Thursday, December 21, 2023

Das Land, das von einer klaren Haltung gegen China profitiert

WELT Das Land, das von einer klaren Haltung gegen China profitiert Artikel von Philipp Fritz • 2 Std. Deutschland ist vorsichtig, wenn es um Kritik an Peking geht, zu groß ist die Sorge vor wirtschaftlichen Nachteilen. Tschechien dagegen setzt auf enge Kontakte zum bedrohten Inselstaat Taiwan. Das lohnt sich gleich aus mehreren Gründen für das EU-Land. Ansage an Peking: Die tschechische Parlamentspräsidentin Marketa Pekarova Adamova besuchte Taiwan mit einer großen Delegation. Selten wird Telefonaten derart viel Aufmerksamkeit zuteil. Doch als Petr Pavel im Januar Tsai Ing-wen, die Präsidentin Taiwans, anrief, war es ein Ereignis für die Weltpresse. Pavel, gerade erst zum Staatschef Tschechiens gewählt, bestätigte auf X, dass das Gespräch tatsächlich stattgefunden habe. „Ich habe ihr für ihre Glückwünsche gedankt und ihr versichert, dass Taiwan und die Tschechische Republik die Werte der Freiheit, der Demokratie und der Menschenrechte teilen. Wir haben vereinbart, unsere Partnerschaft zu stärken“, so der Tscheche. Tatsächlich ist Pavel das erste europäische Staatsoberhaupt, das direkt Kontakt zu seiner taiwanesischen Kollegin aufgenommen hat. Um die Supermacht China nicht zu verärgern, sehen europäische Spitzenpolitiker eigentlich davon ab, mit ihren Amtskollegen im asiatischen Inselstaat zu sprechen. Öffentlich bestätigte Kontakte sind selten und finden zumeist auf Staatssekretärsebene oder darunter statt. Denn Peking erkennt die Unabhängigkeit Taiwans nicht an. Der chinesische Präsident Xi Jinping bekräftigte dies sogar gegenüber US-Präsident Joe Biden persönlich, wie der Fernsehsender NBC News am Donnerstag berichtete. Danach hat Xi erklärt, dass China und Taiwan auf jeden Fall „wiedervereinigt“ würden, nur der Zeitpunkt stehe noch nicht fest. Peking verlangt von allen Staaten, mit denen es diplomatische Beziehungen pflegt, eine Unterordnung unter dieses Prinzip der „Ein-China-Politik“. Tschechischen Medienberichten zufolge haben chinesische Diplomaten versucht, die tschechische Seite von dem Vorhaben eines Gesprächs mit Tsai Ing-wen abzubringen – erfolglos. Kein westlicher Staat missachtet die Ein-China-Politik heute derart konsequent wie Tschechien. Pavels Telefonat steht zwar für eine „Zeitenwende“ in Prags Umgang mit China, doch die harte Haltung gegenüber der Volksrepublik reicht weiter zurück: Seit Jahren kritisieren tschechische Politiker offen Chinas Einflusspolitik in Europa und sie knüpfen gleichzeitig Kontakte nach Taiwan. Die Gründe dafür entsprechen einem Dreiklang: Demokratien, zumal von Autokratien bedrängte, gilt es zu unterstützen; eine deutliche Reduzierung der Abhängigkeiten vom chinesischen Markt ist dazu im Sicherheitsinteresse Tschechiens und der westlichen Gemeinschaft ganz grundsätzlich – besonders, wenn China Taiwan angreifen würde und die Weltwirtschaft ins Wanken gerät. Letztlich will Prag auch wirtschaftlich von einer Annäherung an Taipeh profitieren. Das kleine Tschechien mit seinen 10,5 Millionen Einwohnern ist damit eine Art Avantgarde in EU und Nato und zeigt den Bündnispartnern, wie eine konsequente China-Politik aussehen kann. Die tschechische Regierung ist allerdings weniger abhängig von China, als etwa Deutschland. Sie kann daher besser