Friday, December 8, 2023

Führungskultur: SAP-Chef will schlechte Mitarbeiter identifizieren lassen

SZ.de Führungskultur: SAP-Chef will schlechte Mitarbeiter identifizieren lassen Artikel von Von Tobias Bug • Vermisst offensichtlich den Leistungsgedanken: SAP-Chef Christian Klein. Beim Softwarekonzern sollen Vorgesetzte ihre Teammitglieder künftig nach Leistung in drei Kategorien einteilen. Wer schlecht abschneidet, muss nachsitzen. SAP-Chef will schlechte Mitarbeiter identifizieren lassen Wer gute Leistung abliefert, soll eine Bonuszahlung bekommen, wer schlecht abschneidet, kriegt Nachhilfe. So könnte man das zusammenfassen, was das Softwareunternehmen SAP gerade für seine Mitarbeiter plant. Offensichtlich vermisst Geschäftsführer Christian Klein den Leistungsgedanken. Um die Belegschaft wieder mehr auf Performance zu trimmen, will SAP ein Bewertungssystem für seine Angestellten einführen, das "Winning Culture" heißen soll. Außerdem will Klein seine Mitarbeiter, von denen viele oft im Homeoffice arbeiten, wieder mehr ins Büro zitieren. Zuerst hatte das Handelsblatt berichtet. Anhand von bisher nicht festgelegten Kriterien, hört man aus dem Betriebsrat, sollen Vorgesetzte ihre Mitarbeitenden in drei Kategorien einteilen: "Performer", "Achiever" und "Improver". Die "Performer" sollen für ihre besondere Leistung finanziell belohnt werden und Boni bekommen. Als "Achiever" werden wahrscheinlich die meisten Mitarbeiter kategorisiert, sie erfüllen die Erwartungen. Diejenigen, die der Chef schlecht bewertet, die "Improver", müssen sich verbessern. Sie sollen nicht gleich rausfliegen, aber Trainings bekommen. In anderen Unternehmen gibt es das schon: Microsoft-Manager bewerten Angestellte anhand einer Skala. Wer gut abschneidet, bekommt mehr Gehalt. Im Unternehmen tobt ein Kulturkampf Die SAP-Belegschaft ist über das angedachte Bewertungssystem bisher nicht informiert worden, einfach, weil noch nichts entschieden ist. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht vor, dass Arbeitnehmer bei solchen Neuerungen mitreden dürfen; aktuell verhandeln Betriebsrat und Konzernführung. In dem Unternehmen tobt ein Kulturkampf. Die Geschäftsführung argumentiert, Leistung besser fördern zu wollen. "Wir sind überzeugt, dass unsere Mitarbeitenden im Job Leistung zeigen wollen", sagt ein Sprecher. SAP setze auf regelmäßiges Feedback und klare Zielvorgaben und wolle unterstützen, wenn es Schwierigkeiten gibt. Andreas Hahn, Vorsitzender des europäischen Betriebsrats der SAP SE, sieht dagegen die Absicht, "das wenige Geld auf noch weniger Personen zu verteilen, auf die Performer, die Achiever mit kleinen Gehaltserhöhungen abzuspeisen, und mit dem Improver-Prozess Menschen aus dem Konzern zu drängen." In anderen Firmen, sagt Hahn, sei der Prozess der erste Schritt zur Kündigung - entweder durch den Arbeitgeber oder durch den Mitarbeiter selbst, der dem "unverhältnismäßigen Druck" nicht standhält. Geschäftsführer Christian Klein, so hört man aus dem Unternehmen, wolle das Bewertungssystem unbedingt. Die Denke kommt aus den USA. Dort schmeißen viele Firmenchefs ihre schlechtesten Mitarbeiter einfach raus. In Deutschland genießen Arbeitnehmer aber Kündigungsschutz, Klein kann seine "Improver" also nicht einfach vor die Tür setzen. Die Kategorisierung fördere eine "Misstrauenskultur", sagt eine ehemalige SAP-Führungskraft. Als "Improver" oder "Low Performer" werde man nicht eingestellt, sondern Menschen würden in diese Schublade einsortiert, wenn sie im falschen Job arbeiteten, private Probleme hätten oder ihr Chef schlecht sei. Viele Firmenlenker erklärten sich die aktuellen Schwierigkeiten immer gleich damit, dass ihre Mitarbeiter "fauler" geworden seien - und ließen Erschwernisse wie die gestiegenen Energiepreise und derzeitigen Krisen außer Acht, die eigentlich maßgeblich für die Marktlage sind. SAP will verpflichtende Präsenztage einführen Es gibt aktuell schon eine ausführliche Feedbackrunde bei SAP. Jeder Mitarbeiter legt einmal im Jahr gemeinsam mit seinem Vorgesetzten fest, welche Ziele er erreichen möchte. Alle drei Monate wird der Fortschritt besprochen, eventuell nachjustiert. Auch die Belegschaft bekommt einen Fragebogen, in dem sie die unmittelbaren Chefs und die Geschäftsführung bewerten darf, sagt ein Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte. Strategische Entscheidungen, an der die Belegschaft etwas auszusetzen hatte, seien aufgrund solcher Feedbackrunden schon revidiert worden. In Mitarbeiterbefragungen schneidet SAP übrigens seit Jahren gut ab, der Konzern ist einer der beliebtesten Arbeitgeber Deutschlands. Aktuell fährt SAP allerdings einen restriktiven Kurs. Weil seit der Pandemie immer noch viele im Homeoffice arbeiten, überlegt SAP dem Vernehmen nach, seine Mitarbeiter zu drei Präsenztagen pro Woche zu verpflichten. "Unsere Büros dienen nicht nur als zentrale Arbeitsorte, sondern auch als Dreh- und Angelpunkte für direkten Austausch, um so den Wert und die Synergien von Teamarbeit bestmöglich zu nutzen", erklärt ein Sprecher. Kürzlich trat SAP-Personalchef Cawa Younosi zurück. Wie man aus Unternehmens- und Personalerkreisen hört, wohl auch aus Protest gegen die momentane Personalpolitik. Er stand dem Vernehmen nach stets für eine mitarbeiterorientierte Personalpolitik, die nun offensichtlich geändert werden solle.