Monday, February 28, 2022
Krieg gegen die Ukraine: Der Krieg endet erst, wenn Putin am Ende ist
Trümmer nach einem Luftangriff auf eine Militärbasis im ukrainischen Okhtyrka im Nordosten des Landes, 28. Februar
ZEIT ONLINE
Krieg gegen die Ukraine: Der Krieg endet erst, wenn Putin am Ende ist
Carsten Luther - Vor 58 Min.
Die Gespräche zwischen Russland und der Ukraine zeigen: Wladimir Putin ist nicht bereit, nachzugeben. Die Angriffe werden mit gnadenloser Brutalität fortgesetzt.
Wie verhandelt man mit einem gewissenlosen und in jeder Hinsicht überführten Aggressor, der sich mit dem Verweis auf seine nukleare Bewaffnung gegen Eingriffe von außen abschirmt? Während an der ukrainisch-belarussischen Grenze erstmals wieder Delegationen Russlands und der Ukraine direkt zusammentrafen, bestätigte der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu die erhöhte Alarmbereitschaft des ultimativen Abschreckungspotenzials seines Landes, wie am Sonntag angekündigt. Und die russischen Angriffe auf ukrainische Städte lieferten Bilder, die keinen Zweifel daran lassen, dass dieser gnadenlose Krieg nicht nur auf die Ukraine als Staat zielt, sondern auch auf die Menschen dort. Die Waffen schwiegen nicht, als in der belarussischen Region Gomel am langen Tisch gesprochen wurde, und sie werden auch jetzt nicht verstummen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte wenig Hoffnung in die Verhandlungen gelegt. Wie sollte er auch? Er weiß, dass sie aus Sicht von Wladimir Putin auf die Kapitulation zielten, nicht darauf, einen Ausweg zu finden. Und was hätte er ihm anbieten sollen? Seinen Rücktritt? Die Anerkennung der bisherigen Gebietsverluste? Oder nur die Krim als symbolisches Häppchen für das russische Imperium? Eine Waffenruhe womöglich? Das zumindest ist jeden Versuch wert, ohne russischen Abzug aber keine Beruhigung und auch sicher nicht in Putins Interesse. Dem läuft Stunde um Stunde die Zeit davon, davon zeugt auch der Fingerzeig auf das eigene Nukleararsenal.
Wenn er geglaubt hat, die Ukraine mit einem schnellen Schlag einnehmen und Selenskyj ausschalten zu können, dann weiß er es jetzt besser. Wenn er geglaubt hat, die freie Welt würde ihm schon nicht allzu hart zusetzen, dann weiß er es jetzt besser. Und wenn er weiter glaubt, es gäbe in der Ukraine etwas für ihn zu gewinnen, hat er es wahrhaftig nicht begriffen.
Putin allerdings, nach einem Telefonat mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, formulierte seine Forderungen für ein Ende der russischen Invasion in der Ukraine einmal mehr so: Anerkennung der Annexion der Krim als russisch, Entmilitarisierung und "Entnazifizierung" des ukrainischen Staates und dessen "Neutralität". Vom Kreml hieß es nach dem Gespräch, Putin habe betont, dass eine solche Einigung nur möglich sei, "wenn die legitimen Sicherheitsinteressen Russlands bedingungslos berücksichtigt würden". Das zielt noch immer auf die Vernichtung des ukrainischen Staates. Neutralität bedeutet für Putin neutralisieren, mit allen Mitteln. Bedingungslos! Um es mit den Worten des ukrainischen Delegationsmitglieds Mychailo Podoljak so treffend wie zurückhaltend zu sagen: "Die russische Seite hat leider immer noch eine sehr voreingenommene Sicht auf die von ihr in Gang gesetzten, destruktiven Prozesse."
Putin bricht alles weg
Derweil durfte der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja in der laufenden Dringlichkeitssitzung der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York den Unschuldigen mimen: "Wir hören ständig Lügen über den wahllosen Beschuss ukrainischer Städte, Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten. Wir beschießen keine zivilen Gebiete und Stadtteile." Die Realität sieht anders aus, weshalb Macron laut seinem Büro am Telefon mit Putin auch unter anderem forderte, alle Angriffe auf die Zivilbevölkerung in der Ukraine einzustellen, die zivile Infrastruktur zu erhalten und einen sicheren Zugang zu wichtigen Straßen, insbesondere südlich von Kiew, zu gewährleisten. Was der dazu sagt? "Präsident Putin bestätigte seine Bereitschaft, sich in diesen drei Punkten zu engagieren." Zu engagieren!
Dass unter diesen Bedingungen die Gespräche in der Grenzregion nicht zu einer schnellen Entspannung führen würden, war absehbar. Es gibt laut beiden Seiten weiterhin Bedarf, sich über eine Reihe von Themen zu verständigen und die Verhandlungen sollen in den kommenden Tagen fortgesetzt werden. Überbewerten sollte man auch das nicht. Die Ukraine wird nicht substanziell nachgeben, solange sie sich noch auf dem jetzigen Niveau verteidigen kann – womöglich nicht einmal dann, wenn die Lage noch kritischer wird. Und die Unterstützung mit Waffen, Geld und militärischer Aufklärung, die Sanktionen und Solidaritätsbekundungen, die Geschlossenheit des Westens, all das lässt den Willen zum Kampf nur noch stärker werden. Beinahe logisch, dass die russische Seite allen voran die USA dazu zwingen will, das Land aufzugeben, auch das bezwecken die Drohungen mit Atomwaffen.
Putin dagegen bricht alles weg. Europa konnte er nicht ausreichend spalten, Deutschland nicht genügend korrumpieren, die Ukraine hat er zu wenig verstanden. Und doch rennt er weiter ins Verderben. Die Verhandlungen sind offensichtlich kein Signal, dass er einen Weg aus der Sackgasse sucht. Eher ist zu befürchten, dass ihn Frust und Ungeduld noch gefährlicher machen. Dass er in seinem Krieg alle Zurückhaltung aufgibt. Auch deshalb mehren sich jetzt die Forderungen, man müsse ihm etwas anbieten, ihm einen Weg zeigen, der einen gesichtswahrenden Rückzug ermöglicht. Aber machen wir uns nichts vor: Sein Gesicht hat Putin auch im eigenen Land endgültig verloren, da hilft auch keine Maske mehr. Die Rampe, die weg von diesem Irrsinn führt, muss er sich schon selbst bauen. Jemand sollte ihm dabei helfen, sicherlich. Aber für den Konflikt, der größer ist als der Krieg um die Ukraine, ist längst klar: Er wird erst enden, wenn Putin am Ende ist.