Wednesday, December 6, 2023

Keine Einigung zum Haushalt: Wie die Ampel die Wirtschaft aufs Spiel setzt

Merkur Keine Einigung zum Haushalt: Wie die Ampel die Wirtschaft aufs Spiel setzt Artikel von Amy Walker • 3 Std. Desaster um Haushaltssperre Die drei Spitzen der Ampel-Koalition konnten sich immer noch nicht auf einen Haushalt 2024 einigen. Damit wird es wahrscheinlicher, dass bis Ende des Jahres kein Etat steht. Berlin – Bis in die Nacht hinein haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) versucht, eine Lösung für den Haushalt 2024 zu finden. Doch am Morgen bestätigte Grünen-Chefin Ricarda Lang im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk, dass keine Einigung erzielt wurde. Damit kann der Etat in der letzten regulären Kabinettssitzung vor Jahresende nicht mehr beschlossen werden. Wenn diesen Monat noch ein fertiger Haushalt gelingen soll, wird das nur noch über Sondersitzungen gehen. „Der deutschen Wirtschaft geht es nicht gut“: Haushaltskrise verfestigt Rezession Es ist aber noch möglich, dass sich die Ampel im Großen und Ganzen auf einen Kernhaushalt noch dieses Jahr einigt. Ein Beschluss im Bundestag Anfang 2024 wird in politischen Kreisen jetzt als die beste Möglichkeit angesehen. Ziel der Regierung wird es sein, vor den Feiertagen alle wichtigen Beschlüsse gefällt zu haben, damit nicht zwischen den Jahren lautstark weiter gestritten wird. Das dürfte die Umfragewerte der Ampel-Parteien weiter in den Keller treiben, auch wenn im Januar eine Einigung gelingen sollte. Das schlimmste Szenario wäre aber, dass sich die drei Parteien auch im neuen Jahr noch nicht geeinigt haben. Dann gäbe es keinen Haushalt, also keine Ausgaben – und noch dazu wahrscheinlich keine Regierung mehr. „Weil das alle wissen, wird dieser Fall nicht eintreten – egal wie kompliziert die Gespräche derzeit sind“, heißt es in Regierungskreisen. Es geht also in diesen Tagen um nichts weniger als das politischer Überleben der Regierung. Und es geht darum, ob Deutschland im nächsten Jahr tiefer in eine Rezession rutscht, die sich auch auf die gesamte EU ausweiten könnte. Die Unsicherheit, die durch die fehlenden Beschlüsse zum Haushalt entstanden ist, hat schon jetzt spürbare Folgen. Die Wirtschaft erwartet eine Vertiefung der Rezession im kommenden Jahr, wenn die politischen Versprechen nicht mehr eingehalten werden können. Wirtschaftsminister Habeck geht sogar von einem Konjunkturrückgang um 0,5 Prozent aus, wenn geplante Investitionen in die Transformation der Wirtschaft nicht wie geplant stattfinden. „Der deutschen Wirtschaft geht es nicht gut“, sagte auch der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Montag (4. Dezember) im Reuters-Interview. Die Etat-Krise sei „sozusagen noch ein weiterer Stich“. Strompreise steigen ohne Bundes-Zuschuss: Insolvenzen könnten folgen Auch der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, warnte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vor den Folgen der Haushaltskrise: „Die Bundesregierung muss bei den Weichenstellungen zum Haushalt eine Balance schaffen - zwischen der Einhaltung von politischen Zusagen für industrielle Einzelprojekte und den vereinbarten Entlastungen für die Breite bei Netzentgelten und Stromsteuer. Beides ist zur Sicherung der gesamten industriellen Wertschöpfungsketten unabdingbar.“ Eine Konzentration auf Großprojekte wäre eine Gefahr für viele Betriebe des industriellen Mittelstands und auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sagte Adrian. „Allein der Anstieg der Netzentgelte zum Jahreswechsel würde ein typisches mittelständisches Unternehmen um einen sechsstelligen Betrag belasten, wenn der versprochene Zuschuss nicht kommt.