Saturday, December 23, 2023

Wie ein Nationalheld und langjähriger Weltrekordhalter die Ukraine hintergeht

Merkur Wie ein Nationalheld und langjähriger Weltrekordhalter die Ukraine hintergeht Artikel von Christoph Wutz • 1 Std. Er lebt wohl selbst behütet in Monaco Die Salami-Taktik katapultierte ihn in den Sport-Olymp: Sergej Bubka. Heute gilt er im Ukraine-Krieg als russischer Kollaborateur. München – Am 13. Juli 1985 schrieb Sergej Bubka beim Leichtathletik-Meeting in Paris Sportgeschichte: Als erster Stabhochspringer überhaupt sprang er sechs Meter hoch. Damit setzte der Ukrainer, damals noch unter sowjetischer Flagge startend, gänzlich neue Maßstäbe. Und auch in den Folgejahren dominierte er seine Disziplin nach Belieben. Bubka gewann zahlreiche WM- und EM-Titel sowie 1988 Gold bei Olympia in Seoul. Ab 1994 hielt er mit der sagenhaften Höhe von 6,14 Metern über 26 Jahre lang den Rekord für den höchsten Freiluft-Satz. Erst im September 2020 übertraf ihn Überflieger Armand Duplantis in Rom. Bubka war lange die wohl größte Sport-Ikone der Ukraine. Allerdings hat sich das Blatt mittlerweile gewendet. Sergej Nasarowitsch Bubka Geboren: 4. Dezember 1963 (Alter 60 Jahre), Luhansk, damalige Sowjetunion (heutige Ukraine) Disziplin: Stabhochsprung Größte Erfolge: 1x Olympiasieger, 6x Freiluft-Weltmeister, 4x-Hallen-Weltmeister, 1x Freiluft-Europameister, 1x Hallen-Europameister Karriereende: 2000 Wie ein Nationalheld und Ex-Weltrekordhalter sein Land Ukraine hintergeht 2001, ein Jahr nach dem Ende der glorreichen Laufbahn Bubkas, verlieh ihm der damalige Präsident Leonid Kutschma die höchste offizielle Auszeichnung der Ukraine: Den Titel „Held der Ukraine“. Diesen erhalten ukrainische Staatsbürger, die sich durch Heldentum oder große Leistungen verdient gemacht haben – unter anderem auch Soldaten. Damals gehörte Bubka, der im Laufe seiner langen Karriere 35 Weltrekorde im Stabhochsprung aufstellte, für die Menschen in seiner Heimat zweifelsohne in diese erlesene Riege. Doch inzwischen gilt Bubka dort als Verräter. Das geht aus Recherchen der Journalistin Maria Zemlyanska für das ukrainische Investigativportal bihus.info hervor. Diesen zufolge soll der 60-Jährige im Zuge des Ukraine-Kriegs geschäftliche Beziehungen mit russischen Besatzungsinstanzen eingegangen sein und sich so am Konflikt bereichert haben. Zwar sind die Summen nicht allzu hoch, doch die Vorwürfe wiegen schwer. Soll einen Handel mit russischen Besatzungsbehörden eingegangen sein: die ukrainische Stabhochsprung-Ikone Sergej Bubka. Ukrainischer Ex-Stabhochsprung-Dominator Bubka kollaboriert wohl mit Russland Demnach geht es vor allem um die Tätigkeiten des Unternehmens Mont Blanc im Osten der Ukraine. Eigentümer der Firma sind dem ukrainischen Register für juristische Personen zufolge Sergej Bubka selbst, sein Bruder Wassyl, ebenfalls ein früherer Stabhochspringer, und seine Mutter Valentyna. Mont Blanc agiert in erster Linie im Brennstoffhandel im Raum Donezk und war bis 2014 unter anderem auch im Lebensmitteltransport aktiv. Doch laut dem Register stellte Bubkas Unternehmen seinen Betrieb nicht ein, obwohl russische Kräfte jenen Teil des Donbass, unter den auch der damalige Geschäftssitz fiel, ab 2014 okkupierten. Anschließend verlagerte Mont Blanc diesen in die ebenfalls innerhalb der Oblast Donezk liegende, damals jedoch freie Stadt Wolnowacha. Inzwischen belagern russische Truppen auch diesen Ort. Letztmals beteiligte sich Bubkas Betrieb wohl 2018 an öffentlichen, ukrainischen Ausschreibungen für Treibstoff-Lieferungen. Handel mit russischen Besatzern in der Ost-Ukraine: Der Fall des Sergej Bubka Weiter heißt es im Bericht von bihus.info, dass Mont Blanc zu Jahresbeginn 2023 in das russische Register für juristische Personen eingetragen wurde. Hintergrund ist ein Gesetz, demzufolge alle Unternehmen in den besetzten Gebieten ihre Dokumente mit der Gesetzgebung Russlands in Einklang bringen