Tuesday, December 5, 2023

Russland beschwört die alte Liebe

FR Russland beschwört die alte Liebe Artikel von Stefan Scholl • 11 Std. Eine freundliche Gesten vom Herrn im Kreml? Putin findet milde Worte für Deutschland und setzt auf sinkende Unterstützung für die Ukraine. Mit Deutschland sei es gelungen, über mehr als ein halbes Jahrhundert eine pragmatische geschäftliche Zusammenarbeit zu entwickeln – Wladimir Putin klang fast nostalgisch. Sie sei für beide Staaten und den gesamten europäischen Kontinent von Nutzen gewesen. Sein Land habe die Bundesrepublik „jahrzehntelang zu akzeptablen Preisen mit ökologisch sauberem Gas“ und anderen Energieträgern versorgt. „Und diese Zusammenarbeit wurde buchstäblich in die Luft gejagt, auch durch den Sabotageakt gegen Nordstream.“ So sprach Wladimir Putin bei der zeremoniellen Entgegennahme der Beglaubigungsschreiben von 21 ausländischen Botschaftern am Montagabend im Kreml. Dabei fand er erstaunlich freundliche Worte nicht nur für Vertreter des globalen Südens wie Burundi oder Äthiopien, sondern auch für die Repräsentanten des „feindseligen Westens“. Und besonders für den neuen deutschen Botschafter Alexander Graf Lambsdorff. Das eingefrorene Verhältnis zu Russland sei für beide Seiten ungünstig, aber vor allem für Deutschland. „Außer den politischen und wirtschaftlichen Verbindungen sind auch die sich früher so erfolgreich entwickelnden Kontakte in Wissenschaft und Bildung sowie im kultur-humanitären Bereich eingestellt worden, ebenso die Verbindungen der Zivilgesellschaften.“ Da benutzte der russische Staatschef sehr deutsche Vokabeln, mit denen die Berliner Politik in den vergangenen Jahrzehnten eine Verbesserung des bilateralen Verhältnisses beschworen hatte. Russland sei auch heute für einen Ausbau der russisch-deutschen Beziehungen auf den Prinzipien von Gleichheit und Achtung vor den gegenseitigen Interessen. Den Appell wiederholte er kürzer auch gegenüber dem künftigen Nato-Staat Schweden sowie europäischen Nato-Mitgliedern, die Putin seit über zwei Jahren in der Regel als „feindselig“ bezeichnet, ob Slowenien, Luxemburg oder Griechenland. Sogar Großbritannien erinnerte er an Zeiten gemeinsamer erfolgreicher Verantwortlichkeit für den Weltfrieden. Sehr diplomatische Worte für Putin. Seit Beginn seiner „militärischen Spezialoperation“ gegen die Ukraine bezeichnete er die europäischen Staaten regelmäßig als US-Vasallen. Putin mag jetzt selbst mit Wehmut an die Gasexporte nach Europa zurückdenken, deren Verlust China noch nicht einmal zu einem Fünftel ausgleichen will. Aber bei Meinungsumfragen sinken auch in der EU die Unterstützungsraten für die Ukraine. Medien beschwören Zerwürfnisse in der Kiewer Führung, die „Bild“ behauptete Ende November, in der deutschen Regierung wolle man die Waffenhilfe so niedrig halten, dass Wolodymyr Selenskyj am Ende selbst Verhandlungen vorschlage. Nun scheint Moskau den kriegsmüden Trend in Deutschland und anderen EU-Staaten nutzen zu wollen, um den keineswegs siegreichen Ukraine-Konflikt doch vorteilhaft einzufrieren. Die kremlnahe Zeitung „Iswestija“ zitierte am Dienstag schon einen hohen Beamten, der Friedensgespräche in Ungarn vorschlug.