“ Die Ampel um Kanzler Olaf Scholz steckt in der Finanzkrise. Eine Umfrage zeigt nun, dass offenbar Vertrauen in die Regierung fehlt, das Problem zu lösen. (Symbolbild) Adrian spricht dabei über den geplanten Zuschuss für die Stabilisierung der Netzentgelte, das einen Umfang von 5,5 Milliarden Euro haben sollte. Alleine mit dem Zuschuss der Regierung ist mit einem Anstieg der Strompreise um elf Prozent zu rechnen. Ohne diesen Zuschuss wird es deutlich teurer, auch für private Haushalte. Die Energiebranche warnt in diesen Tagen sogar vor Insolvenzen, wenn die Stabilisierung der Entgelte nicht wie geplant kommt. Die Senkung der Stromsteuer für die Wirtschaft war auch ein lange und hart umkämpfter Kompromiss, auf den sich die Ampel erst im Herbst einigen konnte. Die Industrie warnt seit Beginn der Energiekrise, dass die hohen Energiekosten ohne staatliche Unterstützung zu einem Abwandern vieler Unternehmen führen wird. Noch dazu zählen energieintensive Bereiche, wie Stahl, Zement und Kalk, auf gezielte Investitionen der Bundesregierung für die Dekarbonisierung ihrer Branchen. Auch der Hochlauf der Wasserstoffinfrastruktur soll staatlich bezuschusst und unterstützt werden. Ohne diese Unterstützung muss die Industrie die Dekarbonisierung aus eigener Kraft schaffen – was einen Umzug ins Ausland auch wieder attraktiver macht. Bau-Krise und Stopp des Heizungsgesetzes: Super-Gau droht In der Bau- und Immobilienbranche droht, ohne Haushaltseinigung, ein Dominoeffekt einzutreten, dessen erste Steine schon fallen. Denn durch die aktuell verhängte Ausgabensperre wurden Förderprogramme auf Eis gelegt, die die Existenz dieser Branche nun gefährden. So droht der Stopp der Förderung von Energieberatungen zur Sanierung des Eigenheims aktuell zu Umsatzeinbrüchen von über 50 Prozent zu führen. Ohne Beratung werden viele Menschen ihr Eigenheim nicht sanieren, was sich wiederum auf die gesamte Handwerks- und Baubranche auswirkt. Und die ist sowieso schon gebeutelt, steigende Zinsen und hohe Baukosten haben unter anderem zu einem Erliegen der Bautätigkeit geführt. Ebenfalls Teil dieses Dominoeffekts: Das Heizungsgesetz, wofür die Förderung noch nicht beschlossen wurde. Zwar haben immer wieder alle drei Ampel-Parteien betont, dass das Geld für den Heizungstausch da sein wird. Doch ohne Beschluss ist das ein leeres Versprechen. Neben der Baubranche wartet auch die gesamte Heizungsbranche händeringend auf eine rechtssichere Information zu den Förderungen, ohne die sie ihre Kunden nicht beraten können. Bis Ende 2023 laufen die aktuellen Förderungen zwar noch weiter, Anträge werden noch bewilligt. Doch das alte Programm läuft Ende des Jahres aus - aktuell ohne Folgeprogramm. Wenn die neuen Förderprogramme nicht ab 2024 starten können, muss die Branche mit einem Einbruch der Aufträge rechnen, Insolvenzen dürften folgen. Auch das betrifft neben den Herstellern von Heizsystemen die Handwerker, genauso wie Energieberater. Die Befürwortung der Förderungen für den Heizungstausch werden für die Branche zu einem Make-or-Break-Szenario. Sondervermögen für Klimaschutz oder Kürzung der Sozialausgaben? Um die klimapolitischen Vorhaben zu bezahlen, befürworten die Grünen die Verankerung eines Sondervermögens für den Klimaschutz. Diese Meinung teilt auch Umweltbundesamt-Chef Dirk Messner. „Was wir brauchen, ist ein Sondervermögen für den Ausbau unserer digitalen Infrastruktur und den Klimaschutz“, sagte Messner dem Handelsblatt nach Angaben vom Dienstag (5. Dezember). Beides hänge zusammen. Er denke an eine Größenordnung um „50 Milliarden plus X“, ergänzte Messner. Dabei müssten wie beim Sondervermögen für die Bundeswehr die Oppositionsparteien CDU und CSU mit einbezogen werden. „Das würde zudem den demokratischen Konsens für dieses Großprojekt widerspiegeln und für Erwartungssicherheit bei den Bürgern und in der Wirtschaft sorgen“, betonte der Präsident des Umweltbundesamts (UBA). Die FDP steht dem Vorhaben jedoch skeptisch gegenüber. Sie pocht stattdessen weiter auf Einsparungen im Sozialbereich, vor allem über die geplante Erhöhung des Bürgergelds wird lautstark gestritten.