Sunday, October 29, 2023

Heizungsgesetz: „Wenn die Eigentümer die Anforderungen begreifen, werden die Kaufpreise sinken“

Wirtschaftswoche Heizungsgesetz: „Wenn die Eigentümer die Anforderungen begreifen, werden die Kaufpreise sinken“ Artikel von Gerth, Martin • 13 Std. Das Heizungsgesetz drückt den Verkehrswert unsanierter Häuser. Die verlangten Kaufpreise seien daher oft zu hoch, sagt der Sachverständige Christoph Ziercke. Verkaufswillige müssten Abstriche machen – oder modernisieren. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) der Ampelkoalition wird für viele Hauseigentümer teuer. Denn unter bestimmten Bedingungen müssen sie schon bald in die Energieeffizienz ihrer Immobilie investieren: Neue Heizung installieren, neue Fenster einbauen und die Fassade dämmen. In vielen Fällen summieren sich die Kosten auf mehr als 100.000 Euro. Sanieren die Hauseigentümer nicht, droht ein Wertverlust beim Haus oder der Eigentumswohnung. Die hohen Sanierungskosten, die komplexen Vorschriften des GEG sowie eine bürokratische Förderung hält jedoch viele Hauseigentümer davon ab, ihre Immobilie zu sanieren. Laut einer Umfrage von YouGov planen 52 Prozent der deutschen Immobilienbesitzer derzeit keine Sanierung. Bei älteren Eigentümern sind es sogar zwei Drittel. Bleibt eine Immobilie unsaniert, hat das wirtschaftliche Folgen. Denn mit den neuen Gesetzen ändert sich auch das Profil der Immobilien, nach denen Käufer bevorzugt suchen und für die sie bereit sind, hohe Preise zu bezahlen. Objekte, die dieses Profil nicht erfüllen, beispielsweise eine hohe Energieeffizienz, sind dagegen weniger gefragt. Entsprechend niedriger sind ihre Marktpreise. Gutachter bewerten Immobilien – anders als Kaufinteressenten – rational nach objektiven Kriterien. Nach deren Bewertung ergibt sich ein Verkehrswert, der meist vom Marktpreis abweicht. In Zeiten hoher Nachfrage nach Immobilien wie derzeit liegt der Verkehrswert meist unter dem, was Käufer tatsächlich zahlen wollen. Je weiter Kaufpreis und Verkehrswert auseinander liegen, desto höher ist das Risiko, dass sich die Immobilie später nur mit Verlust wieder veräußern lässt. Ändern sich die rechtlichen Vorgaben, wie etwa durch das Gebäudeenergiegesetz, müssen die Gutachter dies bei ihrer Bewertung berücksichtigen. Wie sich das auf den Verkehrswert unsanierter Immobilien auswirkt, erklärt der Immobiliensachverständige Christoph Ziercke aus Hameln. WirtschaftsWoche: Herr Ziercke, die Ampelkoalition hat kürzlich das Gebäudeenergiegesetz beschlossen. Was bedeutet das für Ihre Arbeit als Immobiliengutachter? Christoph Ziercke: Ich muss den Hauseigentümern häufig schlechte Botschaften überbringen. Denn die Werte unsanierter Immobilien sinken durch die neuen gesetzlichen Vorgaben deutlich, meist um mehrere zehntausend Euro. Die notwendigen Sanierungskosten sind objektspezifische Grundstücksmerkmale. Wir müssen sie bei der Bewertung berücksichtigen und als wertmindernden Faktor vom marktangepassten Gebäudeertrag abziehen. Können Sie das näher erklären? Kürzlich sollte ich ein Mehrfamilienhaus im ländlichen Niedersachsen bewerten. Gebaut wurde es in den 1970er Jahren. Die Ölheizung stammte noch von 1975. Die Fassade war ungedämmt, die Fenster hatten ihre wirtschaftliche Lebensdauer überschritten. Bäder und Küchen waren völlig veraltet. Das Gebäude war nahezu wertlos. Wie haben Sie den Wert ermittelt? Vom Bodenrichtwert von 45.000 Euro fürs Grundstück habe ich die Abrisskosten von 