Tuesday, December 5, 2023

Ukrainischer Soldat wettert gegen Selenskyj-Regierung: „Wahre Situation wird vertuscht“

FR Ukrainischer Soldat wettert gegen Selenskyj-Regierung: „Wahre Situation wird vertuscht“ Artikel von Patrick Mayer • 34 Min. „Einfach nicht genug Männer“ Ein ukrainischer Soldat erhebt Vorwürfe gegen die Regierung Wolodymyr Selenskyjs und den Generalstab. Die Lage am Dnipro bei Cherson ist angeblich brisanter als von Kiew behauptet. Donbass – Für die Ukraine läuft es im Ukraine-Krieg bei der Verteidigung gegen die Invasion durch Russland in der Vorweihnachtszeit militärisch und politisch schlecht. Die Warnungen des westlichen Verteidigungsbündnisses Nato, Kiew just in dieser Phase der Kämpfe nicht allein zu lassen, kommen nicht von ungefähr. Front bei Cherson: Ukrainischer Soldat kritisiert Kiew scharf Der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj beklagte etwa eine angebliche Degradierung durch Präsident Wolodymyr Selenskyj. Und die finanziellen Hilfen für die Ukraine aus den USA laufen Ende des Jahres aus, während die Republikaner im Kongress derzeit weitere Mittel blockieren. In wichtigen Swing States liegt der Republikaner Donald Trump in Umfragen zudem vor Amtsinhaber Joe Biden. Es geht derzeit in Washington um ein mögliches Hilfspaket über 81 Milliarden US-Dollar. Auf dem Schlachtfeld macht derweil die russische Armee rund um Awdijiwka im Donbass gehörig Druck. In dieser verzwickten Gemengelage hat jetzt ein ukrainischer Soldat im Interview mit der BBC die Regierung und den Generalstab in Kiew scharf kritisiert. Die Kritik lautet: An seinem Frontabschnitt bei Cherson fehlt es den Soldaten an vielem, sie fühlen sich alleingelassen. Fullscreen button Im Ukraine-Krieg derzeit schwer unter Druck: der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Dnirpo-Front in der Ukraine: Ukrainischer Verteidiger beklagt Mangel an Soldaten „Hier sollten mehrere Brigaden stationiert werden, nicht einzelne Kompanien – wir haben einfach nicht genug Männer“, erklärte er laut der Nachrichten-Website des britischen Senders zur militärischen Lage im südlichen Delta des riesigen Flusses Dnipro. Den Ukrainern war es Anfang November nach mehreren gescheiterten Versuchen gelungen, sich am östlichen Dnipro-Ufer in der Oblast Cherson festzusetzen. Ukrainische Marinesoldaten konnten zuerst beim Dorf Krynki Stellungen einrichten, diese ausweiten und schließlich nachhaltig Nachschub anlanden. Das östliche Dnipro-Ufer hat eine erhebliche strategische Bedeutung. Die nahe und gut ausgebaute Europastraße 97 (E97) führt von Oleschky nach Armjansk am nordwestlichen Zipfel der Krim. Und das auf vergleichsweise überschaubaren 100 Kilometern. Probleme im Ukraine-Krieg: Festgefahrene Front und politische Spannungen in Kiew Doch offenbar ist die Situation der ukrainischen Armee an diesem Frontabschnitt brisanter als von Kiew kommuniziert. Der Soldat schilderte, dass die Einheiten mit einem Mangel an schweren Waffen sowie erheblichen Personalproblemen zu kämpfen hätten. Heißt: Zu wenige Soldaten wurden seiner Ansicht nach dorthin gesandt, um sich den russischen Gegenangriffen zu erwehren. Damit nicht genug. „Wir haben einen Großteil unserer Ausrüstung selbst bezahlt – Generatoren, Powerbanks und warme Kleidung gekauft. Jetzt, wo der Frost kommt, wird es nur noch schlimmer – die wahre Situation wird vertuscht, also wird niemand etwas ändern“, erzählte er weiter. Hier sollten mehrere Brigaden stationiert werden, nicht einzelne Kompanien – wir haben einfach nicht genug Männer. Ukrainischer Soldat im Gespräch mit der BBC Damit nicht genug: Der Mann behauptete sogar, dass einige der Marinesoldaten, die die Brückenköpfe halten sollen, nicht einmal schwimmen könnten. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Es passt zumindest ins Bild: Ukrainische Front-Truppen würden sich über die Entsendung unzureichend ausgebildeter Rekruten sowie über Probleme beim Nachschub von Lebensmitteln und Medikamenten beschweren, schreibt der Business Insider. Jetzt kommt noch der bitterkalte Winter dazu. Zu den immensen Herausforderungen zählen derzeit wohl auch stockende Waffenlieferungen aus dem Westen. Die Verteidigungsminister der Europäischen Union (EU) hatten zuletzt nach einem Treffen erklärt, dass das Ziel der Lieferung von einer Million 155-mm-Artillerie-Granaten bis zum Jahresende deutlich verfehlt werde. Waffenlieferugen im Ukraine-Krieg: Kiew wartet sehnsüchtig auf mehr Leopard-1-Panzer aus Deutschland Deutschland wird zudem bei den Leopard-1-Lieferungen sein gesetztes Ziel vorerst verfehlen. Und zwar deutlich. Bis Jahresende sollten nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums 80 Leopard 1A5 an die Ukrainer übergeben werden. Stand 5. Dezember standen laut Liste der militärischen Unterstützungsleistungen der Ampel-Regierung aber erst 30 Exemplare an den Fronten zwischen Cherson und Awdijiwka. Anfang November hatte Berlin zwar zehn weitere „Leos“ geliefert, doch die Panzer-Unterstützung hakt. Kürzlich bestätigte ein ukrainischer Soldat der AFP, dass seine Armee einen Strategiewechsel vollzogen habe. So sollen mit einzelnen Panzern nur noch Nadelstiche auf Distanz gegen russischen Truppen gesetzt werden. Angriffe in größeren Kontingenten sind in diesem Winter wohl nicht möglich. Und das, obwohl bis zu 31 schwere amerikanische Kampfpanzer M1 Abrams an der Front eingetroffen sind. Ukraine-Krieg: Neue Panzer-Strategie gegen die russische Armee im Winter „Wir können Ziele in einer Entfernung von 3,5 bis zu fünf Kilometern treffen. Dieses System ist sehr modern“, erklärte ein Panzerfahrer namens Vitali der Nachrichtenagentur zu den deutschen „Leos“: „Moderne Panzer unserer Feinde verfügen nicht über ein solches System. Dadurch ist es ihnen nicht möglich, uns aus großer Entfernung anzugreifen. Wir können aus einer Entfernung, die es uns erlaubt, nicht zerstört zu werden, auf sie schießen.“ Neben den Soldaten sollen wohl mehr denn je die wertvollen schweren Waffen aus den USA und der EU geschont werden, während die Probleme für Selenskyj und den Generalstab wachsen. (pm)