Friday, December 8, 2023
»Krisenmodus« ist das Wort des Jahres 2023 - vor Antisemitismus, KI-Boom und Milliardenloch
DER SPIEGEL
»Krisenmodus« ist das Wort des Jahres 2023 - vor Antisemitismus, KI-Boom und Milliardenloch
3 Std.
Ukrainekrieg, Nachtragshaushalt, Nahostkonflikt: Die Herausforderungen für die Politik sind groß, sie arbeitet im »Krisenmodus«. Dieser Begriff wurde nun zum Wort des Jahres gekürt – vor »Antisemitismus« und »leseunfähig«.
»Krisenmodus« ist das Wort des Jahres 2023 - vor Antisemitismus, KI-Boom und Milliardenloch
Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS ) hat den Begriff »Krisenmodus« zum »Wort des Jahres« 2023 gekürt. Das gab die Jury am Freitag in Wiesbaden bekannt.
In diesem Jahr schienen die Krisen und ihre Bewältigung zu kulminieren, schreibt die GfdS zur Begründung: »Um einen Satz des Vizekanzlers zu modifizieren: Wir sind umzingelt von Krisen«. Der Ausnahmezustand sei zum Dauerzustand geworden. Gefühle wie Unsicherheit, Ängste, Wut, Hilflosigkeit und Ohnmacht prägen den Alltag vieler Menschen. Linguistisch sei eine zunehmende sprachliche Radikalisierung im öffentlichen Raum zu bemerken.
Die Top 10 der Wörter des Jahres in Deutschland 2023:
Krisenmodus
Antisemitismus
leseunfähig
KI-Boom
Ampelzoff
hybride Kriegsführung
Migrationsbremse
Milliardenloch
Teilzeitgesellschaft
Kussskandal
»Die Liste spiegelt die Realität wider, und die Realität ist derzeit ziemlich düster«, sagte die GfdS-Geschäftsführerin Andrea Ewels. Die Gesellschaft befinde sich seit 2020 im »Krisenmodus«, sagte sie mit Blick etwa auf die Coronapandemie, den Überfall Russlands auf die Ukraine, die Energiekrise, die Bildungsmisere und den Angriff der Hamas auf Israel.
Das Siegerwort ist kein Wort, das erst 2023 geprägt wurde, darauf weist die Gesellschaft für deutsche Sprache hin: Der früheste Beleg, der sich im Deutschen Referenzkorpus, der weltweit größten digitalen Textsammlung zur deutschen Sprache nach 1945 findet, stamme aus dem Jahr 2001.
Eine Jury der GfdS wählt alljährlich Begriffe und Wendungen aus, die das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben eines Jahres sprachlich in besonderer Weise bestimmt haben. 2022 war »Zeitenwende« auf dem ersten Platz gelandet. Der Begriff steht im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und wurde unter anderem von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgegriffen und geprägt. Zuvor waren mit »Wellenbrecher« (2021) und »Coronapandemie« (2020) zwei Begriffe aus dem Wortfeld um die damalige Krankheitswelle gewählt worden.
Die Gesellschaft für deutsche Sprache ist eine politisch unabhängige Vereinigung zur Pflege und Erforschung der deutschen Sprache mit Sitz in Wiesbaden. Für einen Platz auf der Liste der »Wörter des Jahres« ist den Angaben zufolge nicht die Häufigkeit entscheidend, sondern die Bedeutsamkeit und die Popularität. Die ausgewählten Wörter und Wendungen seien mit keinerlei Wertung oder Empfehlung verbunden. Das »Wort des Jahres« wurde von der GfdS erstmals 1971 und seit 1977 regelmäßig gekürt.
Auch in anderen Ländern werden Wörter des Jahres bestimmt. In Österreich wurde der Begriff »Kanzlermenü« ausgewählt, er bezieht sich auf eine Aussage des Bundeskanzlers Karl Nehammer, der einen Hamburger bei McDonald's als »billigste warme Mahlzeit in Österreich« bezeichnet hatte. Für die Deutschschweiz gaben Zürcher Linguisten »Monsterbank« als Wort des Jahres aus – es steht im Kontext des Credit-Suisse-Crashs. Der englische Buchverlag Oxford University Press wählte den Begriff »Rizz«; das US-Pendant Merriam-Webster entschied sich für »authentic«.