15.000 Euro abgezogen. Unter Strich blieben noch 30.000 Euro. Für die Eigentümer ist das natürlich ein Schock. Denn die waren davon überzeugt, dass bei ihrer Immobilie alles in Ordnung sei. Tatsächlich war so gut wie nichts in Ordnung. Steht das Haus noch? Ja. Es fand sich sogar ein Käufer, der das Haus sanieren wollte und bereit war, mehr als 30.000 Euro zu zahlen. Dennoch stehe ich zu der Bewertung und halte eine Sanierung für unwirtschaftlich. Hier zeigt sich, dass ein individueller Kaufpreis anders einzuschätzen ist als ein Verkehrswert wie ihn das Baugesetzbuch definiert. Ist dies ein Einzelfall? Keineswegs. Momentan laufen die Verkehrswerte und die Kaufpreise weiter auseinander. Wenn die Eigentümer die gesetzlichen Anforderungen an die Energieeffizienz von Wohngebäuden vollständig begreifen, werden auch die Kaufpreise sinken. Die Immobilienpreise bröckeln doch bereits. Bei Häusern in schlechtem Zustand vielleicht. Für sanierte Immobilien zahlen Sie nach wie vor sehr hohe Preise. Kürzlich habe ich ein Einfamilienhaus im Top-Zustand begutachtet in Hameln. Mit 480.000 Euro lag der Wert bereits am oberen Rand der Preisspanne in diesem Markt. Dennoch ging es für 520.000 Euro weg. Wer ein unsaniertes Haus kauft, kann den Wert seiner Immobilie durch eine Modernisierung deutlich erhöhen. Momentan funktioniert das aber nur in der Theorie. Bei den nach wie vor hohen Kaufpreisen und den aktuellen Bauzinsen können Hauseigentümer froh sein, wenn sie den Wertverlust begrenzen beziehungsweise den Wert erhalten. Für einen spürbaren Wertzuwachs müssten Immobilienbesitzer derzeit so viel investieren, dass es sich angesichts der Finanzierungskosten meist nicht rentiert. Was wäre die Alternative? Die Hauseigentümer könnten einfach nichts tun. Keine Dämmung, keine neue Heizung. So handeln derzeit viele Immobilienbesitzer, die bereits das Rentenalter erreicht haben und keine Lust haben, noch Geld in ihr Haus zu stecken. Allein für den Ausbau und die Entsorgung der alten Heizung und die Installation und Anschaffung einer neuen Heizung kommen schnell 30.000 bis 35.000 Euro zusammen. Wer nicht rechtzeitig saniert, dem drohen Bußgelder. Wer will das überprüfen? Die Schornsteinfeger steigen doch nicht in den Spitzboden eines Hauses und kontrollieren, ob das Dach von innen gedämmt ist. Sie schauen sich die Heizung an, geben eine Empfehlung ab und das wars. Genau weil das so ist, bleiben viele Häuser aus den 1960er oder 1970er Jahren ungedämmt. Die Eigentümer sagen sich: Sollen die doch kommen. Ich selbst würde nicht so handeln, kann es aber nachvollziehen. Nehmen wir an, dass der neue Eigentümer bereits energetisch saniert hat. Welche Investitionen in die Ausstattung von Mietwohnungen zahlen sich besonders aus? Es kommt darauf an, was der Markt in der jeweiligen Lage und der Mietpreisklasse erwartet. Ein modernisiertes Bad wird beispielsweise bereits in allen Lagen erwartet. Ähnliches gilt für eine Standard-Einbauküche. Für einen Wertzuwachs müssten sie schon eine High-End-Ausstattung einbauen. Bei einer Einbauküche müssen sie mit bis zu 15.000 Euro rechnen, um sich vom Markt abzuheben. Lohnt sich das für den Vermieter? Der Spielraum für Mieterhöhungen müsste entsprechend hoch sein. In guten Lagen angespannter Wohnungsmärkte gibt es diesen Spielraum. Aber auch dort gibt es Grenzen, weil die Einkommen oft langsamer als die Mieten steigen. Was nützt Ihnen eine top-sanierte Immobilie, wenn niemand mehr die Miete bezahlen kann.