Wednesday, December 6, 2023

Österreichs Finanzaufsicht mahnt: Signa-Insolvenz holt die Geldhäuser ein

Frankfurter Allgemeine Zeitung Österreichs Finanzaufsicht mahnt: Signa-Insolvenz holt die Geldhäuser ein Artikel von Michaela Seiser • 22 Min. Im Rohbau: Signa-Baustelle in Wien Der Kollaps der Immobilienholding Signa dürfte höhere Risiken nach sich ziehen als angenommen. In Österreich drängt die Finanzmarktaufsicht (FMA) die Banken dazu, für dieses Jahr nicht zu hohe Dividenden auszuschütten. Einzelne Institute sollten wegen des Wertverfalls von Immobilien darauf verzichten, sondern für Kreditausfälle vorsorgen, sagten die Vorstände der Aufsicht, Helmut Ettl und Eduard Müller am Mittwoch in Wien. „Wir haben hier tatsächlich einige Bedrohungen auch für den österreichischen Finanzmarkt“, sagte Müller mit Blick auf das nächste Jahr. Die Zinswende habe zu einer Preiskorrektur bei Immobilien geführt und erschwere zugleich den Schuldendienst privater Haushalte, was auf die Banken im nächsten Jahr zurückfallen könnte, skizzierte die Aufsicht. Im Zentrum der Problematik dürften aber Gewerbeimmobilien wie Büros oder Geschäfte stehen. Durch die jahrelange Nullzinspolitik der EZB hat sich in Österreich eine Immobilienblase gebildet. Im Falle der Wohnimmobilien hat die Aufsicht per Verordnung die Kreditvergabe verschärft. Jüngste Entwicklungen würden zeigen, dass die Blase zumindest nicht mehr größer geworden sei. Starker Anstieg der Immobilienpreise Seit dem Jahr 2010 waren die Immobilienpreise in Österreich um 115 Prozent gestiegen, während die Einkommen nur um 55 Prozent wuchsen. Zum Höhepunkt des Anstiegs, Mitte des vergangenen Jahres, waren Immobilien in Österreich um 36 Prozent überbewertet. Im Falle der Gewerbeimmobilien gibt es von der FMA keine strengeren Regeln, was die Kreditvergabe betrifft, jedoch ein feinmaschiges Kontrollnetz, wie Ettl betonte. Aus Sicht der Aufsicht ist die Gefahr von Turbulenzen bei Gewerbeimmobilien sogar noch größer als im Falle von Wohnimmobilien: Die Beleihungsquote sei höher und 85 Prozent des Kreditvolumens sei variabel verzinst. 25 Prozent der Kredite seien endfällig, das heißt, der Kreditnehmer muss die gesamte geliehene Summe auf einen Schlag am Ende der Laufzeit zurückzahlen. Dazu kommen durch Homeoffice und Onlineshopping strukturelle Risiken für Bürovermieter oder Kaufhausbetreiber. Schon bei der in Schieflage geratenen Signa-Gruppe von René Benko habe man sich das Engagement in Gewerbeimmobilien sehr genau angesehen. Im Jahre 2018 sei das Engagement österreichischer Banken bei Signa noch viel größer gewesen als die nun kolportierten 2,2 Milliarden Euro. „Es war eine gemeinsame Initiative von FMA, Nationalbank und EZB, dass man hier diesen Klumpen, dieses Konzentrationsrisiko dekonzentriert habe“, sagte Ettl. Das heißt, ein Teil der Signa-Kredite wurde an andere Banken in Europa abgegeben. Signa selbst unterstehe nicht der Aufsicht durch die FMA, weil die Gruppe kein Geld von Kleinanlegern eingeworben habe, sagte Ettl. Immobilien-Pakete könnten Risiken bergen Die Insolvenz der Signa Holding könnte die Ertragskraft und die Kreditqualität einiger Geldhäuser in Deutschland, Österreich und der Schweiz nach Einschätzung der Ratingagentur Moody's belasten, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters eine Analyse. Kennern der Materie zufolge erreicht das Engagement der Banken allein hierzulande einen Wert von 2,2 Milliarden Euro. Die „undurchsichtige und komplizierte Struktur“ behindere die Analyse der Insolvenzfolgen, hielt Moody's weiter fest. Das Gros der Milliardenkredite dürfte besichert sein, meint die amerikanische Ratingagentur. Dies könne die Auswirkungen mildern. Immobilien-Pakete als Sicherheiten könnten aber etwa angesichts gestiegener Zinsen und wenigen Transaktionen am Markt Risiken bergen, heißt es ebenso in der Analyse, die Moody's am Mittwoch veröffentlichte. Immobilien werden gemäß den Bilanzierungsregeln (IFRS) jährlich einer Marktbewertung unterzogen. Von einer markanten Abwertung der Beteiligungen der insolventen Signa Holding berichtete die Zeitung „Der Standard“ am Mittwoch. Per Ende September seien diese nach dem Insolvenzantrag nur noch 2,5 Milliarden Euro wert gewesen, im sofortigen Liquidationsfall, dem „Worst-Case“-Szenario, wären es sogar nur noch 10 Prozent dieses Werts. In der Bilanz für das vorige Jahr hatte die Dachgesellschaft ihr Vermögen noch mit 5,28 Milliarden Euro bewertet, also mit mehr als dem Doppelten vom Antrag. Rund 120 Banken sollen Insidern zufolge dem Tiroler Firmengründer René Benko Geld geliehen haben. Zu den größten Kreditgebern der Immobiliengruppe gehören die Schweizer Bank Julius Bär, die einem Kenner der Materie zufolge einen Außenstand von 635 Millionen Euro bei Signa hat, und die Wiener Raiffeisen Bank International (RBI). Aber auch deutsche Landesbanken wie die Helaba und die BayernLB stünden jeweils mit dreistelligen Millionensummen im Feuer, hatten Insider gesagt. Weitere Insolvenzanträge eingereicht Anders als die Finanzaufsicht versucht die Osterreichische Nationalbank (OeNB) derweil zu beschwichtigen. Der stellvertretende Gouverneur der Notenbank, Gottfried Haber, sagte, dass auch mögliche Insolvenzen innerhalb der Signa-Gruppe „keinen signifikanten Einfluss auf die Finanzmarktstabilität oder auf einzelne Institute“ hätten. Auch OeNB-Gouverneur Robert Holzmann sagte unlängst, er halte die ausstehenden Kredite der österreichischen Banken bei der kriselnden Signa-Gruppe für „verdaubar“. Nach der Insolvenz der Dach- und Beteiligungsgesellschaft Signa Holding brechen in dem weitverzweigten Konglomerat indes weitere Teile zusammen. Am Mittwoch reichten die Signa Financial Services GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main sowie die Signa REM Germany Rent GmbH aus München beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg entsprechende Anträge ein, wie aus Bekanntmachungen des Gerichts hervorgeht. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde demnach in beiden Fällen der Berliner Rechtsanwalt Torsten Martini ernannt.