Thursday, September 26, 2024

„Um keine Schwäche zu zeigen, täuscht sie die Deutschen“

RP ONLINE „Um keine Schwäche zu zeigen, täuscht sie die Deutschen“ Artikel von RP ONLINE • 3 Std. • 2 Minuten Lesezeit Berlin . Die Altkanzlerin feierte gerade mit ihrer Partei ihren 70. Geburtstag nach. Ein versöhnliches Fest. Dennoch wartet nicht nur die CDU gespannt auf ihre Memoiren im November. Ein Buch eines FAZ-Journalisten geht mit ihrer Politik hart ins Gericht. Immer, wenn man mit Angela Merkel während ihrer Amtszeit über Medien sprach, kam die Sprache irgendwann auf ihre tägliche Zeitungslektüre: Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ las die CDU-Politikerin regelmäßig. Interessant ist es daher, dass der jetzige Berliner Büroleiter der Zeitung, Eckart Lohse, in einem Buch über die Merkel-Jahre durchaus mit dem politischen Erbe der Altkanzlerin abrechnet. Lohse hat Merkel lange journalistisch begleitet, auf Dienstreisen, mit Interviews und Hintergrundgesprächen. Für das Buch sprach er mit vielen Weggefährten Merkels, mit politischen Freunden und Gegnern. Herausgekommen ist eine spannende Auseinandersetzung mit der Politik der Altkanzlerin, die der Frage nachgeht, welche Konflikte von heute eigentlich damals schon ihren Anfang nahmen. Und ob Merkel die Deutschen über sich selbst getäuscht hat. „Um keine Schwäche zu zeigen, geht sie über viele Herausforderungen hinweg und täuscht damit die Deutschen. Viele von ihnen lassen es geschehen, weil das der bequemere Weg scheint.“ Lohse begründet das von ihm analysierte Fremdeln Merkels mit der eigenen Partei auch mit ihrer Herkunft aus dem Osten Deutschlands. „Erst wenige Wochen vor dem Ende ihrer Kanzlerschaft macht sie in einer Rede zum Tag der Einheit am 3. Oktober deutlich, wie fremd sie sich immer noch in der Bundesrepublik und in ihrer westdeutsch geprägten Partei fühlt“, hebt Lohse einen Schlüsselmoment ihrer späten Kanzlerschaft hervor. Ausgerechnet Vizekanzler Robert Habeck stellte das Buch Anfang der Woche in Berlin vor. Der Grünen-Politiker machte bereits eine „Merkel-Lücke“ bei der Union aus und betont bei mancher Gelegenheit, wie sehr er die ehemalige Kanzlerin menschlich schätze. „Das Buch ist schon, wenn ich das sagen darf, hart, also kurz vor einer Abrechnung“, sagt der Grünen-Politiker. Doch Habeck betonte auch, dass er Merkel „nun wirklich“ schätze, dass sie ein integrer Mensch sei - „und irgendwie wusste, was sich gehört und was sich nicht gehört“, fügte er als Spitze gegen die derzeitige Unions-Führung hinzu. Trotzdem entsteht der Eindruck, als ob er gerade ihr jene Probleme vorwirft, die ihm die Arbeit als Wirtschaftsminister schwer machen - erst der drohende Gasmangel wegen des nötigen Ersatzes für russische Rohstoffe; dann der Kampf mit den hohen Gaspreisen und Inflation. Lohse wiederum begründet den harten Titel des Buches so: Merkel habe getäuscht, „nicht bewusst, um Schaden anzurichten, aber schon in dem Bewusstsein, dass sie etwas, was im Grunde zu tun ist, zum Wohl des Landes, nicht getan hat. Ich unterstelle ihr nicht, dass sie ahnungslos war. Das war sie nicht. Das kann sie nicht gewesen sein als Kanzlerin und noch dazu Ministerin in unterschiedlichen Ämtern.“ Dazu wiederum werden Merkels Memoiren, die im November veröffentlicht werden sollen, vielleicht eine Antwort liefern. (“Die Täuschung - Angela Merkel und ihre Deutschen“, dtv, 25 Euro, ISBN 978-3-423-28442-4)