Sunday, August 29, 2021
»Afghanistan war Merkels Krieg«
Ernüchtert kommentieren die deutschsprachigen Zeitungen das Ende des deutschen Afghanistanfeldzuges. Die Urteile über den Bundeswehreinsatz reichen von »wir haben uns übernommen« bis hin zu »einsatzfähig und verlässlich«.
»Süddeutsche Zeitung«: Noch nicht vorbei
»Der Krieg um ein besseres Afghanistan wurde nicht erst in diesen Tagen und nicht nur in Kabul verloren, sondern endlos oft zuvor. Es ist an allen, die politischen Entscheidungen zu überprüfen und humanitäre Verantwortung zu übernehmen«, ist in der »Süddeutschen Zeitung« zu lesen.
»Darmstädter Echo«: Deutschland hat sich am Hindukusch übernommen
»Mit dem Vorhaben, Afghanistan zu einem besseren Land zu machen, haben wir uns übernommen. Warum das so ist, darüber muss in den kommenden Monaten und Jahren intensiv gesprochen werden. Damit uns ein zweites Afghanistan nicht passiert.«
»Mitteldeutsche Zeitung«: Mehr Redlichkeit in den Debatten um die Bundeswehr
»Warum hat man weder den Afghanen noch den Deutschen von Anfang an klipp und klar gesagt, dass es in Afghanistan um knallharte Sicherheitsinteressen des Westens geht«, fragt die »Mitteldeutsche Zeitung« aus Halle und bilanziert: »Stattdessen taten viele so, als wolle man ein Musterländle in Zentralasien erschaffen. Jetzt sind Russland und China die geopolitischen Gewinner – weil USA und EU sich zu Geopolitik nicht bekennen mochten. Mehr Redlichkeit braucht Deutschland auch in den innenpolitischen Debatten um die Bundeswehr. Wer etwa Technikmängel beklagt, darf nicht im nächsten Moment die Senkung des Wehretats verlangen.«
»Stuttgarter Zeitung«: »Gerettet, was zu retten war«
»Die Bundeswehr hat unter Beweis gestellt, dass sie auch unter schwierigen Bedingungen einsatzfähig und verlässlich ist. Das Zusammenspiel mit anderen Nationen, über Jahre in Afghanistan nicht zuletzt mit den Amerikanern erprobt, hat auch in einer extremen Drucksituation funktioniert. Wer die Gesamtsituation jenseits des Evakuierungseinsatzes betrachtet, muss hingegen zu einem sehr viel nüchterneren, negativeren Urteil kommen. Die Bundeswehr hat in einer politisch beschämenden Gemengelage vom deutschen Ansehen in der Welt gerettet, was zu retten war«, resümiert die »Stuttgarter Zeitung«.
Neue Zürcher Zeitung: »Afghanistan war Merkels Krieg«
»Der Afghanistan-Einsatz des Westens dauerte zwanzig Jahre«, schreibt die NZZ, »sechzehn davon regierte Angela Merkel. In dieser Zeit amtierten vier amerikanische Präsidenten und vier deutsche Verteidigungsminister. Sie kamen und gingen, nur die Kanzlerin blieb. Afghanistan war Merkels Krieg. Man kann allerdings nicht behaupten, dass sie sich je dafür interessiert hätte. Dass sie die deutschen Truppen in dem Land zum letzten Mal 2013 besuchte, ist noch das geringste Indiz für die Gleichgültigkeit.«