Friday, October 11, 2024

Lindners Probleme mit Ausgaben, nicht mit der Schuldenbremse

Frankfurter Allgemeine Zeitung Lindners Probleme mit Ausgaben, nicht mit der Schuldenbremse Artikel von Manfred Schäfers • 10 Std. • 2 Minuten Lesezeit Christian Lindner läuft sich für den Wahlkampf warm. Am Freitag wirbt er in seiner Doppelrolle als Bundesfinanzminister und FDP-Vorsitzender vor Spitzenvertretern des Handwerks für ein Umparken im Kopf. Er selbst spricht von einer Anpassungskrise, einer Mentalitätskrise. Bei der anstehenden Reform der sozialen Marktwirtschaft gebe es zwei Denkschulen. Die eine wolle, dass der Staat Schulden aufnehme, um einzelne Unternehmen, Branchen, Technologien mit Subventionen zu unterstützen, damit diese Zukunft hätten Der FDP-Politiker nennt in diesem Zusammenhang EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und die Ökonomen Marcel Fratzscher und Michael Hüther, vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft. Nach einer kurzen Kunstpause nennt er auch Vertreter der zweiten Denkschule: seinen Wirtschaftsberater Lars Feld, sich selbst „und ich ahne, auch größere Teile des Handwerks“. Die Ampel reizt die Schuldenbremse aus Er sei aus fiskalischen Gründen gegen kreditfinanzierte Subventionen, aber vor allem sei er aus ordnungspolitischen Überlegungen dagegen. „Ich sehe da kein nachhaltiges, dauerhaft durchhaltbares Wachstumsmodell.“ Dann entschieden Politiker und Beamte, welches Unternehmen, welche Branche, welche Technologie Zukunft haben solle und welche nicht. „Dann kommen Ergebnisse zustande wie das Verbot des Verbrennungsmotors ab dem Jahr 2035 in Europa, während er weltweit überall noch millionenfach im Einsatz sein wird – und das auch dauerhaft.“ Nach Lindners Worten hat der deutsche Staat kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem. Dennoch werde nach immer mehr Ausgaben gerufen, der Staat solle über eine Reform der Schuldenbremse noch mehr finanzieren können. Lindner warnte vor falschen Erwartungen: „Die europäischen Fiskalregeln erlauben das in dieser Form überhaupt nicht mehr, weil wir bereits sehr viel Geld einsetzen.“ Tatsächlich hat die Ampel-Koalition den Rahmen stets ausgeschöpft, wie ihn die Schuldenregel definiert. Mit ihrem ersten Nachtragshaushalt ging sie sogar darüber hinaus, aber das hat das Bundesverfassungsgericht bekanntlich gestoppt. Nun dehnen SPD, Grüne und FDP den Ausgabenrahmen mit Hilfe „finanzieller Transaktionen“, die gleichsam nebenher laufen. Zudem nutzt die Regierung den Umstand, dass die Schuldenregel höhere Ausgaben in konjunkturell schlechten Zeiten erlaubt. Diese Möglichkeit reizt sie aus: Im Juli plante die Regierung eine Kreditaufnahme von 43,8 Milliarden Euro für 2025, einen Monat später wurden daraus 51,3 Milliarden Euro. Weil die wirtschaftlichen Aussichten sich weiter eingetrübt haben, könnten es bald 56,5 Milliarden Euro werden. Im August bezifferte die Regierung die Konjunkturkomponente auf 9,8 Milliarden Euro, jetzt kommt Wirtschaftsminister Habeck auf 15 Milliarden Euro: das ist ein Plus von 5,2 Milliarden Euro. Für Lindner bestätigt das „die Flexibilität der Schuldenbremse“. Stand heute könnte die Koalition entsprechend mehr Schulden machen, um geringere Steuereinnahmen und höhere Ausgaben etwa infolge steigender Arbeitslosigkeit auszugleichen. Die strukturelle Lücke, die der Haushaltsausschuss noch bis Mitte November schließen muss, ist davon unberührt. Nach allgemeiner Einschätzung ist die eingeplante globale Minderausgabe zu hoch. Gemessen an Lindners Rede zur Lage der Nation ist dies ein vergleichsweise kleines Problem – nur war es bisher für die Koalition zu groß.