Thursday, December 7, 2023

US-Haushaltsstreit: Was die unterlassene Ukraine-Hilfeleistung der Republikaner bedeutet

STERN US-Haushaltsstreit: Was die unterlassene Ukraine-Hilfeleistung der Republikaner bedeutet Artikel von Yannik Schüller • 14 Std. Chef der Nein-Sager: Der republikanische Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell spricht zu Reportern Im US-Haushaltsstreit droht die Ukraine unter die Räder zu kommen. Die überlebenswichtigen Milliardenhilfen sind zum Spielball im Washingtoner Machtpoker geworden. Die kompromisslosen Republikaner scheuen nicht vor unterlassener Hilfeleistung. Dass die Ukrainer einen Freiheitskampf auf Pump führen, ist nichts Neues. Doch nun nähern sich die über fast zwei Jahre von mehrheitlich westlichen Staatschefs inbrünstig vorgetragenen Versprechen à la "Koste es, was es wolle" ihrem Ablaufdatum. Kiew geht das Geld aus, dem konservativen Washington die Geduld. Am Mittwoch schmetterten die Republikaner im Senat ein 106 Milliarden Dollar schweres Hilfspaket ab, von dem ein Großteil für die Ukraine eingeplant war. Nur 49 Senatoren stimmten dafür, 60 hätten es sein müssen. US-Präsident Joe Biden fand die Querstellerei der Rechten ganz "erstaunlich" und natürlich gefährlich. Die Weigerung der konservativen Senatoren sei ein "Geschenk" für Kremlchef Wladimir Putin. Nun bedeutet Nein im US-Kapitol nicht immer Nein – so war es zumindest früher einmal. Tatsächlich könnten sich die Konservativen erweichen lassen, sollten sie ihren Willen bekommen – will heißen: eine massiv strengere Grenzpolitik. Das Geschacher macht allerdings deutlich: Die Freiheit der Ukraine ist längst zum Spielball in einer neuen Dimension des amerikanischen Machtpokers geworden. Milliardenschwere Unterstützung – ein Schnäppchen Dass die Ukrainer überhaupt so lange durchhielten, liegt auch an den milliardenschweren Hilfen ihrer Verbündeten. Vor allem an denen der USA, dem mit Abstand größten Geldgeber, der bis Ende Juli fast 77 Milliarden Euro an die Ukraine gab. Der Widerstand der Ukrainer hängt inzwischen immer stärker von diesen Geldern ab. Die zuletzt zugesagte Hilfe ging zwischen August und Oktober 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um knapp 90 Prozent zurück, berichtet das Kiel Institut für Weltwirtschaft. Sollte der Geldstrom aus Washington versiegen, wären die Folgen für die Ukraine katastrophal. Ohne frisches Geld aus den USA sei die Rückeroberung der besetzten Gebiete "unmöglich". Es bestünde dann ein "großes Risiko, diesen Krieg zu verlieren", stellte Andrij Jermak, der Chef des Kiewer Präsidialamte, am Mittwoch klar. Die Republikaner seien laut Biden bereit, "die Ukraine auf dem Schlachtfeld buchstäblich in die Knie zu zwingen und dabei unsere nationale Sicherheit zu gefährden". Auch die Prognose des Nationalen Sicherheitsberaters Jake Sullivan fiel diese Woche düster aus. Nun tickt die Uhr nicht in aller Ohren gleich laut: Laut "New York Times" widersprechen Pentagon-Beamte dem Weißen Haus. Das aktuelle Guthaben reiche aus, um die Ukraine über den gesamten Winter am Feuern zu halten – man müsse die noch übrigen knapp fünf Milliarden Dollar nur entsprechend aufteilen. Es gebe "keinen magischen Topf mit Finanzmitteln, um diesen Moment zu überbrücken. Wir haben kein Geld mehr – und fast keine Zeit mehr", stellte hingegen Shalanda Young, die Direktorin des nationalen Haushaltsamtes, in einem offenen Brief an die Kongressführung klar. Republikaner wollen tauschen: Ukraine-Hilfen gegen schärfere Grenzpolitik Mit dem Sturz von Kevin McCarthy als Sprecher im Repräsentantenhaus knackte das politische Klima in den USA endgültig seine Zwei-Grad-Marke. Realpolitik geht in Richtung Verrat. Ein Einlenken in Sachen Ukraine ist aus republikanischer Sicht zwar trotzdem theoretisch machbar, für die Demokraten aber praktisch zu teuer. Ihr Abnicken wollen sich die Konservativen quasi mit einem Blankoschein in Sachen Grenzschutz vergolden lassen. Dass die Einwanderungspolitik reformbedürftig ist, sehen viele Demokraten auch grundsätzlich ein. Dementsprechend hatte Biden den bockigen Konservativen ein "signifikantes Entgegenkommen" in Aussicht gestellt. Auch sein demokratischer Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, hatte verbal die Arme ausgebreitet. Am Ende half die fast schon unterwürfige Kompromissbereitschaft aber nichts. Schließlich waren die Forderungen der Rechten derart extrem, dass die Demokraten sich ideologisch hätten verbiegen müssen. Dass die Gesprächsbereitschaft von links unmöglich so weit würde gehen können, das wussten die Republikaner natürlich. Jetzt können sie aber sagen: An uns lag's nicht! Von Erpressung wollen die Chefs der Grand Old Party freilich nichts hören. Im Gegenteil: Die Demokraten würden offenbar "lieber zulassen, dass Russland ein souveränes Land in Europa zertrampelt, als das Nötige zu tun, um Amerikas eigene souveräne Grenzen durchzusetzen", sagte Senatsmehrheitsführer Mitch McConnell. Kombifreundschaft – Kiew und Jerusalem in einem Hilfspaket "Nur" 14 der 106 Milliarden Dollar des Hilfebündels sollten nach Israel gehen, als Schützenhilfe im Kampf gegen die Hamas. Dass die Freundschaft zu Kiew und Jerusalem derzeit nur als Kombipaket zu haben ist, das findet unter progressiven Demokraten wie allzeit Rechten gleichermaßen wenig Zustimmung – aus unterschiedlichen Gründen, versteht sich. Rechts will Israel hochrüsten, ohne dabei Kiew auch nur eine Patrone abdrücken zu müssen, Links will angesichts Tausender palästinensischen Opfer genau das vermeiden. Das linke Urgestein Bernie Sanders stimmte deswegen sogar gegen den Entwurf, schloss sich auf Umwegen also den Rechten an. Zwar ist Sanders auf dem Papier ein Unabhängiger, schließt sich qua Gesinnung allerdings in der Regel den Demokraten an. Doch ist sandersche Bigamie das kleinste Problem der Demokraten. Hoffnung auf Neujahrsvorsätze? Wie es nun weitergeht? Dass sich Elefant und Esel in diesem Jahr noch einigen, ist unwahrscheinlich. Allerdings wird der Streit ums Geld im Frühjahr eher noch verkopfter: Am 19. Januar läuft ein Teil, am 2. Februar der Rest des schwer erkämpften Übergangshaushaltes aus. Dann spukt wieder einmal das böse Gespenst Shutdown durch die Kapitolflure. Dass diese Zwischenlösung überhaupt zusammenkam, lag daran, dass die Parteien das Zankthema Ukraine aufschoben. Das kann sich die Ukraine buchstäblich nicht erneut leisten. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Zumindest ist das aus ukrainischer Sicht zu hoffen. Fakt ist: Unterlassene Hilfeleistung ist in den USA nicht strafbar. Das wissen auch die Republikaner.