müssen. Im russischen Meldeverzeichnis sind nur noch die beiden Stabhochspringer-Brüder als Eigentümer der Firma angeführt, als Sitz von Mont Blanc ist dort allerdings wieder Donezk genannt. Im Mai dieses Jahres schloss der Betrieb dann demnach drei Verträge über die Lieferung von Treibstoff mit den im Raum Donezk verantwortlichen russischen Besatzungsbehörden. Unter anderem soll Bubkas Firma am 4. Mai einen Handel mit dem sogenannten „republikanischen Rehabilitationszentrum des Gesundheitsministeriums der Verwaltungsrepublik Donezk“ im Wert von fast 100.000 russische Rubel eingegangen sein. Im Gegenzug, so geht es aus den auf bihus.info veröffentlichten, offenbar offiziellen Dokumenten hervor, lieferte Mont Blanc den Besatzungsinstanzen 2000 Liter Treibstoff. Fullscreen button Stehen unter Verdacht, mit russischen Besatzungsinstanzen zusammenzuarbeiten: Die beiden ehemaligen ukrainischen Stabhochspringer Wassyl (l.) und Sergej Bubka (m.) (hier bei der Siegerehrung der Freiluft-EM 1986 mit dem Franzosen Philippe Collet (r.)). Stehen unter Verdacht, mit russischen Besatzungsinstanzen zusammenzuarbeiten: Die beiden ehemaligen ukrainischen Stabhochspringer Wassyl (l.) und Sergej Bubka (m.) (hier bei der Siegerehrung der Freiluft-EM 1986 mit dem Franzosen Philippe Collet (r.)). © Bereitgestellt von Merkur „Held der Ukraine“ Bubka liefert wohl Treibstoff an russische Besatzer Rund drei Wochen später, am 26. Mai, schlossen die beiden Parteien laut den Angaben des ukrainischen Nachrichtenportals den nächsten Vertrag. Dieser legte fest, dass Mont Blanc dem sogenannten „Zentrum für die Sicherstellung der Tätigkeit des Schatzamtes Russland“ für rund 669.000 Rubel knapp 11.500 Liter Kraftstoff zur Verfügung stellen sollte. Weitere vier Tage danach besiegelten die Bubka-Brüder offenbar das dritte Geschäft mit der russischen Seite. Am 30. Mai einigten sich Mont Blanc und die „republikanische Schatzkammer der Volksrepublik Donezk“ unter russischer Führung darauf, dass Mont Blanc für die Lieferung von 1.200 Liter Treibstoff etwa 63.000 Rubel erhalten sollte. Zusammen mit seinem Bruder: Ukrainer Bubka verkauft Kraftstoff an Russland Bubkas Unternehmen verkauft den Kraftstoff nicht direkt, sondern in Form von Gutscheinen. Diese sind an Tankstellen von Mont Blanc einlösbar. Nach Angaben von bihus.info existieren davon mindestens sechs, die sich allesamt in den von Russland kontrollierten Teilen der Oblast Donezk befinden. So stehen vier in der Stadt Donezk, eine in der Nähe von Wolnowacha und eine in Makijiwka. Als Leiter von Mont Blanc unterzeichnete Wassyl Bubka alle drei Verträge. Zudem ist er darin als russischer Staatsbürger aufgeführt – anders als sein Bruder, der als Ukrainer bezeichnet wird. Sergej Bubka verfügt jedoch, so offenbaren es die Recherchen von bihus.info, über eine aktive Steuernummer in Russland. Indes intensivierten die Bubka-Brüder nach Informationen des Portals ihr mutmaßliches Bündnis mit den russischen Besatzungsbehörden – jetzt auch mit weiteren Unternehmen, dem „Sergej Bubka Sports Club“. Die medizinische Abteilung des Innenministeriums der „Volksrepublik Donezk“ besiegelte am 3. Juli, diesem 2.250 Rubel für die Ausstattung mit Gummistempeln zu zahlen. Die Bubkas hatten den mittlerweile auf Handel ausgerichteten „Sergej Bubka Sports Club“ in den 1990er-Jahren in Donezk gegründet. Inzwischen übertrugen sie ihn, analog zur Vorgehensweise bei Mont Blanc, in das russische Unternehmensregister. „Kollaborative Tätigkeit“: Ukraines Sicherheitsdienst ermittelt gegen Bubkas Und auch die Tätigkeiten von Mont Blanc gingen weiter. Am 27. Juli schlossen die Firma und die „republikanische Schatzkammer der Volksrepublik Donezk“ einen Treibstoffhandel im Wert von 73.000 Rubel ab, laut bihus.info erneut über das bewährte Gutschein-Modell. In der Folge leitete der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) eine Untersuchung gegen die Aktivitäten von