Monday, February 28, 2022
Putins Angriff auf die Ukraine: Im Krieg der Bilder hat er gegen Selenskyj verloren
Berliner Kurier
Putins Angriff auf die Ukraine: Im Krieg der Bilder hat er gegen Selenskyj verloren
Susanne Lenz/GL - Vor 2 Std.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (44), Familienvater, Millionär, hätte sein Land längst verlassen, sich retten können, denn sein Leben ist in höchster Gefahr. Es gibt genug Nationen, die ihm Asyl gewähren würden. Ein entsprechendes Angebot der USA soll er am Freitag mit den Worten abgelehnt haben, er brauche keine Mitfahrgelegenheit, sondern Munition. Der Mann ist dabei, auf einem Schlachtfeld gegen Wladimir Putin zu siegen: Im Krieg der Bilder.
Während Putin im Kreml Gift und Galle spuckt, inszeniert Selenskyj seine Anwesenheit in Kiew eindrucksvoll. Er trägt keinen Anzug mehr, keine Krawatte wie in den Fernsehansprachen am ersten Tag. Mit seinem Handy filmte er sich am Samstagmorgen in den Straßen von Kiew, das nicht eingenommen worden war von den russischen Angreifern.
In einem olivfarbenen T-Shirt, über dem er eine Weste trug, trat Selenskyj Gerüchten entgegen, er habe die ukrainische Armee dazu aufgefordert, die Waffen niederzulegen. „Ich bin hier, wir legen unsere Waffen nicht nieder. Wir werden unser Land verteidigen. Unsere Wahrheit ist, dass dies unser Land ist, unser Land, unsere Kinder, und wir werden all dies schützen.“ Der Präsident sah müde aus, unrasiert, aber seine Stimme zitterte nicht wie in seinen Fernsehauftritten kurz nach dem Angriff.
Am Abend davor hatte es ein ähnliches Handy-Video gegeben. Selenskyj zeigte sich mit mehreren ranghohen Politikern auf den Straßen von Kiew. „Wir alle sind in Kiew. Wir schützen unseren Staat und unsere Unabhängigkeit.“ Er nannte den Namen jedes Einzelnen aus seinem engsten Führungskreis und fügte dann nur ein Wort hinzu: hier. Denn er weiß von den Gerüchten, er und andere hohe Politiker hätten die Ukraine verlassen.
Putin wirkt dagegen wie entrückt. Geradezu grotesk sein Gespräch mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow, die wie die Schulbuben weit weg von Putin an einem langen Tisch sitzen. Selenskyj setzt dem ein Selfie entgegen, auf dem er seinen Verteidigungsminister Olexij Resnikow umarmt ...
Selenskyj gewinnt gerade die Unterstützung vieler in der Ukraine, die den früheren TV-Komiker kritisierten und nicht ernst genommen haben und die ihn vielleicht wieder kritisieren werden, wenn er Glück hat. Und er gewinnt Respekt in der gesamten freien Welt.