Saturday, December 9, 2023
Berliner Grüne brechen ihren Parteitag ab
WELT
Berliner Grüne brechen ihren Parteitag ab
3 Std.
Weil die einzige Kandidatin für das Amt der Landesvorsitzenden in drei Wahlgängen keine absolute Mehrheit bekam, haben die Berliner Grünen die Landesdelegiertenkonferenz gestoppt. Der Parteitag soll am Mittwoch fortgesetzt werden.
Die Berliner Grünen haben ihren Parteitag am Samstag abgebrochen. Bei der Wahl zum Landesvorsitz war die einzige Kandidatin Tanja Prinz zuvor durchgefallen. Die 44-Jährige erhielt bei der Landesdelegiertenkonferenz (LDK) in Berlin-Moabit in drei Wahlgängen nicht die nötige absolute Mehrheit. Der Parteitag soll am Mittwochabend fortgesetzt werden. Einem entsprechenden Geschäftsordnungsantrag des Landesvorstands stimmte eine deutliche Mehrheit der Delegierten zu.
Im letzten Wahlgang hatte Prinz 41 Ja-Stimmen bekommen – bei 104 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen. In den beiden Wahlgängen davor war die Zustimmung für sie noch geringer. Schon nach dem zweiten Wahlgang hatte es eine Unterbrechung gegeben, in der sich Prinz mit ihren Unterstützerinnen und Unterstützern beraten hatte, ob sie noch einmal antreten soll. Die Aussichten, die Delegierten noch umzustimmen, waren schon da gering. Prinz verabschiedete sich gleich nach der Abstimmung kurz angebunden: „Vielen Dank, frohe Weihnachten!“
Der bisherige Landesvorstand ist nach Grünen-Angaben weiter im Amt und voll handlungsfähig, bis ein neuer Vorstand gewählt ist. Der Landesverband wird laut Satzung von einer Doppelspitze geführt, zu der mindestens eine Frau gehören muss. Bisher sind das Philmon Ghirmai, der zu den Parteilinken gehört, und Susanne Mertens vom Realo-Flügel.
Vor knapp drei Wochen hatte Mertens erklärt, nicht wieder antreten zu wollen. Zuvor hatte sich Prinz bei einer Abstimmung des Realo-Flügels knapp gegen sie durchgesetzt. Prinz gehört zu einem Teil des Realo-Flügels, der die Politik des Landesverbands kritisch sieht und ein stärkeres Gegengewicht zu den Parteilinken bilden möchte.
Prinz hatte in ihrer Rede auf dem Parteitag gefordert, das Kapitel Schwarz-Rot müsse möglichst schnell beendet werden. Bei Franziska Giffey sei Wirtschaft nur noch Fotoshooting. Schwarz-Rot könne es nicht und plündere die Kassen. Die Grünen müssten Vertrauen gewinnen – „in der Innenstadt und draußen“, so die Reala aus Lichtenrade. „Es wäre mir eine Ehre, eure Landesvorsitzende zu werden“, endete sie. Bei den Delegierten drang sie aber nicht durch.
Wo soll es für die Berliner Grünen hingehen?
Die Frage, wer die Berliner Grünen künftig führen soll, sorgte schon in den vergangenen Wochen für viel Verunsicherung in der Partei. Dahinter steckt auch die Angst vor einem Richtungsstreit und innerparteilichem Zoff zwischen den verschiedenen Teilen der Partei, für den die Berliner Grünen vor Jahren berühmt-berüchtigt waren.
Die Linken innerhalb der Grünen, zu denen Ghirmai gehört, waren bei der Wiederholungswahl im Februar mit großer Mehrheit für die Fortsetzung der Koalition mit SPD und Linken. Teile der Realos, für die Tanja Prinz steht, hielten das für falsch. Prinz war dafür, sich mehr Koalitionsoptionen offenzuhalten.
Ein weiterer ihrer Kritikpunkte: Aus ihrer Sicht blieben die Grünen bei der Wiederholungswahl mit 18,4 Prozent weit hinter ihren Möglichkeiten – ausgerechnet in Berlin. Und das sei eben kein Schicksal, sondern auch auf Fehler der Partei zurückzuführen.
Im Kern geht es um die Frage, worauf die Grünen bei der nächsten Wahl zum Landesparlament 2026 setzen wollen: auf die alten Bündnispartner? Oder auf Schwarz-Grün oder Schwarz-Grün-Gelb? Soll der Landesverband sich darauf einstellen, der nächste Partner von Kai Wegner zu werden? Vom jetzigen Regierenden Bürgermeister heißt es, er hätte schon im Februar gerne mit den Grünen koaliert – aber nicht rechtzeitig ein Signal für ernsthaftes Interesse von deren Seite bekommen.
Die Fragen sind weiter unbeantwortet, auch innerhalb der Realos gehen die Ansichten dazu auseinander. Das zeigte sich etwa im Konflikt zwischen Prinz und der bisherigen Vorsitzenden Susanne Mertens. Aus Sicht der Kritiker aus dem Realo-Lager hat Mertens zu wenig Profil gegenüber den Parteilinken gezeigt und zu sehr auf Konsens gesetzt.
Dass Prinz am Samstag so deutlich durchgefallen ist, zeigt, dass es in der Partei keine Mehrheit für einen klaren Kurswechsel gibt. Wo es für die Grünen lang gehen soll, muss die Partei nun klären. Die Fortsetzung der Landesdelegiertenkonferenz ist die erste Gelegenheit dafür.