eine Strategie des „decoupling“ verfolgen. Es ist ein Fachbegriff, der sich am besten mit Entkoppeln oder schlicht Trennen übersetzen lässt. In Berlin, aber auch in anderen europäischen Hauptstädten spricht man mittlerweile lieber von „de-risking“, also von Risikoreduzierung. Das klingt sanfter; ein vollständiges Abkoppeln von China wird höchstens in strategisch relevanten Branchen angestrebt, wie in der Halbleiterindustrie. „Wir müssen uns unabhängig von China machen, bei bestimmten kritischen Produkten. Das gilt nicht nur für Halbleiter, sondern auch für Medikamente“, sagt hingegen Marketa Pekarova Adamova, Präsidentin des tschechischen Parlaments, im Gespräch mit WELT. Gerade erst hat die 39-Jährige an der Spitze einer tschechischen Delegation das Halbleiterwerk von Bosch in Dresden besichtigt – und, direkt gegenüber, den Standort, an dem der taiwanesische Chipgigant TSMC in den nächsten Jahren seine deutsche Halbleiterfabrik errichten wird. Demonstrative Sympathie TSMC ist nicht nur der größte Halbleiterproduzent der Welt, sondern auch der fortschrittlichste. Etliche Staaten buhlen um dessen Investitionen, gerade auch um sich von chinesischen Zulieferern lossagen zu können. Halbleiter sind ein wesentlicher Bestandteil von elektronischen Produkten, etwa Autos oder Handys. „Indem wir in Europa mit Taiwan zusammenarbeiten, vergrößern wir unseren Einfluss. Wirtschaftlich hat Taiwan viel zu bieten“, sagt Pekarova Adamova, die auch Gespräche in der Sächsischen Staatskanzlei geführt hat. Sie ist davon überzeugt, von den taiwanesischen Investitionen in Deutschland profitieren zu können. „Wir wollen ein Teil eines Lieferkettensystems sein“, so die Präsidentin des Abgeordnetenhauses. Wie engagiert die Tschechin in dieser Sache ist, bestätigt ein Blick in ihren Kalender. Bereits im März ließ sie den Worten von Präsident Pavel Taten folgen und besuchte als Teil einer großen Delegation Taiwan, traf die Präsidentin und den Premierminister persönlich. Mehrere Parlamentarier, Vertreter von Ministerien und beinahe hundert tschechische Geschäftsleute haben Pekarova Adamova begleitet. Mehrere tschechisch-taiwanesische Memoranden wurden unterzeichnet, in Taipeh ein tschechisches Business-Zentrum eröffnet. Die chinesische Botschaft in Prag protestierte gegen den Besuch von Pekarova Adamova. Für sie dürften jedoch andere Faktoren entscheidend gewesen sein. Zwar ist der Warenwert der tschechischen Exporte nach China aktuell ungefähr sechsmal höher als der nach Taiwan. Doch das Land ist mittlerweile der wichtigere Investor in Tschechien. Dafür steht etwa die Fabrik des taiwanesischen Unternehmens Foxconn in Pardubice, in der etwa 5000 Menschen arbeiten. Foxconn ist der weltweit größte Produzent von Elektronikprodukten. Prag hofft auf weitere taiwanesische Investitionen im Land. Dass diese für auch immer eine sicherheitspolitische Komponente haben, unterstreicht Pekarova Adamova: „Unsere Vorgänger in Tschechien, aber auch andere Regierungen in Europa, haben Fehler in Bezug auf Russland gemacht. Für uns aber ist das aber auch ein Geschenk. Wir können jetzt daraus lernen, bevor es zu einer noch größeren Katastrophe kommt.“ Putin habe immer gesagt, was er vorhabe, sagt die Tschechin. „Wir haben es nur nicht ernst genommen oder nicht genau hingehört. Bei China sollten wir jetzt genau hinhören.“