Thursday, December 21, 2023

Jusos geißeln Asyl-Einigung: „Abschreckung“ statt „Verantwortungsteilung“

FR Jusos geißeln Asyl-Einigung: „Abschreckung“ statt „Verantwortungsteilung“ Artikel von Pitt von Bebenburg • 12 Std. Migration Jusos geißeln Asyl-Einigung: „Abschreckung“ statt „Verantwortungsteilung“ Juso-Vorsitzender Türmer vermisst „sozialdemokratische Linie“. Zoff gibt es auch bei den Grünen. Das EU-Migrationsabkommen erhitzt die Gemüter. Frankfurt – Die Verständigung auf ein europäisches Asylsystem birgt Konfliktstoff für die Regierungsparteien SPD und Grüne. Der Bundesvorsitzende der Jusos, Philipp Türmer, sagte der Frankfurter Rundschau am Donnerstag: „Die Einigung zum gemeinsamen europäischen Asylsystem verrät die europäischen Werte. Die Vision Europa wurde durch die Festung Europa abgelöst.“ Bundesinnenministerin Nancy Faeser, ebenfalls SPD, hatte dem gemeinsamen europäischen Asylsystem (Geas) attestiert, es sei der „Schlüssel, um Migration insgesamt zu steuern und zu ordnen, humanitäre Standards für Geflüchtete zu schützen und die irreguläre Migration zu begrenzen“. EU setzt auf „Abschreckung durch massive Asylrechtsverschärfungen“ – Statt auf Verantwortungsteilung Die EU-Kommission, der Europäische Rat und das Europaparlament hatten sich am Mittwoch auf Geas geeinigt. Danach sind Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen vorgesehen, die darüber entscheiden, ob jemand überhaupt einreisen darf und in ein Asylverfahren kommt. Bis zur Entscheidung sollen die Menschen unter haftähnlichen Bedingungen in Auffanglagern untergebracht werden. „Statt echter Verantwortungsteilung setzt die EU zukünftig auf Abschreckung durch massive Asylrechtsverschärfungen“, beklagt Türmer. In geschlossenen Lagern sollten sogar Kinder verpflichtende Grenzverfahren durchlaufen. „Dass nicht einmal die Altersgrenze von zwölf Jahren festgeschrieben wurde, ist ein Armutszeugnis für die deutsche Bundesregierung, die damit nicht einmal diesen Minimalerfolg erzielen konnte“, bemängelte er. Stattdessen ermögliche die Krisenverordnung „Willkürlichkeit und eine weitere Entrechtung Geflüchteter“. Türmer plädierte für eine „sozialdemokratische Linie“. Sie müsse lauten: „Wir brauchen sichere Fluchtrouten, weniger Abschottung und eine menschenrechtsgeleitete Asyl- und Integrationspolitik!“ Die Grünen hatten bereits bei ihrem Bundesparteitag im November in Karlsruhe emotional über ihre Haltung zu Geas gestritten. Sie vereinbarten, ihre Positionierung davon abhängig zu machen, ob „unter dem Strich Verbesserungen in der europäischen Asylpolitik und auch für Europa stehen“. Die Einschätzungen darüber gehen aber weit auseinander. Einigung „dringend notwendig und längst überfällig“ – trotz Kritik zwei positive Aspekte Die Grüne Außenministerin Annalena Baerbock bezeichnete die Einigung als „dringend notwendig und längst überfällig“. Sie räumte jedoch ein, dass sich Deutschland mit der Forderung nach pauschalen Ausnahmen von Kindern und Familien von den umstrittenen Grenzverfahren nicht habe durchsetzen können. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke nannte die Geas-Reform seinen „größten politischen und persönlichen Rückschlag“. Pahlke urteilte: „Unmenschliche Lager, Aushöhlung des Grundrechtes auf Asyl und Abschiebungen in gefährliche Drittstaaten sind aus meiner Sicht nicht tragbar.“ Grünen-Chef Omid Nouripour verwies auf zwei positive Seiten des Brüsseler Kompromisses. Zum einen sei es „ein hoher Wert, dass die EU hier zusammenfindet und Handlungsfähigkeit beweist, auch mit deutscher Beteiligung“. Zudem gebe es einen „verbindlichen Solidaritätsmechanismus“ als „Einstieg in eine innereuropäische Verteilung“. 20.000 Euro pro Geflüchtetem – nicht aufnahmewillige Staaten können sich freikaufen Der Beschluss sieht vor, dass mindestens 30 000 Geflüchtete pro Jahr aus Staaten an den EU-Außengrenzen in andere Länder der Europäischen Union verteilt werden. Die große Mehrzahl der Geflüchteten wird also auch in Zukunft nicht nach diesem Mechanismus verteilt. Zudem können sich nicht aufnahmewillige Staaten mit 20 000 Euro pro Migrantin oder Migrant freikaufen. Die ungarische Regierung erklärte bereits, dass sie weder das eine noch das andere tun wolle. „Niemand aus Brüssel oder sonst woher kann uns sagen, wen wir reinlassen, und wir weigern uns aufs Schärfste, dafür bestraft zu werden“, sagte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto. Für die EU-Verordnungen gilt eine zweijährige Übergangszeit, um die Absichten in die Realität umzusetzen. Angewendet werden dürfte Geas also erst im Frühjahr 2026.