Friday, December 8, 2023
Warum der Remmo-Clan seine Immobilien zurückbekommt
WELT
Warum der Remmo-Clan seine Immobilien zurückbekommt
Artikel von Vanessa Nischik •
19 Std.
Seit Jahren wird geprüft, ob das Land Berlin Immobilien eines arabischstämmigen Clans beschlagnahmen darf. Dabei geht es auch um den Vorwurf der Geldwäsche und Immobilienverkäufe im Libanon. Nun entschied ein Gericht, dass der Staat einige Objekte wieder zurückgeben muss. Eine fatale Entscheidung, findet ein Geldwäsche-Experte.
Polizisten durchsuchen im Sommer 2018 die beschlagnahmte Villa des Clans – Insgesamt wurden 77 Objekte vorläufig sichergestellt picture alliance/dpa/---
Berlin, Sommer 2018: Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt stellen insgesamt 77 Immobilien der arabischen Großfamilie Remmo sicher. Die Ermittler sind davon überzeugt, dass die Gelder, mit denen die Clan-Mitglieder diverse Anwesen finanziert haben, aus Straftaten – etwa Raub oder Betrug – stammen. Auch von Bareinzahlungen und Darlehensverträgen aus dem Ausland ist die Rede. Die Beschlagnahme ist das Ergebnis intensiver Ermittlungsarbeit und scheint ein vorläufiger Erfolg im Kampf gegen Geldwäsche und Clan-Kriminalität in der Hauptstadt zu sein.
Nun, fünf Jahre später, folgt ein ernüchterndes Urteil: Das Land Berlin muss dem Remmo-Clan sechs der sichergestellten Objekte wieder zurückgeben.
So hat es das Berliner Landgericht in dieser Woche entschieden. Es sei „nicht nachweisbar, dass die Immobilien mit Geldern aus Straftaten finanziert worden seien“, teilte das Gericht am Mittwoch mit. Die Beweislage würde nicht ausreichen, um den Vorwurf der Staatsanwaltschaft zu bestätigen. Mithin könne „nicht ausgeschlossen werden“, dass die Objekte mit Geldern aus legalen Quellen finanziert worden seien. Die Einziehung der Immobilien sowie damit im Zusammenhang stehende Vermögenswerte lehnte die Kammer ab und hob damit deren Beschlagnahme auf. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt.
Die sechs Objekte, die Gegenstand des Einziehungsverfahrens waren, gehören dem 27-jährigen Mohamad Remmo sowie einer ihm zugerechneten Immobiliengesellschaft. Letztere soll Anwesen des Clans verwalten, sind sich die Ermittler sicher. Der Anwalt von Mohamad Remmo hatte diese Vorwürfe im Verfahren bestritten.
Seit Jahren sorgen Mitglieder des arabischen Clans immer wieder mit Straftaten für Aufsehen, etwa im Oktober 2014 mit der Sprengung einer Berliner Sparkasse, bei der 9,1 Millionen Euro erbeutet wurden. Oder mit dem Einbruch ins Bodemuseum im März 2017, bei der zwei Clan-Mitglieder eine 100 Kilogramm schwere Goldmünze stahlen. Zuletzt machte der Clan mit dem Juwelen-Coup im Grünen Gewölbe weltweit Schlagzeilen.
Schon seit Januar lief das aktuelle Verfahren am Berliner Landgericht – vor einer Jugendkammer, weil der heute 27-jährige Mohamad Remmo beim Erwerb der Immobilien im Jahr 2015 erst 18 Jahre alt war. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, im Zeitraum von 2015 bis 2019 mit Geld aus Straftaten Wohnungen und Häuser oder etwaige Anteile an solchen, gekauft zu haben.
Bei den Immobilien handelt es sich um ein Haus im Berliner Stadtteil Alt-Buckow, zwei Wohnungen in Tempelhof, Gebäudeteile in Neukölln sowie zwei Objekte in Steglitz und ein Millionen-schweres in Lichterfelde. Sie sollen einen Gesamtwert von rund 2 Millionen Euro haben.
Gegen Mohamad Remmo war zuvor ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Geldwäsche geführt worden, das mangels hinreichenden Tatverdachts im Jahr 2020 allerdings eingestellt worden war.
Daraufhin hatte die Staatsanwaltschaft beim Landgericht die Einziehung der Immobilien und Vermögenswerte in einem sogenannten selbstständigen Einziehungsverfahren beantragt, wofür keine Verurteilung wegen einer Straftat notwendig ist.
Hierbei muss die Staatsanwaltschaft darlegen, warum die beschlagnahmten Vermögenswerte nicht aus legalem Vermögen kommen. Die Gegenseite muss dagegen „das Missverhältnis zwischen dem Wert des Gegenstands und den rechtmäßigen Einkünften erklären“ können, heißt es in § 437 der Strafprozessordnung. Das bedeutet: Mohamad Remmo musste beweisen, dass das Geld zur Finanzierung der Immobilien eben aus legalen Quellen stammt. Das konnte er dem Gericht offenbar plausibel erklären – obwohl er beim Kauf der Objekte erst 19 Jahre alt war.
Der Anwalt der Remmos hatte argumentiert, das Geld zur Finanzierung der Anwesen, stamme aus dem Verkauf von Immobilien im Libanon. Diese hätten jahrelang im Besitz des Clans gestanden. Weiter soll es ein Darlehen der Sparkasse gegeben haben, sagte der Verteidiger der Berliner Zeitung.
Bei Ermittlern sorgt die Entscheidung für Frustrationen. Sie befürchten eine fatale Signalwirkung für kommende Verfahren. „Wenn die Justiz mit so einem Urteil die langwierige Arbeit von hoch qualifizierten Finanzermittlern zunichtemacht, ist das nicht nur extrem frustrierend, sondern auch eine Entscheidung die Strahlkraft auf anderen Verfahren haben könnte“, sagt ein mit der Materie vertrauter Beamter aus Neukölln im Gespräch mit WELT.
Mit dieser Entscheidung seien all die Bemühungen im Kampf gegen Geldwäsche und Clan-Kriminalität schlicht konterkariert. Deutschland gelte ohnehin als Geldwäscheparadies. Sei es für eine plausible Erklärung lediglich notwendig, dass Verdächtige nur erklären müssten, dass das Geld eben aus dem Ausland stamme, sei der Sinn dieser Gesetze schlicht verfehlt, so der Beamte.
Die vorläufige Beschlagnahme der 77 Clan-Immobilien war durch eine Reform der Vermögensabschöpfung im Jahr 2017 möglich geworden, mit welcher die Einziehung von „Taterträgen“ –etwa Immobilien oder Konten – vereinfacht wurde.
Im Jahr 2020 hatte das Berliner Landgericht wiederum entschieden, zwei der Objekte, darunter die Familien-Villa in Berlin Alt-Buckow, in staatliche Hand zu geben. Zuvor hatte die Immobilie einem der Söhne von Clan-Oberhaupt Issa Remmo gehört. Der hatte sie 2012 im Alter von 19 Jahren für 224.280 Euro gekauft. Damals hatte das Gericht ein „grobes Missverhältnis“ zwischen dem Wert der Immobilie und den – nicht nennenswerten, rechtmäßigen – Einkünften des jungen Mannes festgestellt.