl eher unwahrscheinlich, dass sich die Wut der Russen auf einmal gegen Olaf Scholz oder Joe Biden wendet. Für Putin ist das keine schöne Lage, zumal nun auch die Militärlieferungen in die Ukraine ausgeweitet werden. Es könnte der Anfang vom Ende seiner Regentschaft sein. Hoffentlich dreht er nicht durch, bevor er die Weltbühne verlässt.