Mont Blanc ein. Inzwischen klagte er Wassyl Bubka als Leiter des Unternehmens in Abwesenheit an, da er unter Verdacht der „kollaborativen Tätigkeit“ und der „Erleichterung der Aktivitäten einer terroristischen Organisation“ stehe. Große Empörung in der Ukraine über Bubkas mutmaßlichen Handel mit Russland Nach Erscheinen der Berichte war die Empörung in der Ukraine groß. Einige Stimmen forderten, Bubka seinen Ehrentitel abzuerkennen. Dass der frühere Stabhochspringer wie die besten Soldaten der Nation als „Held der Ukraine“ bezeichnet werden dürfe, sei „das Ekelhafteste“, zitierte das ZDF den Skeletonfahrer Wladislaw Heraskewitsch. Und auch Forderungen nach einer Verbannung aus dem ukrainischen NOK (Nationales Olympisches Komitee) wurden laut. Doch einerseits genießt Bubka dort laut dem Rechercheportal die Rückendeckung vieler anderer Mitglieder. Andererseits erklärte die Organisation gegenüber bihus.info, es könne den 60-Jährigen nicht ausschließen, da er Mitglied des übergeordneten Internationalen Olympischen Komitees (IOC) sei. Wie steht Bubka zum Ukraine-Krieg? Enthüllungen werfen neues Licht auf ihn Durch die Kollaborations-Vorwürfe erscheint auch Bubkas Rolle als NOK-Vorsitzender (bis November 2022) und wohl berühmtester Sportler der Ukraine in einem anderen Licht. „Als der Krieg begann, kooperierten alle Sportler und warteten zumindest auf eine Erklärung von Bubka. Wir haben einen Brief verfasst, aber er trug nie Bubkas Unterschrift“, sagte Jaroslawa Mahutschich, die amtierende Freiluft-Weltmeisterin im Hochsprung, der Tageszeitung Politico zu Bemühungen einiger ukrainischer Athleten, die NOK von Russland und Belarus zu verbieten. Bubka, eines der 107 stimmberechtigten regulären Mitglieder des IOC, entschied sich also dagegen, seinen Einfluss tragbar zu machen. Die Sportler aus seiner Heimat versuchten, den 60-Jährigen von der Unternehmung zu überzeugen – jedoch ohne Erfolg: „Wir haben ihn angerufen und ihm geschrieben. Später gab er eine Erklärung ab, aber die war bedeutungslos. Es kam nichts mehr von ihm“, erzählte Mahutschich, die sich kürzlich für einen Ausschluss russischer Sportler starkgemacht hatte, weiter. Nationalheld Bubka hintergeht offenbar die Ukraine – und lebt wohl behütet in Monaco Mahutschich ergänzte gegenüber Politico, ihn „als Sportler, aber nicht als Menschen“ zu respektieren. „Der Krieg muss aufhören, Frieden und Menschlichkeit müssen herrschen“, hatte Bubka damals lediglich gesagt. Auch der Umstand, dass Bubka die Ukraine offiziellen Angaben ukrainischer Strafverfolgungsbehörden zufolge im Sommer 2022 dauerhaft verließ und heute nach übereinstimmenden Medienberichten in Monaco lebt, sorgt in seiner Heimat für Unmut. Im Fürstentum am Mittelmeer sieht der frühere Stabhochspringer offenbar regelmäßig im VIP-Bereich des Stade Louis II Spiele des Fußballklubs AS Monaco – eines Vereins, der dem russischen Milliardär Dmitri Rybolowlew gehört. Nach Vorwürfen der Geschäfte mit Russland: Bubka bricht sein Schweigen Und Bubka selbst? Dieser bereite als Reaktion auf die Berichte von bihus.info eine Klage gegen Journalisten zum Schutz der Ehre vor, teilten sein Anwalt sowie der Vorsitzende des ukrainischen Nationalen Olympischen Komitees, Wadym Hutzajt, am 12. Juli mit. Dessen Amt hatte der frühere Stabhochspringer von 2005 bis 2022 selbst bekleidet. Nachdem bekannt geworden war, dass der SBU gegen die Bubkas ermittelt, brach Bubka sein öffentliches Schweigen zu der Causa. In einem Clip auf der Video-Plattform YouTube prangerte der 60-Jährige eine „Kampagne“ gegen ihn an, die lanciert worden sei, um seinen „Ruf zu zerstören“. Bubka habe „nichts mit irgendwelchen Geschäften in den besetzten Gebieten zu tun“. Er sei bereits seit 2014 nicht mehr dort gewesen und tue „alles, um die russische Aggression zu bekämpfen.“ Sein Fokus liege auf den sportlichen Interessen und Zielen der Ukraine, betonte Bubka in seinem Statement ausdrücklich. (wuc)