Haushaltstrick war Wendepunkt - Scholz-Biograf zieht knallhartes Fazit: „Der größte Rückschlag seiner Karriere“

Haushaltstrick war Wendepunkt - Scholz-Biograf zieht knallhartes Fazit: „Der größte Rückschlag seiner Karriere“ Artikel von FOCUS Online • 9 Std. Der Scholz-Biograf Lars Haider sagt, die Ampel-Koalition habe das Wählervertrauen wahrscheinlich endgültig verloren. IMAGO/photothek Der Scholz-Biograf Lars Haider hat den Bundeskanzler bisher stets verteidigt. Nun erklärt er, weshalb die Zeit der Ampel fast sicher abgelaufen ist. Im Gespräch mit „t-online“ hat der Chefredakteur des „Hamburger Abendblatts“ und Scholz-Biograf Lars Haider unter anderem über das aktuelle Geschehen in der deutschen Politik gesprochen. Im Gegensatz zu früher sei sein Vertrauen in die Ampel-Koalition und Scholz nahezu verschwunden. „Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Haushaltpolitik [war] ein Wendepunkt“, sagte Haider. Der „Haushaltstrick“ sei Scholz‘ persönliche Idee gewesen. Mit dem Scheitern des Tricks habe sein Image daher unheilbaren Schaden erlitten. „Das ist der größte Rückschlag in [Scholz‘] politischer Karriere“, sagte Haider. „Ich bin mir nicht sicher, ob er das Vertrauen [der Wähler] zurückgewinnen kann.“ Scholz‘ kandidierte als männlicher Merkel Ironischerweise seien es dieselben Eigenschaften, die Scholz einst zum Kanzleramt verhalfen, die seine politische Stellung nun bedrohten. Es sei Scholz‘ bisher „größte strategische Leistung“ gewesen, „vor der Bundestagswahl 2021 zu erkennen, dass die Menschen Merkel mögen und er als männlicher Merkel Bundeskanzler werden kann“. Seither habe Scholz versucht, als „großer Macher“, nicht als „großer Redner“, aufzutreten. In Berlin sei allgemein bekannt gewesen, dass Scholz vielen seiner eigenen Minister – Lindner oder Habeck etwa – rhetorisch nicht das Wasser reichen könne. Dafür habe Scholz sich als nüchterner Denker zu etablieren gewusst, als einer, der Pläne peinlich genau durchdenkt und umsetzt. Dass er als gelernter Jurist die eindeutige Verfassungswidrigkeit des Haushaltsplans nicht rechtzeitig erkannt habe, habe ihm den letzten Schutzmantel genommen, der seine Autorität in den Augen vieler bewahrte. Dort habe das Image des „großen Machers“ zum ersten Mal „einen großen Knacks bekommen“, so Haider. Haider: „Scholz schläft auch als Kanzler tief und fest“ Nun drohe mit Scholz‘ Glaubwürdigkeit die gesamte Ampel zusammenzubrechen, sagt Haider „t-online“. Wenn das Kanzler-Image als ruhiger Drahtzieher zu Bruch ginge, bliebe nur das Bild einer uneinigen Regierung, in der Minister den Kanzler übertönen. Scholz müsse sich wandeln, um die Ampel zu retten. Aber gerade auf der Unwilligkeit, sich zu ändern, habe Scholz seine gesamte bisherige Karriere aufgebaut. „Er ist so“, sagt Haider. „Olaf Scholz braucht auch keine Hobbys, um herunterzukommen, weil er gar nicht hochkommt.“ Als jahrelanger Begleiter wisse er, dass Scholz selbst während turbulenter G20-Gipfel „sehr ruhig“ schlafe. „Er schläft auch als Kanzler tief und fest“, sagt Haider. Der echte Scholz bleibt hinter den Kulissen Dass Scholz sich nicht öfter lockerer und authentischer gebe, sei sehr schade, sagt Haider. Wenn „die Mikrofone und Kameras ausgeschaltet“ seien, zeige sich oft ein ganz anderer Scholz: Ein witziger, charmanter und sogar leidenschaftlicher Mensch und Politiker. Jüngere Journalistenkollegen seien nach Hintergrundgesprächen mit dem Bundeskanzler oft überrascht, fragten nicht selten: „Wer war das?“ Des Bundeskanzlers Umgang mit der Augenverletzung, die er sich beim Joggen zugezogen hatte, zeige jene Eigenschaften, die jetzt in den Vordergrund rücken müssten. Mit seinem selbstkritischen, bodenständigen Humor und dem Tragen der Augenklappe habe Scholz damals „in kürzester Zeit viele Sympathien“ gewonnen. „Ich glaube, dass er die Augenklappe sogar länger getragen hat, als er hätte müssen“, sagt Haider. Diese lockere Seite müsse Scholz jetzt aktivieren, wenn die Ampel überleben wolle. Haiders neues Buch beschäftigt sich mit der Sprache von Politikern Gemeinsam mit dem Chefredakteur der Funke Zentralredaktion, Jörg Quoos, hat Haider das Buch „Der Blabla-Wumms“ geschrieben. In ihm vergleichen die beiden Chefredakteure die Führungs- und Kommunikationsstile erfolgreicher Politiker. Auch über Scholz‘ Sprache finden sich in ihm detaillierte und erhellende Analysen.